Das blank polierte Gliederarmband mit der Schnappschnalle glänzt am Handgelenk. Wer etwas auf sich hält trägt edle Armbanduhren. Dabei gehören Produkte aus Deutschland und der Schweiz weltweit zu den beliebtesten Exemplaren unter Luxusfreunden. Besonders die Chinesen waren lange Zeit eines der Haupt-Abnehmerländer für die Armbanduhren der Extraklasse. Gerade politische Funktionäre zeigten sich gerne mit prunkvollen Fabrikaten bei öffentlichen Terminen. Doch viele der teuren Stücke kamen nicht auf legalem Weg in den Besitz der Parteimitglieder, sie waren ein beliebtes Bestechungsmittel.
Seit kurzem hält im Land der Mitte eine neue Entwicklung Einzug. Die Regierung hat der Korruption den Kampf angesagt. Wer bei öffentlichen Auftritten mit wertvollen Armbanduhren protzt, gerät ins Visier von Bloggern, die die entsprechenden Fotos verbreiten und damit in den meisten Fällen den karrieretechnischen Absturz einleiten. Folglich sanken die Importe von europäischen Uhren.
Traurige Berühmtheit erlangte Yang Dacai, der ehemalige Verantwortliche für Arbeitssicherheit der Provinz Shaanxi im Nordwesten Chinas, auch bekannt unter dem Spitznamen „Brother Wristwatch“, zu Deutsch Bruder Armbanduhr. Im September verurteilte ihn ein Gericht in Xian, der Hauptstadt der Provinz wegen Korruption zu 14 Jahren Haft, nachdem öffentlich gemacht wurde, dass er insgesamt elf luxuriöse Armbanduhren besaß.
Dass europäische Uhren so gut zur Bestechung chinesischer Beamter geeignet waren, liegt neben deren Statusbewusstsein und Luxus-Streben insbesondere am Mangel vergleichbar guter Fabrikate aus ihrem Heimatland. Die chinesische Uhrenindustrie war lange Zeit für Plagiate europäischer Spitzenmarken und die sogenannten „China-Böller“ bekannt, Uhren mit wohlklingenden Namen, die Qualität aber nur vorspielen. Was in den Gehäusen von Newton & Sons oder Constantin Durmont tickt, hat aber längst nicht das Format Schweizer Uhrmacherkunst. Der Vertrieb dieser Marken läuft ausschließlich über Internetplattformen oder Homeshoppingsender. Insbesondere beim Onlineshopping zieht ein simpler Trick selbsternannte Schnäppchenjäger an: In der Produktbeschreibung wird eine unverbindliche Preisempfehlung genannt, die weit über dem aktuellen Verkaufspreis liegt. Dabei ist auch dieser, setzt man ihn in Verbindung zur Qualität des Produkts, unverhältnismäßig hoch.
Luxusuhren: Geldanlage oder Kostenfalle?
Doch im Schatten dieser Vorurteile und dubiosen Verkaufsstrategien hat sich die Uhrenindustrie im Land der Mitte weiterentwickelt. Auch in China werden mittlerweile qualitativ hochwertige mechanische Armbanduhren produziert - mit hohen Komplikationen wie beispielsweise Tourbillons. Und das ist gar nicht so verwunderlich.
Tatsächlich ein Qualitätsprodukt
Viele Teile der deutschen oder schweizerischen Luxusfabrikate werden seit langem in China gefertigt. Für das begehrte Siegel „Swiss Made“, das hochwertige Schweizer Armbanduhren ziert, müssen nämlich zum Beispiel lediglich beim Uhrwerk „die Bestandteile aus schweizerischer Fabrikation mindestens 50 Prozent des Wertes ausmachen“. Das nötige Know-how für die Fertigung hochwertiger Uhren ist in China also längst vorhanden.
