Lörrach Eine ganze Stadt ist verrückt nach Milka

Die lila Milka-Kuh kennt jedes Kind. Aber kaum jemand weiß, wo die Schokolade eigentlich produziert wird. Im baden-württembergischen Lörrach. Dort ist die ganze Stadt verrückt nach den süßen Tafeln.

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Was Sie über Kakao wissen müssen
Die Kakaobohne ist der Schlüsselrohstoff für die Herstellung von Schokolade. Deutschland gehört neben den USA und den Niederlanden zu den größten Schokoladenproduzenten der Welt - im Jahr 2009 stellte Deutschland 980.000 Tonnen Schokolade her. Woher kommt der Bohne, die unser Leben versüßt? Wer handelt damit? Wo wird der Rohstoff noch verwendet? Ein Überblick.
Bis aus den Bohnen Schokolade wird, ist es ein langer und komplexer Prozess. Die Bohnen müssen fermentieren, wodurch sie erst ihr Aroma erhalten. Dann müssen die Bohnen getrocknet werden, um transportiert werden zu können. Der Kakaobaum wächst nicht überall - nur entlang des Äquators ermöglichen Klima und Terrain eine artgerechte Züchtung. Quelle: Reuters
Die westafrikanischen Staaten Ghana und Elfenbeinküste (der Hafen San Pedro im Bild) gehören zu den größten Kakao-Exportländern der Welt. Nach Angaben des Bundes Deutscher Süßwaren Industrie (BDSI) lieferte die Elfenbeinküste 2010 ungefähr 146 Tausend Tonnen nach Deutschland. Das waren 44,1 Prozent der 331.866 Tonnen Kakaobohnen, die 2010 in Deutschland verarbeitet wurden. Weltweit sind 30 Entwicklungsländer an der Züchtung und dem Anbau von Kakaobohnen beteiligt. Quelle: REUTERS
Gehandelt wird Kakao an der London International Financial Futures Exchange und der New York Board of Trade (hier im Bild). Im Juli 2010 erreichte der Rohstoff einen Preis von 2732 britischen Pfund pro Tonne. Seit 1977 war Kakao nicht mehr so teuer gewesen. Trotzdem ist der Preis inflationsbereinigt seit den 1970er Jahren stetig gefallen. Damals kostete eine Tonne Kakaobohnen ungefähr 11.000 Euro nach heutigen Währungsmaßstäben. "Ein Kakaobauer in Afrika war in den 1970er Jahren richtig wohlhabend", wie Friedel Huetz-Adams vom Kölner Südwind-Institut erzählt. Heute haben die Bauern es nicht leicht, nur ein Bruchteil des Kakaopreises bleibt bei ihnen hängen. Die Folgen sind Kinder- und Sklavenarbeit auf Afrikas Kakaoplantagen.Als die Kakaobohne 2010 ihr 33-Jahreshoch erreichte, steckte der Londoner Hedgefonds Armajaro dahinter. An einem einzigen Tag kaufte Armajaro gleich 240.000 Tonnen Kakao im Wert von 658 Millionen Pfund Sterling auf, was etwa sieben Prozent der jährlichen Produktion entsprach. Mit der Menge hätte man mehr als fünf Schiffe der Größe der Titanic beladen können. Armajaro ist einer der größten Händler für Kakao und Kaffee. Gründer und Chef von Armajaro ist der britische Börsenhändler Anthony Ward. Quelle: Reuters
Anthony Ward wird in der Branche auch "Chocfinger" genannt Quelle: Fotolia
Eine kleiner Geschichtsausflug: Bei den Mayas in Zentralamerika hatte das Schokoladengetränk zu gesellschaftlichen und religiösen Anlässen seinen festen Platz auf dem Getränkemenü. Die Azteken nutzten die Kakaobohne nicht nur als Getränk sondern auch als Medizin und Zahlungsmittel. Als die Spanier die neue Welt entdecken, begriffen sie schnell den Wert der Währung Kakao. Noch heute werden in Zentralamerika Kakaomasse und -bohnen in Reinform verkauft und zum Kochen unterschiedlicher Gerichte verwendet. Erst im 19. Jahrhundert wurde die Kakaobohne nach Westafrika und in den Rest der Welt exportiert. Bild: Eine Aztekenskulptur hält eine Kakaofrucht in den Händen. Quelle: GNU
Eine Skulptur des Dichtes Goethe Quelle: dpa

