McDonald's in der Krise Billig geht das Geschäft zugrunde

Weltweit schafft der Burgerbrater McDonald's seine Klopse billig zum Kunden. Doch plötzlich will der Kunde mehr. Der Weltkonzern reagiert konfus – und kämpft.

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Ein günstiges Essen reicht den Kunden nicht mehr. Jetzt muss McDonald's gegen die Konkurrenz kämpfen Quelle: AP

Wer McDonald’s, dieses verstaubte Symbol der ersten Globalisierungswelle, verstehen will, sollte Keith Kinsey kennenlernen: ein kleiner Mann in den Fünfzigern, rot gewelltes Haar, fester Händedruck. Aus seinem Bürofenster in Chicagos Vorort Oak Brook hat er einen direkten Blick auf die McDonald’s-Zentrale, diese klobig-braune Trutzburg im Baustil der Achtzigerjahre. Kinsey kennt dieses Gebäude von außen und von innen, hat jahrelang für den Fast-Food-Konzern gearbeitet. Er war dabei, als McDonald’s die Welt eroberte und Menschen rund um den Globus lernten, dass sie es in der globalisierten Welt zu etwas gebracht hatten, wenn sie sich Cheeseburger, Big Mac und Co. leisten konnten. Es waren goldene Zeiten für den Konzern aus dem Chicagoer Vorort Oak Brook, aber auch für Kinsey. „Ich habe viel gelernt bei McDonald’s“, sagt er.

Umsatz von McDonald’s Deutschland bis 2014

Heute schaut Kaufmann Kinsey nur noch von außen auf die Zentrale. Es ist bei ihm anders als bei vielen McDonald’s-Veteranen, die irgendwann im Streit gingen. Kinsey schied im Frieden. Er merkte einfach irgendwann, dass etwas nicht mehr passte. „Schneller Service stellt Kunden nicht zufrieden“, bemerkte er, „sie wollen individuelle Menüs.“ Das konnte McDonald’s nicht bieten.

Regionale Lieferanten und individuelle Menüs

Mittlerweile ist Kinsey Chef bei Portillo’s, einer dieser vielen kleinen Burgerketten, die in den USA rasant expandieren. Kinsey setzt auf regionale Lieferanten, individuelle Menüs, schnellen Service und kluge Kunden: „Wir kaufen nicht jeden Koch zum Mindestlohn von der Straße weg“, sagt er, seine Mitarbeiter müssten den „anspruchsvollen Kunden“ erklären können, woher das Fleisch kommt und welche Inhaltsstoffe im Salat stecken. Wer das heute nicht könne, der werde im Restaurantgeschäft nicht überleben.

McDonald’s kann das nicht.

Der Erfolg des Burgerkonzerns, der bis vor zwei Jahren fast jährlich Umsatzrekorde feierte, beruht auf dem Gegenteil, der perfekten Industrialisierung der Gastronomie: Kein anderer hebt Größenvorteile des Geschäfts effizienter, standardisiert die Angebotspalette perfekter, organisiert die Lieferkette einfacher: Fleisch schmeckt weltweit gleich, das Brötchen drumherum ist überall so lappig wie in Chicago. Denn die Kosten sinken, je standardisierter der Einkauf ist. So wuchs McDonald’s zur größten Fast-Food-Kette der Welt: 36 000 Filialen in 119 Ländern, rund 420 000 Mitarbeiter, zuletzt 27,4 Milliarden Dollar Umsatz.

Der Kursverlauf von McDonald's

Nun aber verlangen die westlichen Kunden vegetarische Burger, Omeletts aus Bioeiern oder laktosefreie Kaffeemilch. Gleichzeitig bricht in den Schwellenländern Asiens die Konjunktur ein, und dort, wo sie noch läuft, verlieren westliche Konsummarken zugunsten heimischer Anbieter an Reiz. Der Gewinn von McDonald’s brach im vergangenen Jahr global um 15 Prozent ein, der Chef verlor seinen Job. Im ersten Halbjahr 2015 verlor McDonald’s Einnahmen von 150 Millionen Dollar in den USA – und aufgrund von Währungsverlusten sogar eine Milliarde in Europa. Zwar verbesserte sich das Ergebnis im dritten Quartal leicht, allerdings hauptsächlich, weil Kosteneinsparungen langsam wirken. Der Konsumwandel bleibt McDonald’s ein Feind.

