Neue Geschäftsmodelle für den Einzelhandel Wie der Kampf gegen die Online-Konkurrenz gewonnen werden kann

Seite 3/3

Marktvorteil durch Erlebnis-Gastronomie

Der Lebensmitteleinzelhandel muss allerdings noch ein zusätzliches Problem lösen: „Gegenüber Discountern wie Aldi oder Lidl haben konventionelle Filialketten wie Edeka oder Rewe das Problem, dass sie als teurer wahrgenommen werden, obwohl das bei den meist gekauften Artikeln überhaupt nicht zutrifft“, sagt Björn Schuppar, Gründer und Chef der auf Pricing spezialisierten Beratung Schuppar Consulting aus Düsseldorf. „Damit entfällt der Preis als Differenzierungsmerkmal, konventionelle Ketten wie Edeka und Rewe müssen andere Kriterien entwickeln, mit denen sie sich positiv von den Discountern abheben.“

Möglichkeiten dazu gibt es – doch manchmal erfordern sie Phantasie und die Bereitschaft, bisher selbst gesetzte Grenzen zu überschreiten. „Gastro-Formate mit Erlebnischarakter sind schwer in Mode, wie etwa Verkaufstheken mit frischem Sushi und vielen weiteren Asia-Produkten drumherum“, sagt Schuppar, „das zieht die Leute in den Laden und erhöht die Verweildauer und schafft damit die Voraussetzungen für einen höheren Umsatz pro Einkauf.“

Kundenbindung durch emotionale Einkaufserlebnisse sind der eine Trend im konventionellen Lebensmitteleinzelhandel, zusätzliche Serviceleistungen wie etwa Lieferdienste ein anderer. Auch das schafft eine engere Kundenbindung und Preiserhöhungsspielräume. Lieferdienste verursachen allerdings auch Kosten. Schupppar hat auch dafür eine ganz praktische Lösung: „Warum tun sich die Lebensmittelhändler nicht mit einer Reinigung zusammen?“ Der Lieferdienst könnte gleichzeitig die Wäsche einsammeln und ausliefern. „Das senkt die Kosten und hilft dabei, aus dem Zusatzservice ein Geschäft zu machen.“

Und warum sind kleine Beratungsboutiquen wie Schuppar, Batten & Company oder Unex bei solchen Ideen kreativer als die großen Generalisten wie McKinsey, Boston Consulting, Bain oder Roland Berger? „Die drei Beratungsunternehmen kombinieren hohe analytische und fachliche Kompetenz mit Umsetzungsätzungsstärke und  bieten pragmatische Lösungen“, lobt Eva Manger-Wiemann, Partnerin der Züricher Meta-Beratung Cardea. „Das ist gerade für die Einzelhandelsbranche besonders relevant, da der Wettbewerbsdruck sehr hoch ist und damit schnelle, tragfähige Lösungen gefragt sind.“

Cardea hat mit dem ConsultingSearcher eine Internet-basierte Suchmaschine entwickelt, mit der die kleinen und mittelgroßen Spezialisten der Beratungsszene besser gefunden werden können: Über eine Matrix werden Beratungsthema und Branche ausgewählt, mit dem dritten Mausklick landet der Interessent bei dem Beratungsunternehmen, das für seine Branche und Fragestellung am besten geeignet ist. Zusätzlicher Vorteil der Cardea-Suchmaschine: „Die gelisteten Berater müssen ihre Kompetenz mit mehreren erfolgreichen Projekten nachgewiesen haben“, sagt Manger-Wiemann.

Die kleinen Spezialisten wissen um ihre Stärken: „Als mittelständische Berater können wir uns schneller und besser in die Strukturen von Einzelhandelsketten hineindenken“, sagt Schuppar. Zudem nehmen sich die Kleinen mehr Zeit: „Wir bleiben sechs bis acht Wochen – so lange, bis die neuen Konzepte funktionieren“, sagt Batten & Company-Berater Göbbel, „das wäre bei den großen Häusern und deren Honorarsätzen überhaupt nicht bezahlbar.“

Hinzu kommt: „Unsere Konzepte orientieren sich an den Kernkompetenzen unserer Kunden und nicht an erfolgreichen Vorlagen aus dem Ausland“, sagt Unex-Berater Daegling. Große, globale Beratungshäuser neigen dagegen eher dazu, bereits in anderen Ländern bewährte Konzepte zu übertragen, auch wenn das weder zur Kultur der Unternehmen noch zur Kundschaft passt.

Walmart ist ein Paradebeispiel dafür, wie anderswo erfolgreiche Ideen hierzulande krachend scheitern können. Mitte der Neunzigerjahre übernahm die US-Einzelhandelskette die SB-Märkte von Wertkauf und Interspar in Deutschland. Doch das am US-Vorbild ausgerichtete Konzept mit Begrüßungspersonal am Eingang und einstudierten Freundlichkeitsfloskeln funktionierte in Deutschland überhaupt nicht. 2006 war Schluss, nach Verlusten von insgesamt drei Milliarden Euro wurden die Märkte an die Metro verkauft.

Inhalt
Artikel auf einer Seite lesen
© Handelsblatt GmbH – Alle Rechte vorbehalten. Nutzungsrechte erwerben?
Zur Startseite
-0%1%2%3%4%5%6%7%8%9%10%11%12%13%14%15%16%17%18%19%20%21%22%23%24%25%26%27%28%29%30%31%32%33%34%35%36%37%38%39%40%41%42%43%44%45%46%47%48%49%50%51%52%53%54%55%56%57%58%59%60%61%62%63%64%65%66%67%68%69%70%71%72%73%74%75%76%77%78%79%80%81%82%83%84%85%86%87%88%89%90%91%92%93%94%95%96%97%98%99%100%