Klaus Gehrig, Chef der Schwarz-Gruppe (Lidl, Kaufland), fand offenbar Gefallen an der Lektüre. Im Frühjahr las der Handelsmanager in der WirtschaftsWoche ein Interview mit Hans-Otto Schrader, dem Chef des Hamburger Otto-Konzerns. Schrader erklärte darin, dass seine Mitarbeiter ihn fortan Duzen dürften, um ein Zeichen für den Kulturwandel im Unternehmen zu setzen.
In einer internen Mail an seine Mitarbeiter griff Gehrig das Interview auf: „Passt auch zu uns“, schrieb er an seine Mannschaft, bevor er sich mit „Gruß, Klaus“ verabschiedete. Das berichtete die „Heilbronner Stimme". Seither darf auch der oberste Lidl- und Kaufland-Lenker von seinen Mitarbeitern geduzt werden. Auch sonst hält Gehrig für Mitarbeiter wie Kunden des Konzerns allerlei Überraschungen bereit: In einem Großteil der deutschlandweit 3200 Filialen von Lidl stehen umfassende Veränderungen.
Ähnlich wie Erzrivale Aldi will auch Lidl seine Läden in neuem Glanz erstrahlen lassen und plant das Ausrollen einer komplett neuen Filialgeneration. Ziel sei es mit Glasfronten, Aluminiumverblendungen und einem kombinierter Ein- und Ausgangsbereich „ein Einkaufserlebnis“ für die Kunden zu schaffen, kündigt Marin Dokozić, Chef von Lidl Deutschland gegenüber der WirtschaftsWoche an. Und ebenso wie Aldi Süd plant auch Lidl die Einführung von Kundentoiletten in den neuen Filialen. „Für die jüngsten Lidl-Kunden“ gebe es dort künftig „Wickeltische, die sich im barrierefreien Kunden-WC befinden“, teilt das Unternehmen mit.
Für die Modernisierungsoffensive greift der Konzern tief in die Taschen: Allein in Deutschland wird Lidl in den kommenden fünf Jahren nach Informationen der „Heilbronner Stimme“ mehr als drei Milliarden Euro ins Filialnetz investieren. Nachdem Wettbewerber Aldi Süd jüngst sein neues Ladenkonzept vorgestellt hat, hätten die Strategen aus Neckarsulm ihr Investitionsprogramm sogar nochmal um rund 200 Millionen Euro aufgestockt.
Bereits Ende vergangenen Jahres wurde im baden-württembergischen Offenau nahe dem Konzernsitz ein Lidl-Konzeptmarkt eröffnet, der erahnen lässt, was die Kunden künftig bei dem Discounter erwartet. Schon der Eingangsbereich ist großzügig gestaltet.
Drinnen dominiert die Farbe Grau und hat das zuvor bekannte Lidl-Blau abgelöst. Die Logos der Eigenmarken sind als dreidimensionale Schriftzüge an den Wänden über der Ware angebracht und sollen bei der Orientierung in der Filiale helfen. Zudem wurden die Kassentische umgestaltet und sollen Kunden nun mehr Raum geben, Einkäufe einzupacken. Zudem wurde die Präsentation der Backwaren verändert und Tiefkühlschränke wurden angebracht.
„Wir sind billiger als Aldi“
Trotz der Aufwertung soll Lidl den seinen „Wurzeln als Discounter treu bleiben“, verspricht Deutschlandchef Dokozić. Die Kunden sollen weiter „schnell und unkompliziert“ einkaufen. Auch an der Zahl von rund 1600 Produkten im Sortiment soll sich nichts ändern.
Die „Filialen der neuen Generation“ sollen überall dort entstehen, „wo das Unternehmen neue Standorte plant und wo dies bau- und planungsrechtlich möglich ist“, heißt es bei Lidl. Auch für die Beschäftigten soll die Arbeit in den neuen Läden angenehmer werden. So lassen sich die Kassen sowohl im Stehen als auch im Sitzen bedienen. In hell gestalteten Sozialräumen, die sich im Obergeschoss befinden, ist Platz für Umkleiden, Pausenraum und Filialleiterbüro. Zudem ist ein Schulungsraum als Standard vorgesehen.
Der Preiskrieg mit Aldi geht weiter
Intern sieht man Modernisierung der Filialen als wichtiges Element, um die Konkurrenz auf Abstand zu halten. So konnten in Deutschland in den vergangenen Jahren vor allem Supermärkte wie Rewe und Edeka neue Kunden gewinnen. Aber auch Lidls-Wettbewerber Aldi sorgte für Ungemach in Neckarsulm.
Das Discountschwergewicht listete zahlreiche Markenprodukte ins Sortiment ein – ein Frontalangriff auf Lidl, wo Markenartikel wie Nutella, Coca-Cola oder Red Bull seit jeher in den Regalen stehen. In der Folge lieferten sich die Billigheimer einen Preiskrieg um die günstigste Markenware.
Geht es nach Lidl-Konzernchef Gehrig ist das Duell mit dem Erzrivalen noch lange nicht vorbei: "Wir sind billiger als Aldi", sagte Gehrig der „Lebensmittelzeitung“. "In der Kundenwahrnehmung ist aber Aldi nach wie vor der Preisführer. Das wollen wir ändern." So will er das Geschäft mit zeitlich befristeten Aktionsangeboten deutlich ausbauen. Im Rahmen einer neuen Kampagne sollen etwa jede Woche fünf Markenartikel zum Sonderpreis angeboten werden.
Dass sich Lidl derlei margenvernichtende Aktionen ebenso wie den großangelegten Filialumbau leisten kann, zeigt die Bilanz des Discounters, die am vergangenen Freitag veröffentlicht wurde.
Demnach verbuchte Lidl im Geschäftsjahr 2015/16 mit 64,6 Milliarden Euro ein Umsatzplus von 9,5 Prozent. Allein auf Deutschland entfielen 19,3 Milliarden Euro. Die Erlöse der Schwester-Firma Kaufland stiegen um vier Prozent auf insgesamt 21,1 Milliarden Euro.
Im laufenden Geschäftsjahr will die Schwarz-Gruppe, in der Lidl und Kaufland gebündelt sind, sogar die Umsatzmarke von 90 Milliarden Euro knacken und setzt weiter auf Expansion. Anfang Juni wird Lidl mit 15 Märkten in Litauen starten. Für 2018 steht dann der Markteintritt in den USA auf dem Programm.