Neuer McDonald's-Chef kämpft an vielen Fronten

Alle Hoffnungen ruhen nun auf einem Briten: Steve Easterbrook, 48, übernahm im Januar den Chefposten – und kämpft seither an vielen Fronten gleichzeitig. 500 Millionen Dollar jährlich soll eine simplere Konzernstruktur ab 2018 einsparen. Auslandsmärkte werden zusammengefasst und 4000 eigene Filialen an Franchisenehmer ausgelagert. Er will den Gewinn vor Steuern um bis zu sieben Prozent steigern und bis 2016 binnen drei Jahren 30 Milliarden Dollar ausgeschüttet haben, um Anleger bei Laune zu halten.

McDonald's wirbt mit Bioburger um die Jugend

Unbestreitbar ist emsiger Aktionismus im Reich des goldenen M zu beobachten. In Deutschland kleistert der Konzern seit Wochen Werbeflächen mit Anzeigen für seinen neuen Bioburger McB zu und schielt damit auf das Hipster-Publikum in den Großstädten. Zudem gibt es nun Veggieburger; in den USA sollen mehr Eier von freilaufenden Hühnern und weniger Antibiotika-Hühnerfleisch verbraten werden. Der Konzern stellt Leute ein, die Burger und Co. auch am Tisch servieren; und er arbeitet an digitalen Angeboten, die selbst gebaute Burger ermöglichen sollen.

Wie aber soll das zusammenpassen: Individualisierung in einem Konzern, dessen Kernkompetenz das Massengeschäft ist? Bessere Qualität, wenn die Kernkundschaft vor allem auf billige Preise setzt? Komplexe Menüs, wenn es vor allem schnell gehen soll?

Am weitesten sind sie beim Versuch, Zugang zu dieser neuen Zeit zu finden, in Europa. Kein Wunder, hier stieg Neu-Chef Easterbrook, der Naturwissenschaftler und Wirtschaftsprüfer, vom einfachen Manager zum Europachef auf, hier erprobte der frühere Cricketspieler ungewöhnliche Methoden, um die Marke voranzubringen: Er debattierte im Fernsehen mit Fast-Food-Kritikern, schuf im Internet ein Debattenforum, schaffte Biomilch in britische Restaurants.

Was McDonald's in der Welt verdient

Und die Briten testen gastronomische Konzepte, die bald auch auf den Rest der McDonald’s-Welt übertragen werden sollen: Seit August bedienen Mitarbeiter in Manchester am Tisch – ein für McDonald’s revolutionärer Service, der bis 2018 in allen 1250 Filialen angeboten werden soll. Mit Blick auf den steigenden Mindestlohn aber auch ein teures Experiment.

Kette hat sich zu lange auf Erfolgen ausgeruht

Einer, der Easterbrooks Modernisierungskurs eifrig mitgestaltet, ist Deutschlandchef Holger Beeck: „Wir haben uns in den guten Zeiten auf unseren Erfolgen ausgeruht.“ Doch die Fehler seien erkannt – und würden behoben. In Deutschland verspricht Beeck für dieses Jahr ein Plus bei Umsatz und Profitabilität, vom Untergang der Kette will er nichts wissen: „Wir wandeln uns und erfinden uns permanent neu“, sagt er.

Ab dem kommenden Jahr digitalisiere er beim Service, es gebe neue Küchenplattformen, damit man Burger auf Bestellung braten könne. Der Trend gehe zu Individualisierung und „einem Service, der der schnellste der Welt ist“. Außerdem will McDonald’s im Raststättengeschäft einsteigen, um am „reifen Markt“ Deutschland zu wachsen: Unter einem Deal mit dem Raststättenbetreiber Tank & Rast ist die Unterschrift noch frisch; in den kommenden Jahren will Beeck 100 Standorte an Autobahnen eröffnen.

