Markenrecht Rechtsstreit um Rubiks Zauberwürfel

Ernö Rubiks Zauberwürfel ist das erfolgreichste Spielzeug der Welt. Ein deutsches Unternehmen will das Design einfach kopieren. Nun landet der Fall vor Gericht - und damit Rubiks Lebenswerk.

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Rubik's Cube: Der richtige Dreh? Quelle: dpa Picture-Alliance

So wie der Mann, der das erfolgreichste Spielzeug aller Zeiten erfand, an diesem Tag da sitzt, wirkt seine Welt sehr in Ordnung: Ernö Rubik trägt ein leicht geblichenes blaues Polohemd und Wandersandalen und hat sich einen Platz im Halbschatten gesucht. Er sagt: „Ich war nie Sklave eines Unternehmens, ich habe nie etwas gemacht, das mir keinen Spaß bereitet hätte.“ Vor zwölf Jahren ging der 72-Jährige als Architekturprofessor in Rente und macht seitdem weiter das, was er schon immer gemacht hat: Er forscht, liest und erfindet.

Erno Rubik, Erfinder des Zauberwürfels Quelle: Markus Thums für WirtschaftsWoche

Eines treibt den Mann mit der leisen Stimme in diesen Tagen aber sichtlich um: dass er Gefahr läuft, das geistige Eigentum an seiner großen Erfindung zu verlieren, dem nach ihm benannten Zauberwürfel, jenes bunte, aus mehreren drehbaren und vielfarbigen Quadraten zusammengesetzte Spielzeug, das in den Achtzigerjahren in kaum einem deutschen Kinderzimmer fehlte. Im Herbst wird der Europäische Gerichtshof (EuGH) als letzte Instanz darüber entscheiden, ob Rubiks Cube zu Recht ein eingetragenes Markenzeichen ist. Vom Generalanwalt, der mit seinem Plädoyer oft den Ausgang eines Verfahrens maßgeblich entscheidet, kam im Frühjahr ein sehr deutliches Nein. Sollte es dabei bleiben, dann sieht sich der Ungar um sein Lebenswerk gebracht. „Es geht mir nicht ums Geschäft“, sagt Rubik, der sich selbst als Künstler und Designer versteht. „Aber wenn man etwas erschaffen hat, das man wirklich mag, dann sorgt man sich um seine Kreation.“ Künftig könnte jeder das bunte Würfeldesign mit den leuchtenden Farben der Achtzigerjahre für seine Zwecke verwenden. Vor allem ein deutscher Spielzeugkonzern, der die Klage angestrengt hat.

400 Millionen Würfel wurden verkauft

Rubik hat den Würfel 1974 geschaffen. Damals war er Dozent an der Hochschule für Kunst und Design in Budapest und wollte seinen Studenten räumliches Denken vermitteln. Schon als er den ersten Prototyp aus Holz in der Hand hielt, hatte er das Gefühl, dass ihm da ein großer Wurf gelungen war. Wie groß, konnte er allerdings nicht ahnen. Bis heute wurde der Würfel über 400 Millionen Mal verkauft, was ihn zum erfolgreichsten Spielzeug aller Zeiten macht. Jeder siebte Erdbewohner, so schätzt Rubik, hat schon einmal damit gespielt.

Die dreistesten Fälschungen des Jahres
Plagiarius Quelle: Aktion Plagiarius e.V.
Tupperware Quelle: Aktion Plagiarius e.V.
Wälzlager Quelle: Aktion Plagiarius e.V.
Winterweste "e.s. vision", Quelle: Aktion Plagiarius e.V.
Kehrgarnitur "Flexi" Quelle: Aktion Plagiarius e.V.
Boden- und Möbelschonerschuhe Quelle: Aktion Plagiarius e.V.
Kronleuchter "Stilio" Quelle: Aktion Plagiarius e.V.

Das Geduldsspiel schaffte vor allem etwas, was keinem anderen Gebrauchsgegenstand aus dem Osten gelang: Es überwand den Eisernen Vorhang. In Ungarn war die Produktion zunächst in einer kleinen Fabrik angelaufen. In der Planwirtschaft gab es keine Werbung, aber die Zahl der Fans wuchs schnell. Oft war der Zauberwürfel, büvös kocka, wie er im Original hieß, ausverkauft.

