Neue Fluggesellschaften Die Wiedergeburt der Regional-Airlines

Sie heißen Rhein-Neckar-Air oder Rostock Airways: In Deutschland wagen neue Regionalflieger erste Schritte. Nach dem Rückzug der großen Airlines fehlen Verbindungen. Manchmal schaffen sich Unternehmen den Ersatz selbst.

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Propeller eines Regionalflugzeugs: „Viele Punkt-zu-Punkt-Verbindungen, möglichst wenig Rücksicht auf Verbindungsflüge oder Umsteiger und Fokus auf profitable Strecken“. Quelle: Imago

Düsseldorf Dramatisch lasen sich die Zahlen im Frühjahr 2013: Jede dritte Regional-Airline in Europa hatte innerhalb von fünf Jahren den Betrieb eingestellt. Von 195 Regionalfliegern waren 65 verschwunden, stellte eine Studie der Airline-Beratung Prologis fest. Neugründungen hatten es besonders schwer, jede zweite neue Fluggesellschaft war innerhalb des Untersuchungszeitraums schon wieder Geschichte.

Doch nur ein Jahr später ist in Deutschland ein kleiner Aufwind für die Regionalflieger zu spüren. Obwohl die Lage in der Luftfahrt immer noch angespannt ist, heben im Frühjahr einige neue Airlines ab. Vor gut einer Woche startete Rostock Airways zum Jungfernflug von Bremen nach Zürich. Von Mannheim fliegen ab März Maschinen der Rhein-Neckar-Air nach Berlin. Der ehemalige DBA- und LTU-Eigentümer Hans Rudolf Wöhrl hat mit der von Air France-KLM gekauften City Jet große Pläne. Und nicht zuletzt forciert Etihad mit der Schweizer Beteiligung Darwin Airlines die Regional-Offensive in Deutschland. Unter dem Namen Etihad Regional fliegen mittlerweile Maschinen auf der Strecke Genf-Stuttgart.

Gerd Pontius überrascht die Wiedergeburt der Regionalflieger nicht. Der Prologis-Chef hat die Studie vor einem Jahr mit dem Schweizer Fluginformations-Dienstleister CH-Aviation veröffentlicht – und beobachtet die neuen Angebote deshalb umso genauer. Sein Urteil: „Der Rückzug der Netzwerk-Airlines hat Lücken geschaffen. Dadurch gibt es neue Möglichkeiten für Regionalflieger – sie können Nischenrouten erschließen.“

Die Chancen für die neuen Regional-Airlines liegen allerdings nicht in ihrem klassischen Geschäft. Auf stark frequentierten Zubringerstrecken für die großen Fluggesellschaften wie Lufthansa oder Air Berlin ist für die kleinen immer weniger zu holen. Airline-Berater Pontius sagt, dass die Regional- im Endeffekt wie Billigflieger agieren müssen: „Viele Punkt-zu-Punkt-Verbindungen, möglichst wenig Rücksicht auf Verbindungsflüge oder Umsteiger und vor allem einen klaren Fokus auf Strecken, die profitabel sind.“

Die Regionalflieger müssen so sein wie die Airlines, die sie in den letzten Jahren in die Enge getrieben haben. Easyjet, Vueling oder Norwegian hätten die starken Strecken der Regional-Airlines für sich entdeckt und mit ihren größeren Maschinen übernommen, erklärt Pontius. Doch das sei nur ein Grund für das Sterben der Regionalflieger in den vergangenen Jahren: „Der gestiegene Treibstoffpreis hat sich bei Regionalflugzeugen besonders bemerkbar gemacht, dazu gibt es auf vielen Strecken große Konkurrenz auf Schiene oder Straße.“


SAP, Heidelcement und Südzucker bringen Airline in die Luft

Doch nach der großen Marktbereinigung gibt es nun eine steigende Nachfrage nach regionalem Flugverkehr. Neu an der Entwicklung ist jedoch, dass die Unternehmen diesen selbst in die Hand nehmen – frei nach dem Motto: „Ich schaffe mir meine Flugverbindung selbst.“ Geschehen ist dies jetzt in Mannheim. In der brummenden Rhein-Neckar-Region haben mit BASF, Heidelberg-Cement und SAP gleich drei Dax-Konzerne ihren Sitz. Die Unternehmen aus der Region sind entsprechend daran interessiert, dass ihre Manager schnell von A nach B kommen – mit konzerneigenen Flugzeugen, aber auch mit regionalen Airlines.

