Air Berlin hat nach einer jahrelangen Durstrecke erste Details des neuen Sanierungsprogramms vorgestellt. Deutschlands zweitgrößte Fluglinie will sich künftig auf die größten Reisemärkte in Deutschland, Österreich, der Schweiz sowie auf Mallorca konzentrieren, wie Air Berlin am Mittwochabend mitteilte. Zudem sei eine engere Kooperation mit dem Großaktionär Etihad und der italienischen Fluggesellschaft Alitalia geplant.
Mit der Einführung des neuen Streckennetzes sollen die Flotte um etwa zehn Flugzeuge reduziert, die Zahl der angebotenen Sitzplätze um zehn Prozent gesenkt und unrentable Bereiche aufgelöst werden. „Wir sind entschlossen, Air Berlin grundlegend neu zu strukturieren, um das Unternehmen innerhalb von drei Jahren wieder zu nachhaltiger Profitabilität zu führen“, sagte Konzernchef Wolfgang Prock-Schauer.
Die Chronik von Air Berlin
Vor 38 Jahren hob der erste Air-Berlin-Flieger ab. Alles begann mit alliierten Sonderrechten zur Landung im geteilten Berlin. Nach der Wende wuchs Air Berlin zur Nummer Zwei am Himmel über Deutschland heran, doch dann folgte eine jahrelange Krise.
1978: Gründung als Chartergesellschaft durch den Ex-Pan-Am-Pilot Kim Lundgren. Erstflug am 28. April 1979 von Berlin-Tegel nach Mallorca. Die Flotte umfasst zwei Maschinen.
1991: Im April kauft der LTU-Manager Joachim Hunold die Mehrheit der Anteile. Es gibt kurz darauf 15 Flüge pro Tag. Air Berlin expandiert und stationiert zunehmend auch Flugzeuge auf Regionalflughäfen.
1998: Mit dem Mallorca Shuttle Einstieg ins Linienfluggeschäft.
Einstieg zu 25 Prozent bei der österreichischen Fluggesellschaft Niki des früheren Rennfahrers Niki Lauda.
Börsengang und Kauf der Fluggesellschaft dba.
Kauf des Ferienfliegers LTU, damit auch Interkontinentalflüge.
Air Berlin rutscht in die roten Zahlen, legt das erste Sparprogramm auf: Strecken fallen weg, Flugzeuge werden ausgemustert. Die Übernahme des Ferienfliegers Condor scheitert.
Air Berlin kündigt für 2012 den Eintritt in das Luftfahrtbündnis Oneworld an.
Hunold wirft das Handtuch, Hartmut Mehdorn übernimmt. Ein weiteres Sparprogramm soll das operative Ergebnis um 200 Millionen Euro verbessern. 18 der 170 Maschinen werden verkauft.
Die arabische Staatsairline Etihad erhöht ihren Anteil von knapp 3 auf 29,2 Prozent und stützt die Airline mit einem 255-Millionen-Dollar-Kredit. Ein neues Sparprogramm beginnt. Der Verkauf des Vielfliegerprogramms an Großaktionär Etihad bringt nur vorübergehend wieder schwarze Zahlen.
Wolfgang Prock-Schauer wird Vorstandschef und verschärft das von Mehdorn im Vorjahr aufgelegte neue Sparprogramm. Jeder zehnte Arbeitsplatz fällt weg, die Flotte schrumpft auf 142 Maschinen.
Im Februar löst Stefan Pichler den glücklosen Prock-Schauer ab. Air Berlin macht 447 Millionen Euro Verlust - so viel wie nie.
Nach einem juristischen Tauziehen kann Air Berlin den größten Teil der wichtigen Gemeinschaftsflüge mit Etihad weiter anbieten. Die Zahlen bessern sich nicht. Gespräche mit Lufthansa über einen Verkauf von Geschäftsteilen beginnen. Mit einem tiefgreifenden Umbau und der Streichung von bis zu 1200 Arbeitsplätzen will Air Berlin seine Krise überwinden.
