Modehersteller Esprit läuft die Zeit davon

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Noch mehr Chaos als Ordnung

Arndt Brockmann, seit Juli Deutschland-Chef von Esprit, hat das Markenantlitz klar vor Augen. "Wir sind keine Billigmarke, wir sind auch keine Premiummarke. Wir sind im besten Sinne eine solide Marke, die gute Qualität bietet." Am Preissegment, in dem sich Esprit bewegt, will Brockmann nicht rütteln – hier und da könne es Änderungen in der Preisarchitektur innerhalb des Segments geben, "aber wir sind der Meinung, dass wir den Kunden eine höhere Qualität zu diesen Preisen bieten müssen.“

Und damit die bald wieder stimmt, gibt es sogar einen eigenen Vorstand für das Thema Beschaffung. Bereits in dieser Herbst-Winter-Kollektion soll sich die Qualität bei einigen Produkten für den Kunden spürbar verbessern, verspricht Brockmann. Wie er das angestellt hat? Etwa, in dem Musterteile nicht mehr langwierig hin- und hergeschickt werden, sondern Techniker in der heißen Phase, wo Produkte abgestimmt und finalisiert werden, in den Fabriken vor Ort sind. Oder, indem man nicht den Lieferanten auswählt, der am schnellsten und billigsten liefert, sondern sich Partner aussuche, die auch an der Qualität arbeiten wollen – und sich vernünftige Preise sichere, indem man langfristige Verträge mit ihnen schließe.

Langfristig - der Faktor Zeit ist das große Problem. Im Hause Esprit gibt es noch viel zu tun, die Umstrukturierung des riesigen Kleiderschranks braucht Zeit. Zeit, die nicht jeder Esprit zugestehen kann oder möchte.

Händler sind verstimmt

Steffen Jost etwa. Er betreibt fünf Modehäuser in Rheinland-Pfalz und Hessen und ist Präsident des Bundesverbandes des Deutschen Textileinzelhandels BTE. „Nach dem Frühjahr 2014 werde ich entscheiden, ob ich mich von Esprit trennen muss. Die Flächenleistung ist einfach nicht mehr gut genug.“

Der Fachtitel Textilwirtschaft hat kürzlich Jost und weiter Kollegen aus dem Handel zum Thema Esprit befragt. Viele halten Martinez für den richtigen Mann, sehen die Lage bei Esprit jedoch kritisch. Modehaus-Inhaber Claus-Wilhelm Vocke: „Die Frage ist, ob es Esprit noch genug Zeit bleibt, die wichtigen Veränderungen umzusetzen.“ Und Isa Aurich, die zwölf Monomarkenstores führt, darunter zwei von Esprit, meint: „Von der modischen Aussage her ist die Kollektion mittlerweile gut, aber die Ware ist oft nach wie vor zu teuer.“

Einigen Händlern könnte der Geduldsfaden schon bald reißen. In den letzten Monaten gab es massive Lieferverzögerungen und Fehllieferungen. Hintergrund der Misere ist ein Projekt, das noch vor der Ära Martinez angeschoben wurde. In dem Wunsch, möglichst alles auf einen Schlag besser zu machen, machte Esprit einen Fehler, der allen übereifrigen Schrankausmistern passiert. Statt Fach für Fach und Schublade für Schublade auszuräumen, auszusortieren und wieder einzuräumen, werfen sie einfach den kompletten Schrankinhalt in einem großen Haufen auf den Boden – und schaffen damit noch mehr Chaos als Ordnung. So hat Esprit gleichzeitig die Logistik am Standort Mönchengladbach zentralisiert und auch vollautomatisiert. Als wäre das nicht genug, wurde die IT des Konzerns auf SAP umgestellt. Damit war das Chaos perfekt.

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