Lebensmittelskandal Bio-Bauern fürchten um ihren Ruf

Die Nachfrage nach Bio-Lebensmitteln wächst ungebrochen, doch der neue Skandal um falsche Bio-Eier schürt alte Vorbehalte: Ist wirklich überall Bio drin, wo Bio draufsteht? Öko-Bauern fürchten um ihren Ruf.

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Skandal um falsch deklarierte Bio-Eier

Im neuen Skandal um falsch deklarierte Eier fürchten Bio-Bauern um ihren guten Ruf. „Unsere Sorge ist, dass es jetzt wieder heißt: Bio kann man auch nicht trauen“, sagt der Sprecher der Arbeitsgemeinschaft bäuerliche Landwirtschaft (AbL), Eckehard Niemann, der Nachrichtenagentur dpa. In der Arbeitsgemeinschaft haben sich vor allem kleine und mittlere Betriebe zusammengeschlossen, die sowohl ökologisch als auch konventionell wirtschaften.

„Jetzt müssen sich die Verbände deutlich von der Agrarindustrie distanzieren und entsprechende Betriebe ausschließen“, forderte Niemann. „Auch muss die viel zu lasche Bioverordnung der Europäischen Union auf den Stand der Bioverbände angehoben werden.“

Der AbL-Sprecher erläuterte, bei der Kontrolle von Legehennenbetrieben gebe es auch technische Schwierigkeiten. So sei noch kein Mittel gefunden, die Tiere zuverlässig zu zählen. „Außerdem kann man sich seine Kontrollstelle im Bio-Bereich aussuchen. Bei manchen Bio-Verbänden gibt es mir eine zu große Nähe der Verbände zu den Kontrollstellen“, sagte Niemann.

Angemeldete Überprüfungen der Bio-Kontrollstellen gebe es einmal im Jahr. Hinzu kämen unangemeldete, bei Betrieben mit mehr als 10.000 Hühnern zum Beispiel drei im Jahr. Das sei prinzipiell ausreichend. „Bei Bioland und Demeter ist man auf der sicheren Seite“, sagte Niemann. Auch Naturkostläden oder der Hofverkauf entsprechender Betriebe böten zuverlässige Einkaufsmöglichkeiten.

Von Pferdelasagne und Ehec-Sprossen
2016: Plastik im SchokomantelAbermillionen Schokoriegel müssen in die Werkstatt – sozusagen. Nachdem eine Kundin in einem Marsriegel auf ein Stück Plastik gebissen hat, hat der Hersteller mit einer gigantischen Rückruf-Aktion begonnen. Sie gilt mittlerweile für alle Staaten der Europäischen Union, mit Ausnahme von Bulgarien und Luxemburg. Betroffen sind Riegel der Marken Mars und Snickers mit einem Mindesthaltbarkeitsdatum vom 19. Juni 2016 bis 8. Januar 2017 zurück; zudem alle Produkte der Marke Milky Way Minis und Miniatures sowie mehrere Celebrations-Mischungen mit diesem Mindesthaltbarkeitsdatum. Quelle: dpa
2016: Glyphosat und Malz, Gott erhalt'sPro Jahr konsumiert ein Deutscher durchschnittlich 107 Liter Bier. Und damit nicht nur, streng nach dem deutschen Reinheitsgebot, Wasser, Hopfen, Hefe und Malz, sondern auch noch eine gerüttelte Menge Glyphosat – das weltweit meist eingesetzte Pestizid. In deutschen Bieren wurden Mikrogrammwerte deutlich über den Grenzwerten für Trinkwasser gemessen, im krassesten Fall 300-fach über dem Grenzwert. Direkte Gefahr für die Gesundheit besteht allerdings nicht. Quelle: dpa
2014: Dänischer Wurstskandal erreicht DeutschlandIn Dänemark stellte sich 2014 heraus, dass Produkte des Wurstherstellers Jørn A. Rullepølser mit Listerien-Bakterien verseucht waren. Listerien sind für gesunde Menschen in aller Regel ungefährlich, allerdings ein Risiko für immungeschwächte Personen und schwangere Frauen. In Dänemark starben innerhalb von 30 Tagen zwölf Menschen, 15 weitere erkrankten. Der Betrieb wurde geschlossen, die Produkte zurückgerufen. 160 Kilogramm waren auch an einen deutschen Supermarkt in Schleswig-Holstein an der dänischen Grenze gegangen – sie waren bereits verkauft, bevor sie sichergestellt worden konnten. Verbraucher wurden gebeten, die Wurst zu vernichten oder zurückzugeben. Quelle: dpa
2014: Käse mit ColiDas Unternehmen Vallée-Verte rief die zwei Käsesorten „Saint Marcellin“ und „Saint Felicien“ zurück. In den Produkten der französischen Käserei Fromageries L'Etoile wurden Coli-Bakterien nachgewiesen. Diese können innerhalb einer Woche nach Verzehr zu teils blutigem Durchfall, Bauchschmerzen, Erbrechen sowie Fieber führen. Gerade bei Kindern besteht außerdem die Gefahr von Nierenkomplikationen. Quelle: dpa
2014: Von wegen Edel-Hähnchen2014 deckte die „Zeit“ auf: Das Neuland-Gütesiegel, gegründet vom Bund für Umwelt und Naturschutz Deutschland (BUND), dem deutschen Tierschutzbund und der Arbeitsgemeinschaft bäuerlicher Landwirtschaft, als ganz besonderes Qualitätssiegel hielt bei Brathühnchen nicht so ganz, was es versprach. Eigentlich sollten Neulandtiere aus Freilandhaltung stammen, gefüttert mit Körnern aus der Region. Tatsächlich stammen in Norddeutschland viele Tiere aus einem ganz gewöhnlichen industriellen Schlachtbetrieb in Niedersachsen. Quelle: dpa
2013: Pferd in der LasagneZusammen mit der Ehec-Epidemie wohl der aufsehenerregendste Lebensmittel-Skandal der vergangenen Jahre: 2013 stellte sich heraus, das Rindfleisch in mehreren Fertiglasagnen aus der Tiefkühlung war eigentlich Pferd. Im Anschluss wurden in Labortests rund 70 Fälle von falsch etikettierten Fertigprodukten nachgewiesen. Die größte Menge an Pferdelasagne gab es in Nordrhein-Westfalen mit 27 Fällen, gefolgt von Hessen (13), Baden-Württemberg (8) und Bayern (8). Weitere betroffene Länder waren Mecklenburg-Vorpommern (5), Brandenburg (4) und Hamburg (2). Quelle: REUTERS
2013: Noch mehr PferdBegonnen hatte der Skandal in Irland und Großbritannien, wo bereits im Januar Hamburger-Frikadellen auftauchten, die Spuren von Pferd enthielten. Bei Hamburgern der Marke Tesco waren es sogar deutlich mehr als nur „Spuren“: Sie bestanden zu 23 Prozent aus Pferdefleisch. Die Tiefkühl-Hackbällchen „Köttbullar“ der Möbelhaus-Kette Ikea in tschechischen Häusern enthielten ebenfalls Pferd und flogen daraufhin aus dem Sortiment – zum Ausgleich landete in schwedischen Tiefkühlregalen Lasagne mit einem Pferdefleischanteil von bis zu 100 Prozent. In ganz Europa wurden schließlich Händler festgenommen, die falsch deklariertes Fleisch verkauften. Quelle: dpa