Wer Beeck länger zuhört, kann den Prioritäten mitunter nur mühsam folgen: Individualisierung? Klingt gut. Schneller Service? Klingt ebenfalls gut. Profitabler werden? Hervorragend. Das Filialnetz an den teuren Autobahnstandorten ausbauen? Tolle Idee.

Nur: Widerspricht sich das alles nicht irgendwie?

Umsatz und Gewinn von McDonald's (Für eine Großansicht auf das Bild klicken )

Die derzeit tonangebenden Europäer im Konzern gleichen Jägern, die mit dem Schrotgewehr unterwegs sind: Wenn man die Munition möglichst breit streut, wird man schon irgendwas treffen.

Premium und billig gleichzeitig geht nicht

Richard Adams ist ein wichtiger Mann im Klops-Imperium: Er berät als Chef der Franchise Equity Group einen Großteil der US-Franchisenehmer des Konzerns, die 80 Prozent der 14.400 Niederlassungen im Heimatland betreiben. 40 Prozent seines Gesamtumsatzes macht der Konzern hier. Wer als Konzernchef eine neue Strategie umsetzen will, täte besser daran, Adams und sein Umfeld davon zu überzeugen. Derzeit aber passiert eher das Gegenteil. McDonald’s neige dazu, beginnt Adams eine längere Tirade an Vorhaltungen, die Menüs in immer kürzerer Zeit neu zu gestalten und komplexer zu machen – zulasten der Profite vor Ort.

„Sie hatten ein simples Menü mit günstigen Burgern“, beginnt er. Bis McDonald’s auf die Idee gekommen sei, den vegetarischen Burger anzubieten und einen vom Angus-Rind als Premiumprodukt. Doch weder Vegetarier noch die Premiumkunden seien gekommen, so Adams, und der Stammkunde frage sich: Warum soll ich einen teuren Burger für sieben Dollar kaufen, wenn ich eine ganze Tüte voller Standardburger dafür haben kann?

Premium und billig zugleich? Schwierig.

"Je schneller der Service, desto profitabler sind die Restaurants"

Adams sagt: „Es ist ein langer und teurer Prozess, neue Produkte einzuführen.“ Die Ware müsse eingekauft, das Produkt beworben, die Köche geschult werden. Sein Rat an McDonald’s: „Sie müssen das Menü vereinfachen.“ Versuche, mithilfe von App-Angeboten die Kunden gar noch bei der Gestaltung der Burger mitreden zu lassen, eine Kernidee der Europäer? Hält er für Unsinn. In den USA müsse allein dafür jeder Franchisenehmer in jeder Filiale 100.000 Dollar investieren. „Bei McDonald’s muss sich alles um die Geschwindigkeit drehen. Je schneller der Service, desto profitabler sind die Restaurants.“

Die Franchisenehmer haben starke Unterstützer auch in der Konzernzentrale in Oak Brook. Dort schaut manch einer mit Unbehagen auf die europäischen Experimente. „Das Europageschäft hat überhaupt nichts mit dem in Amerika zu tun“, sagt ein Exmanager. Was dort gelinge, werde nicht automatisch in den USA funktionieren. Und im Rest der Welt sowieso nicht.

McDonald's passte sich nicht an und scheitert

McDonald’s, da sind sich die Besitzstandswahrer in der Zentrale sicher, müsse sich auf die alten Werte konzentrieren, die einst den Kunden weltweit versprachen, mit jedem Cheeseburger am American Way of Life teilhaben zu können.

Wenn das mal so einfach wäre.

Die Anfangsjahre von McDonald´s im Überblick

Congee ist ein chinesischer Reisbrei, eine Art flüssiges Risotto. Chinesen essen das warme Gericht gerne zum Frühstück. Bei der amerikanischen Fast-Food-Kette Kentucky Fried Chicken (KFC) gehört Congee neben Morcheln mit Chilis zum Verkaufsschlager. Als KFC 1987 das erste Fast-Food-Restaurant auf dem Tiananmen-Platz in Peking eröffnete, wählten die Manager eine ungewöhnliche Strategie: Sie passten ihre Produkte dem lokalen Markt an.

