Neue Strategie Lidl beendet das Quengeln an der Kasse

Schokoriegel sorgen an der Supermarktkasse für große Kinderaugen - und viel Quengeln. Lidl testet nun Supermärkte ohne diese Ware. In Großbritannien ist der Discounter damit erfolgreich.

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In Großbritannien gibt es schon seit Jahresanfang keinen Süßkram mehr an Lidl-Kassen. Nun testet der Discounter das Konzept in deutschen Märkten. Quelle: dpa

Sie sind ihm ein Dorn im Auge: Lebensmittelkonzerne, die Kinder zu ungesunder Ernährung verführen – ob mit Süßigkeiten an der Supermarktkasse oder lustigen Comics auf der Verpackung. „Kinder sind keine kleinen Erwachsenen, die Werbung von neutralen Informationen unterscheiden können“, sagt Foodwatch-Aktivist Oliver Kuizinga. Also kämpft er dagegen mit Kampagnen für Kinderernährung an.

Derzeit ist auch Lidl in seinem Visier. Die Forderung: Der Discounter soll die sogenannte Quengelkasse abschaffen. Damit ist die Supermarktkasse gemeint, an der Süßwaren auf kindgerechter Höhe platziert werden und Kinder zum Quengeln bringen. Schon über 14.500 Menschen haben eine Petition dagegen unterschrieben. Nun berichtet die Lebensmittelzeitung in ihrer aktuellen Ausgabe, dass Lidl tatsächlich an einigen Standorten Kassenregale ohne Süßigkeiten testet.

Lidl hat dies gegenüber der WirtschaftsWoche bestätigt, gibt sich jedoch in einer Stellungnahme bedeckt: „Da momentan die relevanten Daten noch erhoben und analysiert werden, ist es uns nicht möglich, uns zum jetzigen Zeitpunkt schon zu weiteren Details der Testphase zu äußern.“ Von einem Sieg will Kuizinga trotzdem nicht sprechen: „Wir fragen uns, was es da noch so großartig zu testen gibt. In Großbritannien hat Lidl schon Anfang des Jahres flächendeckend seine Quengelkassen abgeschafft.“

Tatsächlich hat der Discounter in all seinen 600 britischen Filialen die Süßigkeiten in den Kassenregalen durch Obst, Trockenfrüchte, Nüsse und Fruchtsäfte ersetzt. Daher fordert Foodwatch seit Ende Januar, dass Lidl Deutschland es seiner britischen Tochter gleich tut. Kuizingas Vorwurf: Lebensmittelkonzerne nutzen mit der Quengelware aus, dass Eltern vor anderen wartenden Kunden schneller nachgeben. „Am Ende bezahlen die Kinder mit ihrer Fehlernährung die Rechnung.“

Denn anhand der Ergebnisse der Studie zur Gesundheit von Kindern und Jugendlichen in Deutschland des Robert-Koch-Instituts hat Foodwatch folgende Zahlen errechnet: Sechs- bis elfjährige Mädchen essen das Doppelte der empfohlenen täglichen Menge an Süßigkeiten und Snacks, Jungs sogar das Eineinhalbfache. Die Schokoriegel und Gummibärchen, die im Supermarkt die Aufmerksamkeit der Kinder erhaschen, leisten daran ihren Anteil.

Süßwarenfirmen fürchten das Ende der Quengelkasse

Auch wenn Bonbons und Lutscher überall von Kinderaugen entdeckt werden können,  ginge es nicht darum, sie komplett aus den Supermärkten zu verbannen. „Wir wollen lediglich, dass Kinder keine zusätzlichen Anreize haben, sich ungesund zu ernähren.“ Wenn Produkte schon gezielt für Kinder vermarktet werden, so Kuizinga, dann sollten dies auch ausgewogene Produkte sein.

Daher stellt er sich nicht nur gegen die Quengelkasse, sondern auch gegen kindgerechte Verpackungen oder Sportsponsoring.  So veranstaltet Nutella beispielsweise den „Sports Finder Day“ an deutschen Schulen. Damit lenke Mutterkonzern Ferrero jedoch lediglich von seiner eigentlichen Verantwortung ab: „Es ist nicht die Aufgabe von Ferrero, die Bewegung von Kindern zu fördern. Es ist die Aufgabe von Ferrero, seine Produkte verantwortungsvoll zu vermarkten. Und das schließt Kindermarketing von Junkfood aus.“

Deutschlands größte Lebensmittelhändler
Gute Zeiten für LebensmittelhändlerDie Lebensmittelhändler können größtenteils auf ein gutes Jahr zurückblicken. Bis auf wenige Ausnahmen verbuchten alle Unternehmen ein Umsatzwachstum - manche sogar im zweistelligen Bereich. Der Gesamtumsatz der zehn umsatzstärksten Händler in Deutschland lag bei rund 210 Milliarden Euro. Wobei ein Viertel davon allein auf den ersten Platz entfällt.Quelle: TradeDimensions, Lebensmittelhandel Deutschland 2014 Quelle: dpa
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Dem Unternehmen und anderen Süßwarenhersteller könnte es treffen, wenn Lidl sich am Ende in Deutschland tatsächlich entschließt, die Kasse süßwarenfrei zu machen. Der Lebensmittelzeitung zufolge erwirtschaften die vier großen Konzerne Ferrero, Mars, Wrigley und CFP Brands 500 Millionen Euro Umsatz im Kassenbereich. Dazu zitiert sie die Befürchtungen eines ungenannten Süßwarenproduzenten: „Wenn Platzhirsche wie Lidl in diese Richtung denken, könnten das auch andere erwägen.“

Immerhin verbuchte Lidl in Großbritannien seit der Umstellung bereits steigende Umsätze im Kassenbereich. Und ein Wettbewerber hat bereits nachgezogen: Die Supermarktkette Tesco will bis Ende des Jahres die Quengelware aus all seinen Kassenregalen räumen. Den Vorteil beschreibt Oliver Kuizinga von Foodwatch so: „In Großbritannien hat sich Lidl ein Alleinstellungsmerkmal als familienfreundlicher Discounter erarbeitet, den Kunden gezielt besuchen.“ Ob diese Entwicklung ach in Deutschland eintritt, ist noch offen.

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