Middelhoff-Urteil Angemessene Strafe für ehemaligen Top-Manager

Thomas Middelhoffs Verurteilung zu drei Jahren Haft schlägt hohe Wellen, die Furcht vieler Manager vor der Justiz wächst. Doch die Strafe ist angemessen, findet unser Gastautor.

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Der ehemalige Vorstandsvorsitzende von Arcandor, Thomas Middelhoff, wird erneut angeklagt Quelle: dpa

Das Ende einer glanzvollen Managerkarriere kam in schmucklosem Juristendeutsch daher. „Die XV. Strafkammer des Landgerichts Essen hat heute Herrn Dr. Thomas Middelhoff wegen Untreue in 27 Fällen und Steuerhinterziehung in drei Fällen zu einer Gesamtfreiheitsstrafe von drei Jahren verurteilt“, teilte das Landgericht Essen am Freitag mit, „der Vorsitzende hat außerdem in der Sitzung einen Haftbefehl gegen Herrn Dr. Middelhoff verkündet.“ Für einen erfolgsverwöhnten Manager sind solche Mitteilungen Sätze wie Prügel, auch wenn Middelhoffs Verteidiger umgehend Revision ankündigten.

Das Strafmaß wird seither mit Verve diskutiert. Von der Öffentlichkeit wird das Urteil vielfach mit Genugtuung aufgenommen, viele Anwälte haben sich dagegen bislang kritisch geäußert. Die Strafe sei verglichen mit anderen Urteilen unverhältnismäßig hart.

Uli Hoeneß etwa habe für Steuerhinterziehung in Höhe von fast 30 Millionen  Euro dreieinhalb Jahre Haft bekommen, Middelhoff für vergleichsweise gering erscheinende 500.000 Euro, die er veruntreut haben soll, mit drei Jahren fast genauso viel.

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Versuchte Selbstanzeige bei Hoeneß

Doch jeder strafrechtliche Fall ist anders, Vergleiche sind nicht sinnvoll. Hoeneß hatte versucht, sich selbst anzuzeigen – was korrekt ausgeführt komplett strafbefreiend gewesen wäre – und scheiterte dabei. Er zeigte sich geständig, kooperativ und reuig, was das Gericht ausdrücklich zu seinen Gunsten anerkannte.

Middelhoff scheiterte bei Karstadt/Arcandor nicht bloß wirtschaftlich – was ihm vielmehr zum Verhängnis wurde war stattdessen, dass er nach Auffassung des Landgerichts Essen Unternehmensvermögen zweckentfremdet hat. Fehler stritt er bis zuletzt ab.

Der Middelhoff-Prozess von A bis Z

Auch wenn es „nur“ um mehrere Hunderttausend Euro ging: Die Freiheitsstrafe von drei  Jahren ist damit nicht unangemessen hoch. Der Rahmen, nach dem sich die Strafe bei einer Untreue nach § 266 Strafgesetzbuch bemessen soll, reicht grundsätzlich von Geldstrafe bis zu fünf Jahren Freiheitsstrafe.

Das Landgericht sah allerdings im Fall Middelhoff einen besonders schweren Fall der Untreue. Ein solcher, besonders schwerer Fall wird vom Gesetzgeber schon ab einem Vermögensschaden von 50.000 Euro angenommen. Dann beträgt der Strafrahmen sechs Monate bis zehn Jahre Freiheitsstrafe.

Der Middelhoff-Prozess von A bis Z

Haftstrafe von drei Jahren für Middelhoff

Die Summe der Untreuehandlungen im Fall Middelhoff – darunter privat veranlasste Flüge, die dem Unternehmen in Rechnung gestellt wurden – haben nach Auffassung des Landgerichts einen Vermögensschaden in Höhe von rund 500.000 Euro herbeigeführt, was deutlich über der Schwelle zur schweren Untreue liegt. Auch die Umstände hat das Gericht zu beurteilen; wenn ein Angeklagter weder Reue noch Einsicht zeigt, kann das Gericht das strafschärfend werten.