„Das Herz von Lörrach ist lila“ schrieb die Badische Zeitung kürzlich und zeigt damit die enge Verbundenheit der Marke Milka mit der Stadt Lörrach im Süden Baden-Württembergs. Die berühmte Schokolade mit der lila Kuh wird dort seit über 100 Jahren hergestellt.
500 Mitarbeiter arbeiten in der Schokoladenfabrik – knapp 500 Meter vom Lörracher Rathaus in der Innenstadt entfernt im Dreischichtbetrieb und produzieren täglich drei Millionen Tafeln. Das macht insgesamt 140.000 Tonnen Schokolade im Jahr. Ein Aushängeschild für die über 48.000-Einwohner-Stadt, die sich der Symbolkraft der Marke sehr bewusst ist: "Jeder kennt die Marke Milka“, sagt Marion Ziegler-Jung, Wirtschaftsförderin der Stadt. Kein Wunder: Milka ist in Deutschland Marktführer und produziert die 100-Gramm-Tafeln für das Inland und 50 andere Länder ausschließlich in Lörrach.

„Dass alle 100-Gramm-Tafeln #made in Lörrach# sind, ist für uns durchaus eine emotionale Angelegenheit, die zur Identifikation mit der Stadt, in der man lebt, beiträgt.“

Die enge Verbundenheit zwischen der Stadt und Milka wird nicht nur beim jährlichen Schokofest, bei dem sich die ganze Stadt lila färbt, deutlich. Überall finden sich Spuren der lila Kuh: Auf die Nordfassade der Lörracher Schokoladenfabrik wurde sie aufgemalt. Und zwischen dem heutigen Produktionsstandort und der ehemaligen Schokoladenfabrik schlängelt sich die Milkastraße entlang.

1901 wird die Marke Milka in die Warenzeichenrolle des Kaiserlichen Patentamtes in Berlin eingetragen. Schon damals legte sich der Schweizer Schokoladenhersteller Philippe Suchard auf die Farbe lila fest. Die Farbe der Verpackung mit dem Code 486c ist einzigartig und rechtlich gesichert: 1998 hatte sich Milka das Lila als „Farbmarke für Schokoladenwaren“ eintragen lassen. Zusammen mit der lila Kuh steht es für die Marke und ihre Tradition.

Und zur Tradition gehört auch die Zusammenarbeit mit dem Produktionsstandort: „Gemeinsam mit der Stadt sind schon viele Projekte entstanden, für die es eine solche gute und langjährige Kooperation braucht“, sagt Tanja Schell, Sprecherin des Milka-Mutterkonzerns Mondelez. Dazu zählt die Einrichtung einer betriebsnahen Kinderbetreuung in der ehemaligen Werksleitervilla ebenso wie die gemeinsame Veranstaltungsreihe "Lörracher Gespräche" oder auch die "Stadttafel" für hochrangige Gäste der Stadt. 800 Gramm ist diese Tafel mit dem Schriftzug ‚Lörrach‘, dem Wappentier und der traditionellen Kuh schwer. Alle Exemplare dieser besonderen und stark limitierten Reihe werden von Hand hergestellt.