McDonald’s nicht. Deren Angebot reicht von BigMacs über Pommes bis hin zur McSundae-Icecream, die zwar chinesisch klingt, aber wie Eis im Westen schmeckt. Noch heute leidet McDonald’s unter diesem Geburtsfehler. Rund 2000 Filialen leistet sich der Burgerriese im Land. Für den Konzern ist China zwar der Markt mit den drittmeisten Filialen nach den USA und Japan, der Anbieter aus Illinois liegt dort aber weit hinter dem Konkurrenten KFC zurück, der mit 4500 Filialen omnipräsent wirkt.

Gammelfleisch vergrault Kunden in China und Japan

Mit Problemen zu kämpfen haben allerdings beide: Im Sommer vergangenen Jahres erschütterte ein Lebensmittelskandal China: Der Zulieferer Husi Food hatte längst abgelaufenes Fleisch an beide Fast-Food-Ketten geliefert. Zwei Jahre zuvor war bekannt geworden, dass das Fleisch ungewöhnlich hohe Konzentrationen von Antibiotika aufweist.

Überhaupt verlieren westliche Marken in China ihre Anziehungskraft: Die Beratungsfirma Euromonitor rechnet nur noch mit einem Wachstum des Marktes um rund vier Prozent, zehn Jahre zuvor war das Potenzial dreimal höher.

Noch härter ist die Krise des goldenen M in Japan. Dort ist der Ableger mit dem liebevollen Kürzel Makku seit über 30 Jahren Marktführer und tief im Alltag verwurzelt. Die US-Zentrale hält nur knapp die Hälfte der Anteile der Gesellschaft, die als weltweit einzige Tochter börsennotiert ist. Vor elf Jahren richtete Eiko Harada, der Exlandeschef von Apple, den Service radikal am Kunden aus, mit einem Cheeseburger für 75 Eurocent, frisch gegrillten Patties, mehr Drive-in- und 24-Stunden-Lokalen. Umsatz und Gewinn wuchsen sechs Jahre lang, auch weil sich der Anteil der Franchisefilialen verdoppelte.

Doch dann kam Konkurrenz auf. Neue Burgerbrater und Minisupermärkte setzen McDonald’s zu. „Der japanische Markt ist im Abwärtstrend“, räumte Harada ein. Darauf stellte ihm die Zentrale zwei Amerikaner an die Seite und ersetzte Harada schließlich durch die Kanadierin Sarah Casanova. Als erste Frau und Ausländerin an der Makku-Spitze war Casanova trotz fünf Jahren Japan-Know-how überfordert. Erst gab es Chaos mit neuen Preisen. Dann vergraulten Gammelfleisch und Fremdkörper im Essen die Kunden. Erstmals schrieb die Japan-Tochter rote Zahlen. Im ersten Halbjahr gingen die Einnahmen um 30 Prozent zurück. „Casanova versteht das Geschäft in Japan nicht“, zitierte die Zeitung Nikkei einen Insider.

McDonald's leidet auch unter der der Ukraine-Krise

Heute ist das Japan-Business ein Sanierungsfall. Casanova schnitt sich in ihrer Not die Haare kurz, wie es viele Topmanagerinnen in Japan tun, um in der Männerwelt Respekt zu gewinnen. Ihre Strategie zielt jetzt auf günstige Familienmenüs und lokale Zutaten wie Käse aus Hokkaido. Bisher blieb der Erfolg aus.

McDonald’s ist in Russland Sinnbild westlicher Kultur. Darum ging die Regierung auf dem Höhepunkt der Ukrainekrise gegen die Kette vor und schloss mehrere Restaurants, wegen angeblicher Verstöße gegen die Qualitätsauflagen für Lebensmittel. Die Verbraucherschutzbehörde überzog 200 der 500 Niederlassungen mit Razzien; Politiker forderten die Betreiber auf, das Land zu verlassen. Im Eifer von Patriotismus und Antiamerikanismus war die Botschaft klar: McDonald’s ist unpatriotisch.

