Die Maschinen rattern, machen kurzen Prozess mit den Sätzen des Mannes, der im weißen Kittel und Haarnetz durch die Produktion der Molkerei Gropper stapft. "Die sind für Lidl", brüllt Inhaber und Firmenchef Heinrich Gropper gegen den Lärm an und zeigt nach rechts. Dort sausen bunte Plastikpullen mit Trinkjoghurts über die Bänder der Abfüllanlage. Links davon huschen Becher mit Schlagsahne vorbei, und auf einer anderen Linie der insgesamt 14 Anlagen flitzen Kartons mit Vanillepudding Richtung Hochregallager. Dort, auf den insgesamt 11.000 Palettenplätzen, bei drei Grad Celsius und schummrigem Licht, parken im friedlichen Miteinander Kaffeegetränke für Lidl neben Puddings für Rewe und Joghurts für Aldi.
Die Molkerei Gropper aus dem 1.300-Seelen-Dorf Bissingen bei Augsburg rüstet Aldi, Lidl, Netto, Penny, Norma, Rewe oder Edeka mit der Munition aus, mit der sie täglich in den Preiskampf ziehen: Handelsmarken. In die Öffentlichkeit geriet der Name Gropper erst durch den Rechtsstreit mit Oetker um die Puddingmarken Flecki und Paula.
Mit 500 Mitarbeitern und einem Umsatz von zuletzt 300 Millionen Euro ist Heinrich Gropper, der das 1929 gegründete Familienunternehmen in dritter Generation führt, zwar im Vergleich mit großen Milchkonzernen wie Ehrmann, Danone, Nestlé, Müller oder Bauer ein kleines Licht. Doch bei der Herstellung eben dieser Handelsmarken zählt Gropper zur Spitzengruppe. Die komfortable Position hat sich die Molkerei über Jahrzehnte hinweg erarbeitet: Gropper ist nicht nur Lieferant, sondern Partner und Ideengeber der Handelsketten. Und mit ihnen ist er kräftig gewachsen, in Deutschland und Europa.
Von den 600.000 Kilogramm Milch, die täglich angeliefert und verarbeitet werden, landet fast alles als Handelsware in den Kühlregalen von Discountern und Supermärkten. Damit nimmt das Unternehmen des 47-jährigen Bayern eine Ausnahmestellung unter den großen Milchverarbeitern ein. Alle, mit Ausnahme von Oetker, die keine No-Names produzieren, fahren zweigleisig: Marke und Handelsmarke.
Ohne Markensorgen
Trotzdem ist den Markenproduzenten die Handelsware, mit denen sie ihre Kapazitäten auslasten, eher lästig. Am liebsten redet man gar nicht über sie; das schadet nur der eigenen Marke. Bei Gropper gibt es diesen Zwiespalt nicht. "Wir haben uns ganz der Handelsmarke verschrieben", sagt Gropper. Für ihn sei das der richtige Weg.
"Heinrich Gropper ist mit seiner Fokussierung auf die Handelsmarken nur konsequent", bestätigt Hermann Sievers von IPLC Deutschland aus Rinteln, einer auf Handelsmarken spezialisierten Strategieberatung. "So spart er sich Aufbau und Pflege einer Marke und vermeidet zudem häufig zu beobachtende unternehmensinterne Konflikte zwischen Marken- und Handelsmarkenabteilungen. Weiterer Vorteil ist eine gesicherte Distribution, auch bei neuen Artikeln."
Ständig neue Ideen
Heinrich Gropper, gelernter Molkereimeister mit Realschulabschluss, hat es geschafft, sein Familienunternehmen vom bloßen Hersteller zum Partner der Händler zu machen, indem er sie mit neuen Produkten und Services bedient. Damit versucht er, seine Molkerei ein Stück weit unverzichtbar zu machen. Aber er räumt ein: "Ich bin gegenüber den großen Handelsketten immer in der schwächeren Position. Ich bin austauschbar." Denn Fruchtjoghurt oder H-Sahne ist ein Standardprodukt wie Frischhaltefolie oder eine Heftzwecke.
Darum muss Gropper ständig neue Ideen präsentieren, die passgenau auf den Händler zugeschnitten sind. Beispiel Aldi: Der Discountprimus bietet in seinen Läden einen Biojoghurt und ein Biomüsli an. Daraus tüftelt Gropper einen Biojoghurt mit Biomüsli im Deckel. Die Aldi-Einkäufer sind begeistert, das Produkt wird gelistet. Wenige Wochen später beschwert sich der Einkäufer eines Aldi-Rivalen, warum Gropper ihm dieses Konzept nicht angeboten habe. Groppers Antwort: "Weil ihr kein Biomüsli habt."