Tradition und Verbundenheit

Die teuersten Schokoladen
Platz 7Chocolatier: Hussel Confiserie Name: Edelbitter-Schokolade Haselnuss Preis: 3,98 Euro Zum gleichen Preis gibt es auch die Vollmilch-Schokolade Konfetti oder die weiße Schokolade Cranberry. (Preise und Angaben von Hussel und Chocolats de Luxe) Quelle: PR
Platz 6Chocolatier: Domori Name: Guasare 70 % Preis: 5,40 Euro Quelle: PR
Platz 5Chocolatier: Pacari Name: Raw 70 % Preis: 5,80 Euro Quelle: PR
Platz 4Chocolatier: Madre Chocolat Name: Triple Cacao Preis: 9,50 Euro Quelle: PR
Platz 3Chocolatier: Amedei Name: Porcelana Preis: 11,20 Euro Es handelt sich nach Herstellerangaben um die einzige Schokoladensorte, die auf us-amerikanischen Boden angebaut wird: auf Hawaii. Quelle: PR
Platz 2Chocolatier: Clement Name: Cru Sauvage Preis: 12,50 Euro Quelle: PR
Platz 1Chocolatier: Pralus Name: Trois Cru d'Excellence 75 % Chuao, Porcelana, Guyana Preis: 19,90 Euro Quelle: PR

Auch für die Stadt zahlt sich die Kooperation aus: "Milka steht in Lörrach nicht nur für "Milch + Kakao" in lila, sondern für Qualität, Innovation und viele engagierte Mitarbeiter“, sagt die Wirtschaftsförderin Ziegler-Jung. Denn mittlerweile werden jährlich 400 Millionen Tafeln Schokolade sowie 30 Millionen Osterhasen und Weihnachtsmänner verkauft – eine Erfolgsgeschichte auch für Lörrach.

Tradition und Verbundenheit wird in Lörrach und bei Milka eben groß geschrieben. Das Unternehmen entschied sich übrigens damals für eine Kuh, weil sie wie kein anderes Tier, Heimat, Sanftheit und Zärtlichkeit verkörpert und damit verbunden die Alpenwelt und die Alpenmilch. Seit den 90er Jahren ist übrigens immer die gleiche Kuh auf der Verpackung zu sehen: Eine einzelne Kuh der Simmenthaler Rasse wird von links mit leicht geneigtem Kopf und jeweils festgelegtem Schriftzug und Flecken abgebildet.

Im Mittelpunkt steht auf unternehmerischer Seite heute die hohe Spezialisierung – deshalb werden die 100-Gramm-Tafeln ausschließlich in Lörrach hergestellt. Am baden-württembergischen Standort wird ansonsten nur noch Getränkepulver für Kakao produziert. Weitere Werke in Europa gibt es noch in Bludenz, Österreich, sowie in Straßburg (Frankreich). Die Oberbürgermeisterin Gudrun Heute-Bluhm (CDU) lobt die Innovationen, die für eine dauerhafte Standortgarantie sorgen: So ist das Firmengelände kompakt an nur einem Ort – und trotzdem noch zentral zur Stadt und deren Entscheidungsgremien. Auf dem Firmengelände befindet sich eine Kindertagesstätte, die im Zusammenspiel von Mondelez und der Stadt entstanden ist. Für die Mitarbeiter hat er aber den Vorteil, dass sich Arbeit und Familie leichter miteinander verbinden lassen.

Veränderungen gibt es bei Milka, wenn überhaupt, nur sehr selten: 2007 wurde die Verpackung von der doppelten Ummantelung durch Papier- und Alufolie auf eine neue, wiederverschließbare Verpackung aus Kunststoff umgestellt. Dadurch konnte nicht nur 60 Prozent weniger Material verbraucht werden, sondern gleichzeitig ging auch der Energieverbrauch in vier Jahren um 25 Prozent zurück. Das Wichtigste für den Erfolg aber sei „die gleichbleibend hohe Qualität“, so der Werksleiter Mario Vangelista in einem Interview mit der Badischen Zeitung im Mai 2013. Der gebürtige Italiener ist erst seit Anfang des Jahres im Lörracher Unternehmen. Die Rezeptur der Schokolade ist bis heute geheim. Der ehemalige Werksleiter Peter Jungbeck verriet in einem Interview mit de "Welt" lediglich die Zutaten: Kakaomasse, Kakaobutter, Milch, Zucker und Emulgatoren.