Gleichzeitig sind viele Patentrechte für schweizerische Uhrwerke in den letzten Jahren ausgelaufen. Dies ermöglicht es nun auch chinesischen Fabrikanten, wie FIYTA, Sea Gull oder EBOHR, hochwertige mechanische Werke in ihre Armbanduhren einzubauen, was den entscheidenden Makel der früheren Produktionen wettmacht.
Den Bekanntheitsgrad unter potenziellen deutschen Käufern hat das aber nicht gesteigert. Uhrmachermeister Thomas Deckert aus Düsseldorf, der seit 2005 im Familienbetrieb tätig ist, kann nur von Fälschungen Schweizer Marken berichten, die aus chinesischer Produktion stammen und bei ihm zur Reparatur abgegeben werden: „Da aber meistens die Reparaturkosten schon den Kaufpreis überschreiten, schrecken die meisten davor zurück.“
Neben der Qualität der chinesischen Uhren steigt auch der Einfluss chinesischer Investoren auf den internationalen Uhrenmarkt. Längst sind chinesische Marken Stammgäste auf der Baselworld, der wichtigsten Messe der Uhren- und Schmuckindustrie, die jährlich in der Schweizer Metropole stattfindet. Seit einigen Jahren sind dort auch Schweizer Marken unter chinesischer Führung anzutreffen.
Seit 2011 gehört die 1856 gegründete Eterna Manufaktur aus Grenchen der China Haidian Holdings Limited - der erste Verkauf einer Schweizer Traditionsmanufaktur an einen Konzern aus China. Das Unternehmen hält mit den Marken EBOHR und Rossini bereits große Anteile am chinesischen Markt für Qualitätsuhren. Jetzt taste es sich in die internationalen Märkte vor. 2013 kauft Haidian die Schweizer Edeluhrenmarke Corum für umgerechnet 86 Millionen Franken.
Wie Sie sensible Uhren richtig pflegen
Es klingt banal, wird aber häufig vergessen: Eine mechanische Uhr geht am besten, wenn sie geht. Sie sollte also regelmäßig aufzogen werden, statt im Tresor zu liegen. Das liegt an den Fetten, die die Uhrwerke schmieren. Werden die mechanischen Teile nicht bewegt, verharzen sie. Materialien wie Silizium könnten die Fette in Zukunft verzichtbar machen. Selten getragene Automatik-Uhren profitieren von einem mechanischen Uhrenbeweger, der die Uhr rotieren lässt. Vorsicht bei Quarzuhren: Auch in edlen Marken stecken Batterien, die bei Lagerung auslaufen und die Uhr ruinieren können. Also vorher die Batterie entfernen.
Wasserdichtigkeit wird in Deutschland mit der DIN 8310 (DIN 8306 bei Taucheruhren) geprüft. 90 Sekunden bei 20 Meter Tiefe oder 30 Minuten auf einem Meter müssen die Dichtungen aushalten – vorausgesetzt, die Uhr wird stillgehalten. Bewegt sich ihr Träger aber im Wasser, kann der Druck steigen. Auch die Angabe „Wasserdicht bis 5 ATM“, was einer Tiefe von 50 Metern entspricht, ist irreführend. Wer sichergehen will, nutzt besser eine Taucheruhr und lässt die Dichtungen regelmäßig wechseln.
Schon der Impuls, der beim Golfschlag auf die Uhr einwirkt, kann die feinen Rädchen auf die Dauer über Gebühr belasten. Zudem sollten Uhren nicht in der Nähe von Magnetfeldern wie bei Telefonen oder Lautsprechern gelagert werden.
Dass große Konzerne kleine Manufakturen schlucken, ist keine neue Entwicklung in der Uhrenindustrie. Bekannte Beispiele hierfür sind die Riesenkonzerne Swatch oder auch LVMH. Nach der Krise, die die Industrie in den 1980er Jahren erlebte, setzte ein regelrechter Ausverkauf von selbstständigen Manufakturen an große Konzerne ein. Eine mögliche Gefahr besteht jedoch in einem Technologietransfer nach China. Nach dem Abschöpfen des Knowhows könnte dann eine Zerlegung der Traditionsmanufakturen von innen einsetzen.