Dort reagierte man mit einer Kampagne, die im Westen eher lächerlich wirken würde: Die Burgerbrater zelebrieren ihre Liebe zum Gastland in geradezu patriotischen Werbeaktionen. McDonald’s sei nicht bloß ein US-Unternehmen, sondern von Russen für Russen gemacht. „Jeder von uns sollte sich in den Spots wiedererkennen, deshalb haben wir sie aus Minigeschichten zusammengestellt“, sagt Iwan Dergachew, Art Director bei Leo Burnett, der zuständigen Werbeagentur. Als Soundtrack laufen russische Rock-Evergreens.

Einkommen der McDonald’s Kunden

Erstaunlicherweise hat McDonald’s den Sturm überstanden. Chamsat Chasbulatow, der die 500 Filialen recht eigenständig betreibt, will nun alle Zutaten komplett aus heimischer Produktion beziehen und vor allem in Sibirien 50 neue Restaurants eröffnen. 2014 machte das Land mit 1,7 Milliarden Dollar etwa 6,5 Prozent am Gesamtumsatz aus; das ist nicht wenig für ein Land in der Rezession. Laut Unternehmensangaben schafften es 20 russische Filiale unter die Top 100 des internen Umsatzrankings. Das klassische US-Menü zieht hier ohne aufwendige Anpassungen die Kunden zuverlässig in die Restaurants.

In Brasilien gehör McDonald's zum Alltag

Glutenfreies Brot? Laktosefreie Milch? Fleisch von glücklichen Kühen? Keine Eier aus Massentierhaltung? Alles Ansprüche, die die Russen (noch) nicht interessieren.

Immer ist das Ziel McDonald’s – und das schon seit vielen Jahren: Gilvan Nacimento, 32, führte seine spätere Ehefrau hierher zum ersten Mal aus, er kehrt hier ein, wenn er seinen Sohn belohnen will oder sich die Familie mal richtig was gönnen will. Für ihn wie viele andere Brasilianer der nordöstlichen Metropole Salvador gibt es nur ein Ausflugslokal: McDonald’s.

Es geht Nacimento gar nicht so um den Burger oder die Fritten – er isst eigentlich viel lieber Pizza. Es geht ihm, dem Berufskraftfahrer aus armen Verhältnissen, um das Ritual: Zu McDonald’s in die Shoppingmall zu gehen, das heißt, es geschafft zu haben. Man verdrückt nicht mehr im Stehen an der Bushaltestelle einen Hotdog, sondern sitzt bei McDonald’s, wo das Essen zuverlässig ist, die Angestellten uniformiert sind und hinterher die Tische mit Alkohol abwischen. Hier treffen sich soziale Aufsteiger wie Nacimento ebenso wie die wohlhabenden Studenten der Jeunesse Dorée, selbst sein Chef, Besitzer einer Busflotte, geht hier mittagessen.

In Deutschland ist McDonald's schon lange kein Erlebnis mehr

McDonald’s ist in Brasilien mit seinen hohen Einkommensgegensätzen sozusagen ein neutraler Treffpunkt für alle Schichten ab der unteren Mittelschicht. „Es ist eine emotionale Sache für uns alle“, sagt er. „Wir fühlen uns wohl beim Mac.“ Vor allem der behütete Sohn Guillermo, fünf Jahre alt, drängelt jeden Donnerstag gerne: Dann läuft im Kinderfernsehen die Werbung für den wöchentlichen McDonald’s-Besuch. Für die Kinder gibt es für umgerechnet 26 Real, also gut sechs Euro, ein Sondergericht: Ein Miniburger ohne Käse und mit Salatblatt, ein paar Apfelschnitzen statt Fritten und – ganz wichtig – mit der Plastikfigur eines Charakters, den die Kinder aus dem Fernsehen kennen.

