Lufthansa-Streik Spohr wird Air-Berlin-Kunde

Um pünktlich nach Berlin zu kommen, erwarb der Lufthansa-Chef Tickets bei der Konkurrenz. Auch andere Wettbewerber der bestreikten Lufthansa sehen zunehmende Buchungszahlen. Nur die Deutsche Bahn bildet eine Ausnahme.

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ARCHIV - Carsten Spohr, Vorstandsvorsitzender der Deutschen Lufthansa AG, spricht am 17.03.2016 während der Lufthansa Bilanz-Pressekonferenz in Frankfurt am Main (Hessen). Foto: Arne Dedert/dpa (zu

Düsseldorf Die finanziell angeschlagene Air Berlin freut sich über einen neuen Kunden: Lufthansa-Chef Carsten Spohr.

Um am Mittwoch pünktlich zum „Abend der Luftfahrt“ beim Berliner Bundesverband der Deutschen Luftverkehrswirtschaft (BDL) zu erscheinen, buchte der 49-Jährige vorsorglich beim Wettbewerber. Am Ende rettete ihn der eigene Flugbetrieb dann doch vor allzu großer Häme. In letzter Sekunde machte die vom Pilotenstreik gebeutelte Lufthansa überraschend noch einen Flug der Billigtochter Eurowings für ihn klar, die vom Ausstand verschont ist.

Spohr ist längst nicht der einzige, der seit den ersten Streiks vom Dienstag die Auslastung bei Air Berlin erhöht. „Da, wo sich unsere Angebote überschneiden, gehen bei uns die Buchungszahlen nach oben“, berichtete ein Airline-Sprecher in Berlin. Belastbare Zahlen lägen allerdings noch nicht vor.

Anders beim Fernbus-Anbieter Flixbus. Auf bestimmten Strecken habe sich die Auslastung inzwischen um zehn Prozent erhöht, heißt es dort. „Schon seit den ersten Streikankündigungen erleben wir hohe Zugriffszahlen auf unsere Webseite“, berichtet eine Sprecherin.

Einen Run gab es vor allem auf grenzüberschreitende Verbindungen wie München-Wien, Frankfurt-Zürich oder Frankfurt-Paris. „Gerade Nachtbusse erleben eine starke Nachfrage, weil viele Manager ihre Termine offenbar morgens wahrnehmen müssen“, berichtet man bei Flixbus. Der Fast-Monopolist im deutschen Busmarkt erwartet dieses Jahr 30 Millionen Kunden.

Dagegen macht sich in den Zügen der Deutschen Bahn der Streik kaum bemerkbar. Denn grenzüberschreitende Europaverbindungen, die Lufthansa-Flüge ersetzen könnten, gibt es im Fahrplan nur selten. 2200 Flugtickets seien am Mittwoch in Bahnfahrscheine umgewandelt worden, berichtet die Lufthansa. Zum Vergleich: 360.000 Fahrgäste nutzen täglich die Bahn.


Darum schließt Spohr ein Einknicken aus

Nachdem die Lufthansa-Piloten am Mittwoch und Donnerstag ein Drittel der jeweils rund 3000 Flüge ausfallen ließen, streicht die Kranich-Airline auch für Freitag alle innerdeutschen und Europaflüge. Insgesamt seien an den drei Streiktagen mehr als 315.000 Passagiere von 2.618 Flugausfällen betroffen, rechnet der Dax-Konzern vor. Die dadurch entstehenden Verluste schätzen Airline-Manager auf knapp 30 Millionen Euro – einknickende Neubuchungen nicht mitgerechnet.

Ein Nachgeben gegenüber der Pilotengewerkschaft Vereinigung Cockpit aber schließt Lufthansa-Chef Spohr aus. „Die geforderten Lohnsteigerungen um 22 Prozent sind irrational und nicht machbar“, sagte er in Berlin. Denn Kostensenkungen, zu denen auch die neuen Tarifabschlüsse beitragen sollen, sind laut Spohr „ein wichtiger Punkt, um wieder Wachstum herzustellen“. Dies sei ein steiniger Weg, erklärte er, es helfe aber nicht, an „lieb gewonnenen Traditionen“ festzuhalten.

Bei den eigenen Passagieren entschuldigte sich der Lufthansa-Chef vorab, dass „wir in diesen Tagen nicht die Qualität liefern, für die wir bekannt sind“. Das schmerze auch die 115.000 Lufthanseaten, die nicht streikten. „Aber lieber ein paar Tage ohne Lufthansa“, gab er die Parole aus, „als ganz ohne Lufthansa.“

Die Pilotenvereinigung Cockpit (VC) zeigt sich dagegen kampfbereit und lehnt selbst eine Schlichtung ab. „Wenn Lufthansa kein verhandlungsbereites Angebot vorlegt, wird es weitere Streikaktionen geben“, sagte Gewerkschaftssprecher Jörg Handwerg dem Handelsblatt. Statt der geforderten 22 Prozent Einkommenserhöhung nach fünf Jahren Nullrunde bietet das Airline-Management gerade einmal ein Gehaltsplus von 2,5 Prozent.

Angesichts der massiven Behinderungen im deutschen Flugverkehr – Experten rechnen mit einem Gesamtausfall von 70 bis 80 Prozent – fordern erste Politiker nun eine Zwangsschlichtung. So erklärte der stellvertretende Unions-Fraktionsvorsitzende Michael Fuchs, Bundesarbeitsministerin Andrea Nahles (SPD) sei nun gefordert.

Bundesverkehrsminister Alexander Dobrindt (CSU) dagegen erklärte in Berlin, der Streit sei zunächst einmal Aufgabe der Tarifparteien. Doch auch bei ihm wächst er Unmut über das Chaos an den Flughäfen. „Wir sind noch in der Beobachterposition“, ergänzte er, „das muss aber nicht ewig so bleiben.“

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