Middelhoff gerät in die Defensive Der Besuch der armen Dame

Die Karstadt-Quelle-Erbin Schickedanz gibt dem Prozess gegen den früheren Arcandor-Chef eine neue Wendung. Für Middelhoff sind die Aussagen prekär. Ganz im Stich ließ Schickedanz ihren Ex-Arbeitnehmer aber doch nicht.

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Madeleine Schickedanz trat am Mittwoch als Zeugin vor dem Essener Landgericht auf. Quelle: dpa

Mit einem einzigen Satz bringt Madeleine Schickedanz ihren früheren Arbeitnehmer in die Bredouille. „Dass ich Privatflüge übernehme – wie komme ich dazu?“, sagte die Großaktionärin am Mittwoch in Essen. Sie war als Zeugin im Untreue-Prozess gegen den früheren Arcandor-Chef Thomas Middelhoff geladen. Für den könnte die Aussage von Schickedanz unangenehme Folgen haben.

Der Prozess geht der Frage nach, ob Middelhoff auf Firmenkosten private Flüge in Höhe von rund 1,1 Milliarden Euro abrechnete. Unter anderem soll er immer wieder mit dem Hubschrauber von seinem Wohnort Bielefeld zur Arcandor-Zentrale in Essen geschwebt sein. Der 61-Jährige bestritt dies an den bisherigen Prozesstagen vehement. Sein bestes Argument: Madeleine Schickedanz habe sich bereit erklärt, die Kosten für jegliche privaten Flüge zu tragen. Er habe deshalb gar kein Interesse daran gehabt, Arcandor Kosten für private Flüge in Rechnung zu stellen, wie es ihm die Staatsanwaltschaft vorwerfe, argumentierte Middelhoff.

Doch diese Aussage ist nun wohl hinfällig – Schickedanz sagte am Mittwoch deutlich, dass es einen solchen Deal zwischen ihr und Middelhoff nicht gab. „Es gab keine Vereinbarung und es wäre nicht gerechtfertigt – es ist privat“, sagte Schickedanz vor dem Essener Landgericht. Die Karstadt-Quelle-Erbin sagte, sie habe lediglich in einem Fall vorgeschlagen, Middelhoff solle einen Privatjet nutzen und sei dabei auch davon ausgegangen, dass es sich um einen dienstlichen Flug handele.

Für Middelhoff sind diese Aussagen prekär, machen sie doch seine ganze bisherige Verteidigungsstrategie zunichte. Der frühere Arcandor-Chef hatte stets beschworen, nur auf Anraten von Schickedanz überhaupt auf Charterflüge umgestiegen zu sein. Das bestreitet Schickedanz auch nicht. Nur die Aussage, sie trage Middelhoffs Kosten, weist sie zurück.

Doch ganz fallen ließ Schickedanz den früheren Arcandor-Chef nicht. Die 70-Jährige räumte ein, dass sie nicht ausschließen könne, dass ihr Vermögensverwalter Josef Esch in ihrem Namen derartige Absprachen getroffen habe. „Er war sehr autark“, sagte sie. Schickedanz berichtete, Esch habe Middelhoff auch für die Führung des Handelsriesen ins Spiel gebracht. Über Middelhoffs Vertragskonditionen sei mit ihr nie geredet worden.

Ein Rettungsanker könnte für Middelhoff die Aussage seiner früheren Chefin sein, dass sie sich an viele Dinge nicht erinnern könne. Sie habe immer wieder Dokumente unterzeichnet, ohne diese gelesen zu haben, gab Schickedanz zu. Sie habe fast blind ihren Beratern vertraut.

Absprachen traf Schickedanz nicht selbst

Der Prozess wirft auch ein Licht auf die Tätigkeit von Middelhoff bei Arcandor. Sie habe Middelhoff über Esch kennen gelernt, berichtete Schickedanz in Essen. Esch verwaltete ihr Vermögen, sie habe „große Hoffnungen“ gehabt, dass Middelhoff den damals schon in schwerem Fahrwasser steuernden Arcandor-Vorgänger Karstadt Quelle wieder auf Kurs bringen könne.

Ihr vorrangiges Ziel sei es damals gewesen, die durch ihre Kapitalaufstockung bei dem Handelsunternehmen und die folgende Kapitalerhöhung entstandene eigene Verschuldung abzubauen und das Unternehmen zu erhalten. Einfluss auf den Konzern habe sie nie ausgeübt. „Ich war nie ehrgeizig.“

Über Konditionen eines Vertrages habe sie mit Middelhoff nicht gesprochen – das habe Esch übernommen: „Im Grunde hat all diese Absprachen Herr Esch gemacht.“ Es ist eine bemerkenswerte Aussage darüber, wie das Unternehmen offenbar geführt beziehungsweise nicht geführt wurde.

Der ehemalige Arcandor-Chef Thomas Middelhoff wartet am Mittwoch auf den Prozessbeginn. Quelle: dpa

Der Arcandor-Konzern war 2009 in die Pleite geschlittert, Schickedanz, die einst zu den reichsten Deutschen gehörte, verlor große Teile ihres Erbes. Gegen den 61-jährigen ehemaligen Spitzenmanager Middelhoff laufen in der Folge der spektakulären Pleite neben dem Prozess in Essen auch eine Reihe von Ermittlungen. Die Staatsanwaltschaft Bochum untersucht etwa seit Jahren, ob Middelhoff die Arcandor-Insolvenz verschleppt hat. Middelhoff weist alle Vorwürfe zurück.

Die Flüge, um die es nun in dem Strafprozess vor dem Landgericht Essen geht, waren auch schon Gegenstand eines Zivilverfahrens. Middelhoff müsse rund 3,4 Millionen Euro an den Arcandor-Insolvenzverwalter zahlen, hatten die Richter dort entschieden. Middelhoff ist dagegen in die Berufung gegangen.

Auch Schickedanz hat nach der Arcandor-Pleite Erfahrungen mit der Justiz gesammelt, unter anderem trat sie im Sal-Oppenheim-Verfahren vor dem Landgericht Köln als Zeugin auf. Der Niedergang des Bankhauses ist eng verknüpft mit der Arcandor-Pleite.

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