McDonald’s als Gastronomie-Erlebnis: Das ist lange her, wenn man als Deutscher oder Amerikaner einmal zurückdenkt. Das war in den Achtzigerjahren, als der Clown Ronald McDonald leibhaftig vor dem Restaurant stand und Geschenke verteilte. Die Markenstrategen in Oak Brook fragen sich heute: Wie kommen wir wieder dorthin, nicht nur in Brasilien und Russland, sondern auch in den USA, in Deutschland, in China? Und geht das überhaupt noch, in dieser unsteten, multipolaren Welt?

McDonald's verliert die Millennials

Peter Dixon, der als Kreativchef der New Yorker Werbeagentur Prophet früher in McDonald’s-Kampagnen eingebunden war, sagt: „Steve Easterbrook muss zunächst einmal klären, wofür die Marke steht und wohin er sie entwickeln will.“ McDonald’s riskiert, eine ganze Generation zu verlieren, wenn sie die sogenannten „Millenials“ nicht erreichen: die Zwanzigjährigen, die per Handy die Menüs im Umkreis checken, die frische und nachhaltige Produkte nachfragen. Dixon sagt: „Coca-Cola ist auch eine lebendige Marke, obwohl das Produkt nicht unbedingt gesund ist.“

Zehn dicke Fast-Food-Flops
Ein Omelett-Sandwich Quelle: Creative Commons
Screenshot eines YouTube-Videos, in dem die McDonald´s-Pizza beworben wird Quelle: Screenshot
McLobster Quelle: Creative Commons
Mini-Burger BK Shots Quelle: Creative Commons
Würstchen Quelle: REUTERS
Satisfries Quelle: obs
Eine Ananas Quelle: Fotolia

Erste Pflöcke hat Easterbrook eingeschlagen: Binnen zehn Jahren will er erreichen, dass Hühner ihre jährlich zwei Milliarden McEgg-Eier in Freilandhaltung legen, nicht mehr in Käfigen. Anfang Oktober startete er in den USA mit einem ganztägigen Frühstücksangebot. Viel mehr Details seines „Turnaround-Plans“ sind nicht bekannt; der Konzern lehnt Fragen mit Blick auf die globale Strategie ab – wohl, weil es sie noch nicht gibt.

Steve Gaither, Chef der auf die Lebensmittelindustrie spezialisierten Marketing-Agentur JB Chicago, unkt: Allein mit Marketing lasse sich das Kernproblem nicht lösen. „McDonald’s ist zu groß und zu langsam, um auf die Trends der Branche reagieren zu können.“ In der Tat traut sich kaum ein Konzern einen ähnlich strapaziösen Spagat zu. Vergleichbar ist der Versuch von McDonald’s, in dieser neuen Welt eine ähnlich breite Zielgruppe wie in der Vergangenheit zu erreichen, mit den Wandlungsprozessen der Lebensmittel-Discounter deutscher Prägung. Auch Aldi und Lidl versuchen, ihren Läden mehr Qualitätsbewusstsein, individuellere Produkte bei gleichbleibender Preisführerschaft zu verordnen. Nur: Diese Läden umspannen vergleichsweise homogene westliche Märkte. China? Indien? Brasilien? Spielen dort keine Rolle. Und auch dort ist der Erfolg nicht ausgemacht.

Berater Gaither glaubt deshalb für McDonald’s: Es werden Restaurants schließen, bis das Burgerimperium auf eine lebensfähige Größe geschrumpft ist.

Keith Kinsey, der nette Konkurrent aus der Nachbarschaft, ist McDonald’s seit seinen Lehrjahren ja wohlgesinnt: „Dort drüben sitzen die besten Leute im Management“, lobt er, „die bringen im Marketing eine Menge PS auf die Straße und werden sich schon etwas einfallen lassen.“ Trotzdem teilt er die Ansicht von Gaither und vielen US-Managern des Konzerns: Wenn das Angebot zu komplex wird, lasse es sich nicht mehr kontrollieren. An die Kollegen von McDonald’s hat er einen gut gemeinten Rat: „Sie sollten zurück zu den Wurzeln gehen und nicht jedem Trend folgen.“

Schräg gegenüber sitzt Steve Easterbrook – und versucht das genaue Gegenteil.

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