Messebericht von OutDoor 2012 Schneller und leichter gegen die Krise

Mehr als 200 Premieren zeigen die Aussteller auf der Outdoor-Messe in Friedrichshafen. Doch der letzte große Wurf der Branche liegt schon Jahre zurück. Hersteller und Händler setzen stattdessen auf Nachhaltigkeit.

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Besucher schauen sich in Friedrichshafen auf der Freizeitmesse Outdoor ein Zelt am Stand der Firma Easton an. Quelle: dpa

Friedrichshafen Messe-Veranstaltungen sind ein guter Indikator für den Boom einer Branche. Das gilt auch für die „OutDoor“ in Friedrichshafen. Die internationale Fachmesse für Entwickler und Händler von Natursport-Equipment ist das Stimmungsbarometer der internationalen Outdoor-Szene. Ähnlich wie dort das Wirtschaftswachstum seit Jahren zulegt, wächst auch die Messe im Süden der Republik. Die Besucherzahlen legen seit Jahren kontinuierlich zu, allein zwischen 2005 und 2011 um rund 30 Prozent. Jedes Jahr werden es zudem mehr Aussteller. 2012 präsentierten sich 907 Unternehmen aus 39 Ländern am nördlichen Ufer des Bodensees.

 

Bislang galt die Outdoor-Branche als Wachstumsgarant. Selbst in der aktuellen Krise kann der Wirtschaftszweig bislang regelmäßig zulegen. Europaweit setzten Hersteller und Händler zuletzt zehn Milliarden Euro um. Doch das Ende der Fahnenstange scheint erreicht. „Die Kombination aus Unsicherheit in der Eurozone, weitreichenden wirtschaftlichen Turbulenzen und saisonuntypischen Wetterverhältnissen hat den Durchverkauf in ganz Europa beeinträchtigt“, sagte David Udberg, Präsident der European Outdoor Group, einem Zusammenschluss führender Unternehmen der Branche, zum Auftakt der Messe.

Mit Verzögerung erreicht die Krise nun auch ihre Profiteure. In Zeiten der Ungewissheit, was mit dem Ersparten passiert oder ob der Job sicher ist, verkneifen sich viele Menschen den teuren Auslandsurlaub. Erholung suchen sie stattdessen vor der Haustür, bei Radtouren oder Wanderungen – und dazu braucht es die richtige Ausrüstung.

Das Mantra der Szene

Doch nun, da in den Kleiderschränken der meisten Haushalte inzwischen wetterfestes und robustes Outdoor-Equipment liegt, stößt der Markt an seine Grenzen. Seit wasserdichte Gore-Tex-Beschichtungen und winddichte Softshells den Massenmarkt erobert haben, ist der Branche kein vergleichbarer Wurf mehr gelungen, der die Kunden zu einem regelmäßigen Neukauf animiert. Stattdessen versuchen die Hersteller bisherige Technologien weiter zu perfektionieren, etwa in dem sie ihre Textilien mit einem UV- oder Insektenschutz versehen. Weil das alleine nicht reicht, suchen die Firmen zudem fieberhaft nach neuen Trends oder kreieren diese selbst.

„Leichter und schneller“ ist das aktuelle Mantra der Szene. Mit Outdoor-Spielarten wie Trail-Running oder Speed-Hiking setzen große Ausrüster wie Adidas, der US-Hersteller Columbia oder der britische Ausrüster Berghaus in Friedrichshafen verstärkt auf ein junges Publikum. Vom schnellen Rennen über Stock und Stein abseits von befestigten Wanderwegen und Joggingpfaden erhoffen sich die Hersteller steigende Umsätze. Während Columbia diesen Trend mit selbstkühlenden Shirts zu bedienen versucht, setzt man bei Berghaus auf die Allroundfähigkeit der Produkte. „Multisports ist der Wachstumsmarkt“, sagt Berghaus-PR-Manager Chris Lines. Outdoor-Sportler sollen künftig mit der gleichen Jacke biken, trekken, oder querfeldein laufen.

Bei der Herstellung immer leichterer und funktionalerer Produkte, setzen die Hersteller zunehmend auf recyclebare und naturbelassene Materialien. Nachdem Gore-Tex-Membranen und atmungsaktive Mikrofasern Baumwolljacken und Wollsocken aus der Natur vertrieben haben, kehren die Hersteller wieder zurück zu ihren Wurzeln. Sie tüfteln mit Bambus, Hanf oder Kokosnuss, um Outdoor-Sportler vor Kälte, Hitze, Regen, Sturm und Schweißgeruch zu bewahren. Die große Herausforderung dabei: Die Kernfunktionen sollen erhalten bleiben. Die Kleidung darf nichts von ihrer Funktionsfähigkeit verlieren. Trotz Naturfasern und umweltfreundlichen Produktionsverfahren müssen Hosen, Jacken oder Schuhe  wasser- und winddicht sein und im Winter warm geben, ohne ihre Atmungsaktivität einzubüßen.