Die Haftstrafe von drei Jahren mag für Middelhoff und seine Angehörigen hart sein, das Gericht hat damit allerdings nichts weiter getan als den Strafrahmen anzuwenden, den das Gesetz nun mal vorsieht. Ob das Gericht dabei alle Tatsachen und Umstände ausreichend gewürdigt hat, wird der Bundesgerichtshof in der Revision noch einmal überprüfen müssen.

Privatflüge nicht im Arbeitsvertrag

Fragwürdig ist dagegen die nun mitunter vorgetragene Argumentation, das Urteil sei deshalb zu hart, weil es ja überhaupt keinen Prozess gegeben hätte, wenn Middelhoff sich etwa die Privatflüge in seinem Arbeitsvertrag ausbedungen gehabt hätte. Derlei Gedankenakrobatik würde jeden Strafprozess überflüssig machen.

Durfte der Dieb das Diamantenkollier mitnehmen, ist es auch kein Diebstahl und der Dieb kein Dieb. Fakt ist jedoch, dass das Landgericht Essen solche Regelungen in der Hauptverhandlung nicht finden konnte und deshalb feststellte, dass Middelhoff gegen Strafgesetze verstoßen hat.

Lesen wir von solcher Gedankenakrobatik bei alltäglichen Fällen? Nein, das tun wir nicht. Was ist das besondere am  Fall Middelhoff? Aus rechtlicher Sicht nichts. Ein Mann hat 500.000 Euro für eigene Zwecke veruntreut und wird dafür bestraft. Hat das Urteil Signalwirkung? Für Manager und Führungskräfte? Ein entschiedenes Nein!

Die besten Zitate von und über Thomas Middelhoff

Freiheitsstrafen gegen Manager

Topleute aus der Wirtschaft werden von der Justiz schon lange nicht mehr mit Samthandschuhen angefasst, Freiheitsstrafen gegen Unternehmer und Manager sind mittlerweile durchaus nicht selten, wenngleich nur selten so prominent wie Middelhoff oder Hoeneß.

Man täte unseren Führungskräften auch unrecht, wenn man auf breiter Front unterstellen würde, dass der Fall Middelhoff für diese ein Signal enthielte. Kaum ein Manager dürfte auf die Idee kommen, sich unerlaubt auf Kosten des Unternehmens solche Privilegien herauszunehmen.

Wichtig ist allerdings die Differenzierung: Unternehmerisches Handeln ist immer mit Risiko verbunden. Wirtschaftlich zu scheitern ist deshalb aus gutem Grund nicht strafbar. Auch Middelhoff, das ist wichtig festzuhalten, wurde gerade nicht wegen der Pleite von Arcandor verurteilt.

Sich selbst Vorteile zu verschaffen hat aber mit unternehmerischen Risiken nichts zu tun. Klar gefasste Compliance-Regeln sind nötig, damit Führungskräfte wissen, was sie tun dürfen und was nicht. Dass die Führungsetagen nun unter verstärkter juristischer Beobachtung stehen, ist dabei völlig in Ordnung.

Kleine Verstöße, harte Strafen

Arbeitsrechtliche Fälle zeigen, mit welch harten Konsequenzen Angestellte selbst bei kleinsten Verfehlungen rechnen müssen. Für Aufsehen sorgten Fälle wie der einer Kassiererin, die zwei liegen gebliebene Pfandbons im Wert von einem Euro einlöste und dafür gekündigt wurde, oder einer Pflegekraft, die von den Resten eines Buffets zwei Brötchenhälften verspeiste, die eigentlich für den Müll bestimmt waren und dafür ebenfalls eine Kündigung erhielt.

Wo schon geringfügige Compliance-Verstöße von kleinen Angestellten vom Arbeitgeber strikt geahndet werden sollen, da müssen sich auch Manager mit einer genauen Beobachtung arrangieren und eine arbeitsrechtliche, gegebenenfalls auch strafrechtliche Überprüfung ihres Handelns erdulden.

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