„Viele Würfel fanden ihren Weg in den Westen“, erinnert sich Rubik. „Ungarische Mathematiker nahmen sie auf Konferenzen in die ganze Welt mit.“ Besonders kurios: Ungarn, die nur beschränkt Devisen erwerben durften, entdeckten, dass sich die Würfel im Westen teuer verkaufen ließen. „Die Würfel waren zu der Zeit eine harte Währung“, sagt Rubik.

Revival einer Design-Ikone

1980 erwarb das US-Unternehmen Ideal Vermarktungsrechte für die westliche Welt und verkaufte den Würfel unter dem Namen des Erfinders. Der durfte damals zur Spielzeugmesse nach New York reisen und verließ das erste Mal den Ostblock. Ideal ging davon aus, eine Million Exemplare abzusetzen. „Stattdessen wurden in den ersten drei Jahren 100 Millionen Exemplare verkauft“, erzählt Rubik. Vielen ging es wie Rubik, der beim ersten Mal einen ganzen Monat brauchte, um die farbigen Quadrate wieder in die korrekte Position zu bringen. Heute sind die Lösungen nur einen Klick entfernt, Tausende von Erklärfilmen lassen sich bei YouTube abrufen.

Comeback einer Design-Ikone

Seit Kurzem feiert der Würfel ein Revival. „Weil die Achtzigerjahre wieder in sind“, vermutet sein Erfinder. Aber wohl auch, weil eine Generation, die im Internet groß geworden ist, die Faszination eines Spiels zum Anfassen entdeckt. Vom Sänger Justin Bieber ist bekannt, dass er das Rätsel in 83 Sekunden lösen kann. Alle zwei Jahre finden mittlerweile Weltmeisterschaften statt, im vergangenen Jahr kamen rund 5000 Wettbewerbe hinzu, bei denen Teilnehmer mit verbundenen Augen oder mit den Füßen, die Steine des Würfels sortieren. Die Verkaufszahlen in diesem Jahr dürften die höchsten seit 35 Jahren werden, heißt es bei Rubik Brand Ltd, dem vor drei Jahren gegründeten Unternehmen, dessen Chairman Rubik selbst ist.

Urheberrecht

Der Würfel ist nicht nur ein Spielzeug, sondern eine Design-Ikone, seit 1982 im Museum of Modern Art in New York ausgestellt. Und genau um das unverkennbare Design geht es bei dem Rechtsstreit, den Europas Patenthüter nun angezettelt haben. Das Patent für den Würfel ist bereits erloschen, aber Rubik hat ihn 1999 als Warenzeichen eintragen lassen. Dreidimensionale Formen können in der EU seit Ende der Achtzigerjahre als Warenzeichen geschützt werden, allerdings mit Einschränkungen. Wenn eine Form notwendig ist, um ein technisches Ergebnis zu erreichen, dann kann kein Warenzeichen vergeben werden. Genau darauf setzt das deutsche Unternehmen Simba Toys. Seit 2006 versucht das Spielzeugunternehmen das Warenzeichen von Rubik für ungültig zu erklären und geht dabei durch alle Instanzen.

Sollte sich Simba mit seiner Logik durchsetzen, hätte das nach Einschätzung von Rubiks Anwälten für viele Branchen Folgen. „Viele dreidimensionale Warenzeichen kämen dann unter Druck“, sagt Nick Kounoupias, Experte für geistiges Eigentum. So könnte die Hermès-Handtasche, die als Birkin Bag bekannt ist, ihren Schutz verlieren, weil die Schnallen eine Funktion erfüllen. Rubik, Sohn einer Dichterin, zitiert den irischen Schriftsteller Oscar Wilde, nach dem Imitationen die höchste Form der Anerkennung darstellen. Noch lieber, das ist ihm deutlich anzusehen, wäre es ihm, wenn er sich mit geistigem Eigentum nicht beschäftigen müsste.

Er will lieber Neues erfinden.

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