Lebensmittelspenden Regierung bringt Frankreichs Tafeln in die Bredouille

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Nur acht Prozent der potenziell verfügbaren Menge wird eingesammelt

Aktuell werden aber lediglich acht Prozent dieser potenziell verfügbaren Menge eingesammelt. Es fehlten Fahrer, geeignete Transportmittel und Lagerhäuser, monieren auch Amorce und Ademe. Das Einsammeln und die Verteilung von Lebensmitteln mit einem Wert von rund zwei Euro pro Kilogramm koste heute zwischen 50 und 80 Cent pro Kilogramm.

Jetzt sitzen Tafelbetreiber und Mitarbeiter des Umweltministeriums zusammen, um eine Lösung zu finden. Die zum Casino-Konzern gehörende Supermarkt-Kette Franprix hat ein Abkommen mit Phenix geschlossen. Das auf den Transport und die Verteilung von Lebensmitteln spezialisierte Unternehmen aus dem Bereich der Solidarwirtschaft soll zunächst in den Großräumen Paris und Lyon unverkaufte Lebensmittel aus den Supermärkten in der Innenstadt abholen und zu den Tafeln bringen. Womöglich ist das ein Weg, den künftig auch andere Supermarkt-Betreiber gehen werden.

In Deutschland setzen Gesetzgeber und Handel wie bis vor kurzem auch Frankreich auf freiwillige Spenden. Einer 2012 im Auftrag des Ernährungsministeriums erstellten Studie zu Folge treten Verbraucher, Handel, Industrie und Gastronomie jedes Jahr elf Millionen Tonnen Nahrungsmittel in die Tonne. Davon stammen allerdings nur 550.000 Tonnen aus dem Handel. Die größten Verschwender sind die privaten Verbraucher mit 6,7 Millionen Tonnen. In Frankreich mit seinen aktuell gut 64 Millionen Einwohnern landen einer EU-Studie zu Folge mehr als neun Millionen Tonnen Nahrungsmittel im Müll - mehr als 140 Kilogramm pro Einwohner. 13,6 Prozent der Lebensmittelverschwendung gehen auf das Konto der Supermärkte. So steht es in dem Bericht einer Untersuchungskommission vom Februar 2015, der Grundlage für das neue Gesetz war.

Wenngleich viele Ketten in den vergangenen Jahren bereits steuerbegünstigte Spendenabkommen mit karitativen Vereinigungen schlossen, kapriziert sich das Gesetz auf den Handel. Für Entsetzen sorgte nämlich insbesondere, dass nicht wenige Franchise-Betreiber von Supermärkten Chlor über ihre aussortierten Produkte kippte, um sie unbrauchbar zu machen. Das ist nun verboten. Wer nicht spendet, muss nicht verkaufte Lebensmittel für Tiernahrung zur Verfügung stellen oder kompostieren.

Die meisten Lebensmittel aber verderben auch in Frankreich zu Hause: 6,3 Millionen Tonnen laut der EU-Studie. Das ist Nahrung im Wert von zwölf bis 20 Milliarden Euro. Für weitere 1,1 Millionen Tonnen sind die Restaurants verantwortlich. Bis 2025 soll das Volumen der Lebensmittelverschwendung in Frankreich halbiert werden.

Deshalb hat das Umweltministerium in den Schulen eine Sensibilisierungskampagne gestartet. Die Kinder sollen lernen, die Haltbarkeitshinweise auf den Produkten zu verstehen, dass man Salat auch noch essen kann, wenn die äußeren Blätter bereits nicht mehr so appetitlich aussehen - und dass es nicht beschämend ist, im Restaurant für die Essensreste auf dem eigenen Teller nach einem "Rest-O-Pack" zu fragen.

Diese Kampagne ist auch ganz im Sinne von Annie-France Looses. Sie selbst bietet in Toulouse Kochkurse an, wo kaum ein Schnipsel der Zutaten übrig bleibt. Im Gegensatz zu früher, sagt sie, hätten viele ihrer Kunden heute sehr wohl eine Arbeit und ein Einkommen, kämen damit aber nicht über die Runden. "Das sind Familien, aber auch immer mehr Studenten. Wir versuchen, ihnen zu helfen - in der Hoffnung, das sie uns bald nicht mehr brauchen."

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