Zehn Unternehmen haben deshalb im vergangenen Jahr am Flughafen Mannheim einen Förderverein gegründet, der den sperrigen Namen „Verein zur Förderung der Wiederaufnahme des Linienflugverkehrs auf dem City-Airport Mannheim“ trägt. Unter anderem sind SAP, Heidelberg-Cement und Südzucker fördernde Mitglieder – auch SAP-Mitgründer Dietmar Hopp soll laut Medienberichten involviert sein.

Im November wurde schließlich die Fluggesellschaft Rhein-Neckar-Air gegründet. Es sei „schon außergewöhnlich, dass sich große Unternehmen zusammentun und in dieser Weise in Infrastruktur investieren“, sagt Geschäftsführer Dirk Eggert im Interview mit Handelsblatt Online. Dass Flughäfen Unternehmen unterstützen - zum Beispiel durch günstige Tarife oder sogar kostenlose Abfertigung - sei nicht neu, sagt Airline-Berater Pontius, „aber dass regionale Firmen und Kommunen zunehmend in eine Fluggesellschaft investieren oder Abnahmegarantien für Tickets geben, ist auch in Deutschland ein neuer Trend.“

Ab März fliegt Rhein-Neckar-Air unter der Woche zweimal von Mannheim nach Berlin und zurück. Die Unternehmen aus dem Förderverein geben die Anschubfinanzierung, später will sich die Fluggesellschaft aus dem laufenden Betrieb finanzieren. „Wir finden es wichtig, dass es Linienflüge gibt und der Flugbetrieb am Flughafen aufrechterhalten bleibt“, sagt ein Sprecher von Südzucker. Der Nahrungsmittelkonzern hat seinen Sitz in Mannheim und will die Förderung als Bekenntnis zur Rhein-Neckar-Region verstanden wissen. Am Ziel Berlin habe man selbst kein besonderes Interesse, der Zucker werde woanders verarbeitet.

Die Betriebe von Heidelberg-Cement liegen ebenfalls eher abgelegen. Und Georgien oder Kasachstan werden in Zukunft wohl nicht zu Zielen der Rhein-Neckar-Air. Ziel des Engagements sei der „Erhalt des Flughafens und der Ertragskraft“, heißt es vom Dax-Konzern. SAP verspricht sich hingegen den Erhalt des hohen Sicherheitsstandards für seine Flugbetriebe, aber auch eine bessere Infrastruktur, so ein Sprecher des Software-Unternehmens.


Gute Chance, wenn die lokale Wirtschaft mitzieht

Für Pontius, der mit seiner Firma Prologis weltweit 50 Kunden berät, ist die Fluggesellschaft vorbildlich. „Rhein-Neckar-Air ist ein gutes Beispiel dafür, wie es funktionieren kann“, sagt der Airline-Experte. „Regional-Airlines haben dann eine gute Chance, wenn die lokale Wirtschaft bereit ist, in die Fluggesellschaft zu investieren.“

Ähnliche Modelle gibt es in Europa zum Beispiel bei Sverigeflyg (Schweden), einem Zusammenschluss von sieben lokal-geförderten Airlines, Sky Work (Schweiz) oder bei Air Alsie (Dänemark), die vom globalen Kälte- und Wärmeanlagen-Spezialist Danfoss unterstützt wird. Im Jahr 2012 ging eine Regional-Airline Pleite und die Anbindung des Firmensitzes an den Luftverkehr war nicht mehr gegeben. Seit dem Sommer ist Danfoss aus Sønderborg nun wieder mit Kopenhagen verbunden – unter der Woche gibt es fünf Abflüge täglich.

Ob Regional-Airlines am Ende überleben, zeigt sich meistens in den ersten Jahren, wie die hohe Zahl der Pleiten bis 2013 beweist. Meist sind kleine Fluggesellschaften schon bei der Gründung zum Scheitern verurteilt. „Oft werden die Passagierzahlen überschätzt und auch die Preise, die erwirtschaftet werden können“, sagt Airline-Berater Pontius. „Das ist leider ein Kardinalsfehler.“

Rhein-Neckar-Air kalkuliert zunächst mit 25.000 Passagieren jährlich und ist für die Zukunft optimistisch: Es gebe bei Geschäftskunden nicht nur Bedarf, von Mannheim nach Berlin zu fliegen, sondern auch aus der Hauptstadt in die Rhein-Neckar-Region zu kommen, sagt Geschäftsführer Eggert. „Das ist ein wichtiger Erfolgsfaktor.“ Geht das Konzept auf, dann könnte bald auch Hamburg angeflogen werden.

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