Air Berlin bekommt einen neuen Chef. Der Lufthansa-Manager und früheren Germanwings-Chef Thomas Winkelmann wird Vorstandschef. Air Berlin führt ihren Flugbetrieb in zwei getrennten Geschäftsfeldern weiter: Langstreckenflüge und Städteverbindungen in Europa werden zusammengefasst, Urlaubsflüge unter der Marke Niki geführt. Lufthansa erklärt sich bereit, Air Berlin zu übernehmen, wenn der Großaktionär Etihad zuvor die Schulden übernähme.
Air Berlin meldet Insolvenz an. Zuvor hatte Etihad seine finanzielle Unterstützung eingestellt. Ein 150-Millionen-Euro-Kredit des Bundes soll den Flugbetrieb zunächst sichern.
Fast 40 Jahre nach dem Start der ersten Air-Berlin-Maschine in Berlin-Tegel landet am 27. Oktober 2017 um 23.45 Uhr der letzte Air-Berlin-Flieger dort. Die Zukunft der Angestellten und vieler Unternehmensteile ist zu diesem Zeitpunkt noch ungewiss.
Wegen eines übereilten Expansionskurses steht die mit ihrem „Mallorca-Shuttle“ bekanntgewordene Air Berlin tief in der Kreide und schrieb in den vergangenen fünf Jahren nur einmal Gewinne. Größter Aktionär ist Etihad - die arabische Fluglinie griff der zweitgrößten deutschen Airline seit dem Einstieg 2011 mit etwa 800 Millionen Euro und Sachleistungen wie neuen Flugzeugsitzen unter die Arme. Ohne die Hilfen stünde Air Berlin vor dem Aus.
Auch Alitalia rettete Etihad jüngst vor dem Zusammenbruch und stieg mit 49 Prozent bei den Italienern ein. Air Berlin erarbeite nun die Rahmenbedingungen für eine enge, bilaterale Kooperation mit Alitalia, teilte der Lufthansa-Konkurrent mit. Zudem schließt Air Berlin fünf ihrer kleineren Crew-Standorte. Diese Maßnahme verändere zwar den Arbeitsort von Piloten, bedeute aber nicht, dass Air Berlin diese Flughäfen nicht mehr anfliegt.
Langstreckengeschäft bleibt
Im zweiten Quartal verringerte Air Berlin den Betriebsverlust (Ebit) auf 6,9 Millionen Euro nach 8,1 Millionen Euro Minus im Vorjahreszeitraum. Unter dem Strich reichte es dank eines besseren Finanzergebnisses zu einem Gewinn von 8,6 Millionen Euro nach einem Fehlbetrag von 38 Millionen Euro. Der Umsatz kletterte leicht auf 1,146 Milliarden Euro.
Per Ende Juni betrug die Nettoverschuldung 707,7 Millionen Euro. Dennoch verfüge Air Berlin dank der jüngsten Geldspritze von Etihad derzeit über 600 Millionen Euro liquide Mittel sowie über 300 Millionen Euro aus nicht in Anspruch genommenen Kreditlinien. „Aufgrund der umfangreichen und erfolgreich abgeschlossenen Rekapitalisierung verfügen wir über ausreichend Liquidität für die Umsetzung der anstehenden Neustrukturierung und die Bedienung ausstehender Anleihen“, sagte Air-Berlin-Finanzchef Ulf Hüttmeyer.
Analysten kritisieren das Geschäftsmodell von Air Berlin schon lange und meinen, dass die Airline in zu vielen Geschäftsfeldern gleichzeitig unterwegs ist: im Tourismusmarkt, als Billiganbieter, im Langstreckenverkehr und als Zubringer für das Flugnetz von Etihad. Doch Air Berlin zeigt sich unbeirrt.
„Air Berlin wird auch in Zukunft die drei Segmente Europa, Touristik und Langstrecke bedienen“, sagte Konzernchef Prock-Schauer. „Was wir substanziell ändern werden, ist die Art und Weise, wie wir unser Geschäft betreiben und den Markt bearbeiten.“
Da der seit Jahren laufende Konzernumbau nicht die erhoffte Wende brachte, arbeitet Air Berlin seit dem Frühjahr mit Hilfe von Beratern an einem neuen Sanierungsanlauf. Den gesamten Maßnahmenkatalog mit weiteren Einzelheiten will Prock-Schauer Ende September vorstellen.