Modehersteller Esprit läuft die Zeit davon

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Den Kleiderschrank ausmisten

Die beliebtesten Einkaufsstraßen Deutschlands
Trotz Online-Boom gehen die Deutschen immer noch gern klassisch auf Einkaufsstraßen shoppen. Das zeigt die alljährliche Passantenfrequenz-Zählung von JLL. Am Zähltag (Samstag, 14. April 2018) besuchten zwischen 13 und 16 Uhr insgesamt 718.880 Passanten die Shoppingmeilen, das sind nur etwa 4000 weniger als 2017 und fast 240.000 Menschen pro Stunde. Kann die Frankfurter Zeil ihren Titel als beliebteste Einkaufsstraße 2017 verteidigen? Quelle: dpa
Rang 10: Schadowstraße, DüsseldorfDie Düsseldorfer Schadowstraße hat sich wieder gefangen. Nachdem sie 2017 einen deutlichen Frequenzrückgang zu beklagen hatte, verbesserte sie sich in diesem Jahr um 665 auf 9130 Besucher pro Stunde. Im Bild die Eröffnung des C&A-Flagship-Stores. Quelle: obs
Rang 9: Königstraße, StuttgartDie Königstraße legt noch deutlicher zu: Stuttgarts meistfrequentierte Einkaufsstraße steigert sich um 1690 auf 9.145 Passanten pro Stunde. Quelle: dpa
Rang 8: Hohe Straße, KölnDie Kölner Hohe Straße lockt pro Stunde 9.435 Einkäufer an,, zu Spitzenzeiten waren es mal 12.795. Damit ist sie nur auf dem zweiten Platz unter den Kölner Top-Shopping-Lagen. Quelle: dpa
Rang 7: Flinger Straße, DüsseldorfDie Flinger Straße in Düsseldorf ist dagegen etwas abgerutscht: Nach dem dritten Platz 2017 reiht sie sich in diesem Jahr weiter hinten ein. 9670 Passanten wollten hier stündlich einkaufen. Quelle: dpa
Rang 6: Westenhellweg, DortmundDortmunds Westenhellweg war 2013 noch absoluter Spitzenreiter mit 12.950 Passanten, stürzte bis 2017 aber auf den neunten Rang ab. Nun reicht es wieder für den sechsten: Mit 10.180 Einkäufern pro Stunde nähert die Ruhgebiets-Shoppingmeile dem Trubel alter Tage wieder an.
Rang 5: Georgstraße, HannoverDie Georgstraße in Hannover, lockte 2015 noch 10.430 Menschen pro Stunde, damals ergab das Rang Vier. Nach einigen schwächeren Jahren hat sie ihren alten Wert nun sogar übertroffen: 10.985 Shoppende pro Stunde. Trotzdem reicht es damit in diesem Jahr nur noch für Platz Fünf. Quelle: dpa

Nur wer genau hinsieht, beobachtet einen schleichenden Verfall des Images. Holger Geißler, Vorstand des Markt- und Meinungsforschungsinstituts YouGov: "Die Strahlkraft der Marke lässt nach". Binnen rund 18 Monaten hat Esprit rund zehn sogenannter BrandIndex-Punkte verloren. YouGov befragt für diesen Markenmonitor täglich 2000 Bundesbürger nach dem allgemeinen Eindruck, Qualität, Preis-Leistungs-Verhältnis, Kundenzufriedenheit und Arbeitgeberimage bzw. Reputation.

Esprit erreicht immer noch gute Werte von 70 Punkten, kein schlechter, aber eben kein Top-Wert mehr. Peter Pirck von der Brandmeyer Markenberatung identifiziert gleich mehrere Fehler, die Esprit in der Vergangenheit gemacht hat. "Das Tempo der Markenausweitung war offensichtlich zu hoch. Vertrieb und Verkaufsflächen wurden massiv ausgeweitet, diverse Submarken eingeführt, Lizenzen vergeben und so weiter." Das habe den Umsatz kurzfristig nach oben gepusht, "aber es hat die Marke auch beliebiger gemacht."

Plötzlich gab es Esprit "überall" zu kaufen - auch in nicht markenadäquaten Geschäften und oft runtergepreist. "Das reduzierte die Begehrlichkeit der Marke", beobachte Pirck. Er hat aber noch Hoffnung. "Als Marke ist Esprit noch immer stark". Man können sie wieder aktivieren, "aber es ist eine schwere Aufgabe in einem sich wandelnden, hochgradig dynamischen Markt."

Damit spielt Pirck auf die stärker werdende Konkurrenz an. H&M etwa, konnte vor allem seit der Krise 2009 mit günstigen Preisen überzeugen. Im BrandIndex erreicht das Label nun schon 55 Punkte – rückt immer näher an Esprit heran. Und die Schweden sind nicht die einzigen. Immer mehr Marken drängen nach Deutschland – die britische Marke Top Shop will hierzulande sesshaft werden, die japanische Uniqlo hat den Markstart in Deutschland für 2014 angekündigt. Der Platz auf der Kleiderstange ist hart umkämpft.

Esprit packt die Probleme an, und tut das, was jeder halbwegs modebewusste Frau nach dem Ende einer Saison tut: Sie mistet den Kleiderschrank aus. Doch bei Esprit handelt sich um einen mächtig großen Schrank mit aktuell über 1000 eigenen Läden von Hamburg bis Hongkong und über 10.000 Standorten im Großhandel. Da dauert das Umsortieren leicht Monate, wenn nicht Jahre.

Nach dem Prinzip, was gar nicht mehr passt fliegt als erstes raus, hat sich Esprit von einer Reihe alter Strukturen verabschiedet. Die Trennung zwischen Groß- und Einzelhandel hat Martinez aufgehoben. Bisher beackerte Esprit jeden Markt doppelt – mit Managern, die sich nur um Groß- oder nur um den Einzelhandel kümmerten. Das führte nicht nur zu unnötigem Nebeneinander, sondern auch viel internen Konkurrenz, die sich am Ende nicht auszahlte.

Die Schublade mit der Aufschrift US-Geschäft hat Martinez, ebenfalls endgültig geräumt. Esprit hat sich vom US-Markt zurückgezogen. Seit Frühjahr gibt es nur noch drei Regionen, die bearbeitet werden – das Kerngeschäft in Deutschland und den angrenzenden Ländern, die Region Asia &Pacific, die vom Börsensitz in Hongkong aus betreut wird und den "Rest der Welt".

Noch deutlich komplexer als der Umbau auf der Management-Ebene wird die Neustrukturierung des Beschaffungsmarktes. Wie in der Mode lässt sich eben nicht jedes Teil der alten mit einem der neuen kombinieren. Esprit wagte den schonungslosen Gang vor den Spiegel und fragte sich, wie will ich aussehen?

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