Lufthansa und Piloten Die Streikhansa ist gelandet

Lufthansa-Management und Piloten haben im Tarifstreit eine Grundsatzeinigung erzielt. Für Konzernchef Spohr ist das der Durchbruch: Europas größte Fluggesellschaft wird ein großes Stück zukunftssicherer. Ein Kommentar.

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Mit der am Mittwoch geschlossenen Grundsatzeinigung sind neue Pilotenstreiks erstmal vom Tisch. Quelle: Reuters

Wenn es um Tarifangelegenheiten geht, sollte man Erfolgsmeldungen aus dem Lufthansa-Konzern mit großer Vorsicht behandeln. Das hat die Vergangenheit gelehrt. Allzu oft lösten sich öffentlich berichtete Annäherungen beider Tarifparteien nur wenige Tage später in Wohlgefallen auf.

Doch dieses Mal könnte es anders sein. Auch wenn nur Eckpunkte stehen und viele Details noch geklärt werden müssen: Die an diesem Mittwoch verkündete Grundsatzvereinbarung zwischen Lufthansa und der Pilotengewerkschaft Vereinigung Cockpit ist ein veritabler Durchbruch. Es ist vielleicht sogar der größte in der bislang knapp drei Jahre währenden Amtszeit von Lufthansa-Chef Carsten Spohr.

Auf den ersten Blick mag die Dimension dieser Einigung nicht so leicht zu erkennen sein. Sicher: Jeder wird nun aufatmen. Endlich keine Streiks mehr bei der nach Umsatz größten europäischen Fluggesellschaft. Alleine schon das ist ein gewaltiger Erfolg, nach 14 Streikrunden der Piloten in den zurückliegenden Jahren.

Auf Basis der Vereinbarung sollten nun neue Regelungen zu langjährigen Streitthemen wie etwa der Frührente, der Pension und dem Ausscheide-Alter aus dem Beruf von Piloten geschlossen werden. Die angestrebte Umstellung der Rentenfinanzierung würde die Lufthansa-Bilanz im laufenden Jahr um einen hohen dreistelligen Millionen-Betrag entlasten und hätte einen positiven Effekt auf den Betriebsgewinn.

Die neuen Tarifverträge sollen bis mindestens 2022 laufen. Gleichzeitig will die Airline wieder Piloten einstellen.

Diese Grundsatzvereinbarung reicht deutlich über die reinen Tariffragen hinaus. Gelingt es am Ende, sie mit den Details zu füllen, ist Deutschlands führende Fluggesellschaft ein großes Stück zukunftssicherer geworden. Denn der Streit um Entgelte, Arbeitsbedingungen und Altersversorgung hat das belastet, was der Kern eines jeden Unternehmens ist: die Strategie.


Piloten haben zu sehr auf Bestandsschutz geachtet

Beide Seiten haben sich in dem Tarifstreit nicht mit Ruhm bekleckert. Das Management hat mehrfach in den Tarifgesprächen bereits gemachte Zusagen wieder zurückgezogen. Die Vereinigung Cockpit wiederum hat viel stark den Bestandsschutz ihrer Piloten im Fokus gehabt.

Die Gewerkschaft hat zu wenig berücksichtigt, dass der Nachwuchs in dem sich radikal verändernden Umfeld nur dann eine Karrierechance haben wird, wenn sich der Konzern anpasst. Die Folge war ein fast fünf Jahre dauernder Streit, den sich die Lufthansa eigentlich nicht leisten konnte. Denn so lange kein neuer Tarifvertrag abgeschlossen ist, gilt der alte weiter.

Das mag zwar aus Sicht der bereits festangestellten Piloten eine komfortable Verhandlungsposition gewesen sein. Doch nach vorne hat das Lufthansa nicht gebracht. Das Management musste beim Umbau der Airline komplexe Konstruktionen wählen, um nicht gegen den zwar gekündigten, aber eben immer noch gültigen Tarifvertrag zu verstoßen. So wurde der Billigableger Eurowings Europe in Wien angesiedelt, außerhalb des Zugriffsbereichs der Pilotengewerkschaft.

Nun hat die Vernunft gewonnen. Beide Seiten bekommen Planungssicherheit – die Piloten für ihre persönliche Karriereplanung und das Management für die weitere Ausgestaltung der Strategie. Und auch wenn der vorangegangene Streit viel zu lange gedauert hat, könnte die Einigung gerade noch rechtzeitig gelungen sein. Die Marke Lufthansa ist stark und dürfte die Auseinandersetzung noch recht unbeschadet überstanden haben – zum Glück für alle Beteiligten.

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