Herausforderungen mit der Schokolade

Deutschlands Schoko-Riesen
Schlager Süsstafel Quelle: dpa
Berggold "Sturm der Liebe" Quelle: Screenshot
Halloren-Kugeln Quelle: dpa
Rübezahl Schokoladen Quelle: Presse
Trumpf: Edle Tropfen Quelle: Screenshot
Moser Roth
Stollwerck-Gruppe: Die Markensammler Quelle: dapd

Der Schokoladenmarkt steht vor Herausforderungen: Obwohl der Schokoladenkonsum vor allem in Osteuropa, Südamerika und Asien zunimmt und damit die Nachfrage nach Kakaopflanzen steigt, drohen Lieferengpässe, die vor allem aus Ernteausfällen resultieren. Außerdem steigen die Preise für die wichtigsten Zutaten - Zucker und Kakao. Allerdings ist es nicht so einfach, gleichzeitig die Preise für die Schokoladentafeln anzuheben. Mittlerweile sind sogenannte Schwellenpreise erreicht, die bei unter einem Euro liegen sollen – mehr bezahlen die Kunden nicht gerne. Deshalb wagen sich die Schokoladenunternehmen aus dem unteren und mittleren Preissegment nicht nach oben – der Konkurrenzdruck könnte zum Umsatzeinbruch führen. Milka scheint von all dem unberührt zu bleiben: Laut dem YouGov-Markenmonitor BrandIndex des Kölner Meinungsforschungsinstitut gehört Milka zu den Gewinnern des Weihnachtsbooms: Für fast jeden achten Kunden ist Milka hier die erste Wahl. Besser ist nur Lindt. Außerdem loben die Befragten dort die Werbung, die von Milka und Lindt am häufigsten auffalle. Bei der Stiftung Warentest schneidet etwa die Milchschokolade von Milka regelmäßig gut ab und rangiert dabei auf den vorderen Plätzen knapp hinter Schokolade von Aldi oder Lidl. Die Nussschokolade hingegen erreichte nur ein befriedigend und landete damit im Mittelfeld sowohl hinter Angeboten vom Discounter als auch der Edelschokolade.

Durch die Aufspaltung von Kraft Foods in die Kraft Foods Group und Mondelez, die nun auf unterschiedlichen Kontinenten agieren, änderte sich für Milka bloß das Kleingedruckte auf der Rückseite der Verpackung. Der neue Mutterkonzern mit dem Kunstnamen Mondelez, der sich als dem lateinischen Wort für ‚Welt‘ und dem Wort deliziös/lecker‘ zusammensetzt, ist dabei mit rund 57 Millionen Dollar Marktkapitalisierung und einem Umsatz von 35 Milliarden Dollar kein kleines Unternehmen. Doch die ersten Geschäftszahlen für Mondelez International sahen nicht gut aus: Der Gewinn des Milka- und Philadelphia-Herstellers im dritten Quartal um 29 Prozent auf unterm Strich 652 Millionen Dollar ein.

Der Umsatz fiel um zwei Prozent auf 12,9 Milliarden Dollar. Detaillierte Geschäftszahlen für Milka gibt es nicht. Auch Marken wie Jacobs und Philadelphia gehören zum Konzern. Das neugeschaffene Unternehmen produziert in weltweit 80 Ländern und hat 126.000 Mitarbeiter.

Derzeit sind von den 500 Mitarbeitern 30 Auszubildende, unter anderem Fachkräfte für Süßwarentechnik oder Mechatroniker – Milka ist ein beliebter Arbeitgeber in der Region und ein erfolgreicher noch dazu: In Berlin wurde erst kürzlich ein Auszubildender für Süßwarentechnik aus dem Lörracher Werk als Bundesbester geehrt.

(Mit Material von dpa.)

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