Chinesische Luxusuhren sind zu tatsächlichen Qualitätsprodukten gereift. Fraglich ist jedoch, ob sie eine ernstzunehmende Konkurrenz für schweizerische und deutsche Uhren des Hochklassen- oder Luxussegments darstellen können. Bieten die chinesischen Produkte eine tatsächliche Alternative? Oder bedienen sie andere Märkte und Interessen?
Noch keine Gefahr
Klaus Heine, der als Luxury-Marketing-Professor an einer französischen Business School in China tätig ist, weiß, dass chinesische Uhrenhersteller bisher vor allem auf dem heimischen Markt ihre Gewinne erwirtschaften. Die junge Generation der „kleinen Kaiser“ hat sich von der Bevorzugung westlicher Produkte abgewandt und setzt ganz patriotisch auf Luxus mit chinesischer Tradition. „Die chinesischen Uhrenhersteller sind noch keine ernstzunehmenden Konkurrenten auf dem globalen Luxusmarkt, aber sie sind zunehmend ernstzunehmende Wettbewerber in China und haben auch international durchaus Potenzial“, schätzt Heine die Lage ein.
Um in der Heimat optimal erfolgreich zu sein, brauchen Produzenten wie Sea Gull oder EBOHR den Erfolg auf dem internationalen Parkett. Die globale Bekanntheit und Wertschätzung verändert auch die Wahrnehmung im Land der Mitte. Das befeuert Expansionstendenzen und treibt den Wettbewerb an. Sowohl in China, als auch in Europa.
Die vorhandene Qualität lässt sich den chinesischen Produkten seit längerem nicht mehr absprechen. Aber halten sie einem Vergleich mit Schweizer oder deutscher Ware stand? Eine Luxusuhr aus den Manufakturen des Jura oder Glashütte entsteht in akribischer Kleinstarbeit, die auf einem komplexen System verschiedenster Arbeitsschritte (auch „parties brisées“ genannt) basiert, kann einen Preis von mehreren hundert bis tausend Euro eher rechtfertigen, als eine chinesische Uhr einen von einigen hundert, die aus einer Fabrik stammt, die in Massenproduktion bis zu 200.000 Uhren jährlich herstellt. Zum Vergleich: die deutsche Luxusmarke A. Lange & Söhne hat eine Jahresproduktion von etwa 5.000 Stück.
Patrick Mönnig, Geschäftsleiter von Blome Uhren in Düsseldorf, geht sogar noch ein Stück weiter: „Die chinesische Massenware ist nicht mit den in Handarbeit entstandenen Armbanduhren zu vergleichen.“ Gerade der hohe Aufwand und die akribische Genauigkeit der Fertigung hat der mitteleuropäischen Uhrenindustrie die enorme Reputation eingebracht, die ihre Produkte so begehrt macht. „Die Mischung aus Tradition, Passion und der Liebe zum Detail macht diese Uhren so beliebt“, sagt Mönnig. Sie haben auch zur Bedeutung von Rolex oder TAG Heuer als Statussymbol beigetragen.
Eine Armbanduhr kann Image spenden und Identität stiften. Diesen Vorteil haben sich Uhren aus Mitteleuropa gegenüber denen aus chinesischer Produktion erhalten und er wird auch noch weiterhin bestehen bleiben. Noch stellt nur die chinesische Fälschungsindustrie eine akute Gefahr für deutsche und schweizerische Produzenten dar. In Zukunft und wenn man die Zunahme chinesischer Investitionen auf dem Uhrenmarkt betrachtet, wird sich dies womöglich ändern. Mönnig sieht das ähnlich: „Man muss die Entwicklung beobachten. Tradition muss wachsen, in zehn bis 15 Jahren stellt sich die Situation womöglich anders dar.“