Bessere Kontrollen gefordert

Derweil wird nach den Skandalen um Bio-Eier und Pferdefleisch der Ruf nach effektiven Lebensmittelkontrollen in Deutschland lauter. Die EU-Agrarminister berieten am Montag in Brüssel über das Thema Pferdefleisch. Landwirtschaftsministerin Ilse Aigner (CSU) will, dass auch bei verarbeiteten Lebensmitteln klar auf dem Etikett stehen soll, wo das Fleisch herkommt. Viele Verbraucher sind zudem verunsichert wegen des Betrugs mit Bio-Eiern. Millionen Eier vor allem aus Niedersachsen sollen als Bio-Eier verkauft worden sein, obwohl sie nicht vorschriftsgemäß produziert wurden.

Der Vorsitzende des Bundestags-Verbraucherausschusses, Hans- Michael Goldmann (FDP), forderte wegen des Eier-Skandals eine schärfere Überwachung. „Wir benötigen intensivere und fachlich bessere Lebensmittelkontrollen“, zitierte die „Passauer Neue Presse“ (Dienstag) den Politiker. Er frage sich, warum es so lange gedauert habe, bis die Betrugsfälle ans Licht gekommen seien. „Die Verbraucher fragen sich zu Recht, was sie überhaupt noch glauben können.“ Die Menschen seien bereit, für vernünftige Haltungsformen mehr Geld auszugeben und würden „betuppt“.

Der Berufsverband der Lebensmittekontrolleure hatte mehr Personal gefordert. Teils sei ein Prüfer für 1200 Betriebe zuständig. „Dadurch können wir nicht den spürbaren Überwachungsdruck auf die Branche ausüben, der notwendig wäre“, sagte der Vorsitzende des Bundesverbands der Lebensmittelkontrolleure, Martin Müller, der „Welt“. Statt der 2400 Prüfer bundesweit seien mindestens 4000 Kontrolleure nötig. Auch der Beamtenbund hatte mehr Kontrolleure verlangt.

Der Chef des Bauernverbands sprach sich im Eier-Skandal für ein entschiedenes Vorgehen aus. „Vorsätzliche Verbrauchertäuschung ist kein Kavaliersdelikt“, sagte der Präsident des Bauernverbands, Joachim Rukwied, am Montag. Sollten sich Verdachtsfälle bestätigen, müsse solches Fehlverhalten einiger Landwirte konsequent geahndet werden. „Die gute Arbeit von tausenden konventionellen wie Öko-Bauern darf dadurch nicht in Verruf gebracht werden.“

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