Groppers Geschäftsmodell basiert angesichts des knallharten Wettbewerbs der Händler untereinander auf Vertrauen. "Der Einkäufer muss wissen, dass wir nicht zum Nächsten rennen und dem dasselbe Konzept vorstellen."
Nur im Kleingedruckten
Die hohe Nachfrage der Verbraucher bestärkt Groppers Ausrichtung: In den Kühlregalen der deutschen Handelsketten wird schon jeder zweite Joghurt, Milchdrink oder Pudding als Handelsmarke verkauft, unter Namen wie Elite, Ja, Desira, Belarom, Landfein oder Milbona. So wundert es kaum, dass die Bayern bei Endverbrauchern nahezu unbekannt sind; der Name Gropper taucht allenfalls klein gedruckt auf Becher oder Flasche auf.
Das ändert sich schlagartig zu Beginn des vergangenen Jahres: Als Hersteller von Aldis Schoko-Vanille-Pudding Flecki wird Gropper öffentlichkeitswirksam in einen juristischen Clinch mit Oetkers Puddingpendant Paula verstrickt. Vorwurf seitens der Oetker-Anwälte: Flecki sehe Paula zu ähnlich. Möglich also, dass Kunden Flecki kaufen, obwohl sie eigentlich Paula wollen.
Fast ein Jahr lang beschäftigt der Puddingkrieg die Gerichte. Dann entscheidet das Landgericht Düsseldorf, dass Flecki das technische Patent von Oetker nicht verletze. Nach drei Niederlagen vor Gericht kommt Oetker zu der Erkenntnis, den Streit nicht weiterzuführen.
Flecki, seinerzeit nur testweise in einigen Regionen von Aldi Süd im Regal, ist mittlerweile ein Renner und flächendeckend beim Discountkonzern gelistet, bei dessen österreichischer Tochter Hofer und sogar in einigen Regionen von Aldi Nord.
"Der deutsche Markt stößt an seine Grenzen"
Mit Aldi und Lidl ist Gropper gewachsen – im In- und im Ausland. Seit er 2001 seinen Vater an der Firmenspitze beerbte, hat der Junior den Umsatz fast verdreifacht. Auch weil sich Gropper in neue Kategorien vorgearbeitet hat und in Sachen Verpackung so ziemlich alles herstellen kann, was heutzutage machbar ist: 200 verschiedene Artikel in PET-Flaschen, Bechern oder Giebel-Packs mit oder ohne Schraubverschluss, in 2er-, 4er- oder 6er-Gebinden. Seit 2006 produziert Gropper auch Frucht-Smoothies, seit 2007 gekühlte Kaffeegetränke und seit 2010 Säfte.
Eine weitere Wachstumsquelle ist der Export. Denn der Markt für Milchprodukte in Westeuropa ist nahezu gesättigt. "Auch der deutsche Markt stößt langsam an seine Grenzen", sagt Gropper. "Daher werden wir verstärkt das Auslandsgeschäft ausbauen."
Mit der Verpflichtung von Stanislaus Syryca, der bis Ende 2012 Deutschland-Chef des französischen Milchriesen Lactalis war, treibt Gropper seine Expansionspläne voran. Der erfahrene Manager verantwortet seit Februar den neu geschaffenen Bereich Export und Expansion. Er soll sich verstärkt um neue Handelskunden in Großbritannien, Polen und Skandinavien kümmern. Ob dann in Bissingen oder eher im Norden oder Westen Deutschlands eine neue Fabrik gebaut werden soll, ist noch offen. Oder vielleicht doch im Ausland? "Nicht alles und jeder lässt sich aus Bissingen beliefern", sagt Gropper.
Wettbewerber wie Ehrmann oder Müller sind Gropper da einen Schritt voraus. Ehrmann aus dem Allgäu zieht im US-Staat Arizona derzeit seine zweite Fabrik in den USA hoch. Und auch Müller wagte den Schritt in die USA: Gemeinsam mit dem Cola-Konzern Pepsico baute die Molkerei aus dem bayrischen Aretsried ein 200 Millionen Dollar teures Joghurtwerk im Bundesstaat New York.
Joghurt ist die am schnellsten wachsende Kategorie - Jahresvolumen von 6,2 Milliarden Dollar - in der US-amerikanischen Molkereiindustrie. Dabei ist der Pro-Kopf-Verbrauch immer noch weniger als halb so groß wie in Europa. Doch auch in Deutschland sieht Gropper Wachstumschancen. Denkbar sei etwa der Einstieg in für das Unternehmen neue Segmente wie Käse oder ultrahocherhitzte Produkte wie H-Milch.
Apropos Hitze: Wenn in diesen Tagen die Deutschen wieder ihre Grills anwerfen, ist auch Gropper dabei. Anonym natürlich - mit einer Grillcreme aus dem Kühlregal in Geschmacksrichtungen wie Meerrettich oder Curry.