Krombacher Wachsen ohne Alkohol

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Bedrohlicher als alle Übernahmeszenarien

In der 100 Milliarden Dollar schweren Fusion der beiden Braugiganten AB Inbev und SABMiller sieht Schadeberg keine Bedrohung für die deutsche Brauindustrie. Ganz im Gegenteil: „Ich glaube, die haben das Interesse an Deutschland verloren.“ Andere Märkte seien viel interessanter. Bei der Megafusion gehe es vor allem um die Vormachtstellung in Afrika. Dort leben etwas mehr als eine Milliarde Menschen, 15 Prozent davon trinken Bier, rechnet Schadeberg vor. Bis 2035, so die Prognosen, steige die Zahl auf zwei Milliarden Menschen, von denen 30 Prozent Bier trinken. Ein gigantisches Potenzial.

In welchen Städten Bier am billigsten ist
Krakau Quelle: dpa
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Bierpreise in Delhi Quelle: REUTERS
Bier Quelle: dpa
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Zudem habe es ja kurz nach der Jahrtausendwende in Deutschland ein erstes Abtasten mit den globalen Braukonglomeraten gegeben. ABInbev hatte seinerzeit die Brauerei Beck mit den Marken Becks, Diebels und Hasseröder geschluckt. Und Heineken hatte sich mit einem Minderheitsanteil an der Münchner Schörghuber-Gruppe (Paulaner/Kulmbacher) beteiligt. Dabei ist es bis heute geblieben.

Angesichts der Tatsache, dass es in Deutschland mehr als 1200 Brauereien gibt, ein kompliziertes Mehrweg- und Einwegpfandsystem, jedes Bier in der Gastronomie sein eigenes Glas habe, viele Brauereien spezielle Kästen und Flaschen vertreiben, viele Brauereien unter Überkapazitäten leiden und die Handelsketten mit Biermarken einen gnadenlosen Preiskampf betreiben, sei das Geschäft für die Weltkonzerne viel zu kompliziert. „Das kennen die so nicht“, sagt Schadeberg. Karel Vuursten, seinerzeit Vorstandschef von Europas führender Brauerei Heineken, beschrieb die Lage in Deutschland daher als „Blutbad".

Schadeberg selber sieht sich ebenfalls nicht in der Rolle des Übernehmers – jedenfalls wenn es um Bier geht. „Wir werden keine Brauerei kaufen. Wir werden lediglich unser Sortiment ergänzen.“ Bernhard Schadeberg ist einer von vier Familiengesellschaftern. Beteiligt an der Braugruppe sind auch sein Vater, seine Tante und seine Schwester Petra. Die kümmert sich vor allem um die finanziellen Belange der Schadebergs. Statt sich marode Brauereien ans Bein zu binden, haben sich die Schadebergs beispielsweise schon vor vielen Jahren beim weltweit agierenden Maschinenbauer Krones beteiligt.

Das deutsche Reinheitsgebot

Für die Unternehmensnachfolge, sollte sie aus dem Familienkreis stammen, zeichnet Bernhard Schadeberg zuständig. Er ist Vater von drei Kindern. Sein ältester Sohn zeigt schon reges Interesse am Unternehmen. In den Sommerferien habe er in Frankfurt, Dortmund, Rostock und Olpe eine Woche lang Displays mit Flaschen bestückt. In der anderen sei er eine Woche mit dem Gastronomie-Außendienst auf Tour durch Clubs und Kneipen von Berlin bis Oer-Erkenschwick gewesen. „Anschließend kam er mit 150 Verbesserungsvorschlägen zurück“, erzählt Schadeberg. „Danach war ich mir nicht mehr sicher, ob ich geeignet bin, dieses Unternehmen zu führen.“ Sein anderer Sohn habe mit Bier und anderen Getränken wenig am Hut. Er wolle lieber EA-Sports-Programmierer werden.

Viel bedrohlicher als alle Übernahmeszenarien sei für die deutschen Brauer ein Werbeverbot für alkoholische Getränke. „Wir müssen uns schon heute die Frage stellen, wie wir ohne Werbung an die Verbraucher rankommen wollen“, so Schadeberg. Vorsorglich hat er den Krombacher-Freundes-Club ins Leben gerufen, der aktuelle rund 370.000 Mitglieder zählt, die von einem eigenen Callcenter mit Infos versorgt werden. „Wir sind pro Woche mit 40.000 Mitgliedern aktiv im Gespräch.“ Als mittelfristiges Ziel will der Krombacher-Chef rund eine Million Kunden im Direktkontakt ansprechen können.

Diese Nährstoffe stecken in hellem Bier (Pils)

Andere Ideen, die 1803 gegründete Brauerei in das digitale Zeitalter zu führen, lassen sich schwerer realisieren: „Je mehr Spezialisten wir brauchen, umso mehr wird unser Standort zum Problem“, sagt Schadeberg. Mit seinen Wäldern und Seen kann das Siegerland wohl nur wenige Uni-Abgänger locken. „Wir werden nicht umhinkommen ein Büro in Berlin zu eröffnen, um qualifizierte Arbeitskräfte zu bekommen“, sagt der Brauerei-Chef.

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