Dass sich das nicht ausschließt, zeigt die Textilschmiede Schoeller. Das Schweizer Unternehmen hat eine nachhaltige Soft-Shell-Technologie entwickelt. Dabei sorgt eine Kombination aus Kork und hochwertigen Funktionstextilien laut Schoeller für eine deutlich höhere Wärmedämmung als herkömmliche Soft-Shells ohne die Atmungsaktivität zu beeinträchtigen. Der Clou: Die Schweizer produzieren keinen eigenen Kork für ihre Stoffe, sondern nutzen das Granulat, das bei der Stanzung von Weinkorken als Abfallprodukt zurückbleibt.


Hersteller unter der Nachhaltigkeits-Lupe

Einen etwas anderen Weg geht der schwedische Bekleidungshersteller Houdini. Mit der „Motion Jacket“ entwickelte das Unternehmen eine winddichte Jacke, die zu 100 Prozent aus recyceltem Polyester besteht. Dank eines geschlossenen Materialkreislaufes kann sie nach Gebrauch komplett neu verwertet werden.

Auch im Schuhbereich, mit 25 Prozent Beteiligung am europäischen Outdoor-Umsatz eine der wichtigsten Produktgruppen, setzen die Hersteller auf Bio. Für seine „Identity“-Modelle verarbeitet die Firma Meindl ausschließlich das Leder von glücklichen Biorindern, das sich durch eine festere Faserstruktur auszeichnet. Darüber hinaus setzt der bayerische Schuhhersteller auf eine lückenlose Transparenz. In jeden Schuh stanzt Meindl eine Identifikationsnummer, die dem Käufer Auskunft darüber gibt, wo das Tier an seinen Füßen zu Lebzeiten gegrast hat, wer der Schlachter war und wo es zum Schuh verarbeitet wurde.

Doch die Nachhaltigkeit endet nicht bei den verarbeiteten Materialien. Schon seit einigen Jahren setzen Hersteller und Händler auch bei der Produktion auf biologisch und ethisch verantwortungsvolle Prozesse. „Von einem Markenprodukt wird heute nicht nur erwartet, dass es qualitativ hochwertig, funktionell und langlebig ist, sondern es werden auch zunehmend die dahinter stehenden Produktionsaspekte in Frage gestellt“, sagt Christian Brandt, operativer Geschäftsführer bei Jack Wolfskin. Deutschlands führender Outdoor-Ausrüster will 2013 erstmals Produkte auf den Markt werfen, die komplett nachhaltig hergestellt werden.

Dafür soll das Label der Bluesign Technologies AG bürgen. Die unabhängige Organisation ist so etwas wie der Herstellungs-TÜV der Textilindustrie. Sie prüft den kompletten Produktionsprozess der ihr angeschlossenen Bekleidungshersteller. Unternehmen, die mit dem Label werben möchten, müssen umwelt- und rohstoffschonend produzieren, gesundheitlich unbedenkliche Materialien einsetzen und für vernünftige Arbeitsbedingungen in den Fabriken sorgen.

Seit der Gründung von Bluesign Ende der 1990er Jahre lassen sich immer mehr Outdoor-Ausrüster unter die Nachhaltigkeits-Lupe nehmen. Neben Schoeller ist seit 2001 auch der Bergsport-Ausrüster Vaude Systempartner von Bluesign. Und auch Konkurrent Salewa lässt laut PR-Managerin Ariane Maria Malfertheier künftig seinen kompletten Produktionszyklus durchleuchten.

Das Aufspüren neuer Sport-Trends, die Optimierung bestehender Produkte und eine nachhaltige Herstellung wird jedoch nicht ausreichen, um der Outdoor-Branche weiter Wachstum zu bringen. Neue Absatzmärkte müssen erschlossen werden. Darüber sind sich die Firmen einig. Wie in anderen Wirtschaftszweigen blicken auch hier die Hersteller hoffnungsvoll nach Asien. Besonders in China steigt die Nachfrage nach Wind- und Regenjacken, Trekking-Schuhen oder Rucksäcken rasant. Zahlreiche europäische Unternehmen wie Adidas oder Berghaus sind dort bereits aktiv.

Die nächste Gelegenheit für die Aussteller, sich auf dem Wachstumsmarkt Nummer eins zu präsentieren, kommt schon bald. Am 26. Juli startet im chinesischen Nanjing zum siebten Mal die Asia Outdoor. Die Veranstalter erwarten dort zum wiederholten Mal einen Besucherrekord. Ein deutlicher Indikator für einen boomenden Markt.

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