Niedergang des Medienriesen Bertelsmann droht der Abstieg

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„Thielen hat Bertelsmann jede Dynamik ausgetrieben“

In der Summe trägt das dazu bei, dass internationale Konkurrenten weit schneller und entschlossener unterwegs sind als die Gütersloher: Disney etwa investierte Milliarden in den Kauf global funktionierender Medienmarken wie Marvel, Star Wars und Pixar.

Dabei sollte alles anders werden, als Rabe im Januar 2012 an die Bertelsmann-Spitze rückte. Der bisherige Finanzchef sollte dem Moloch mehr Leben einhauchen, ihn wieder in Schwung bringen.

Vorgänger Hartmut Ostrowski hatte das bereits versucht. Als der 2008 antrat, peilte der vorherige Arvato-Chef 30 Milliarden Euro Umsatz an, wollte in den Geschäftsfeldern „Löwen statt Lämmer“ züchten. Doch die Finanzkrise lief Ostrowski brutal in die Hacken. Zugleich bremsten ihn Versäumnisse seines Vorgängers.

Bertelsmann Umsatz nach Regionen

Gunter Thielen hatte 2002 die Führung übernommen und exekutierte den Wunsch der Eignerfamilie Mohn, dem belgischen Stahlmagnaten Albert Frère für 4,5 Milliarden Euro dessen Bertelsmann-Anteil abzukaufen. Damit sollte ein Börsengang verhindert werden, der den Einfluss der Mohns geschmälert hätte. Thielen assistierte dabei der damals frischgebackene Finanzchef Rabe.

Verbaute Wachstumschancen

Die so entstandenen Schulden und Thielens Strategie lähmten den Konzern jahrelang: „Thielen hat Bertelsmann jede Dynamik ausgetrieben“, sagt ein früherer Spitzenmanager, „er hat alles gekappt, was weniger als zehn Prozent Rendite erzielte.“ Und das in einer Phase, in der ringsum neue Geschäftsmodelle entstanden, Google auftauchte, Amazon, später Facebook.

Kritik, der Konzern verbaue sich so Wachstumsmöglichkeiten, habe Thielen abgetan. Das sei kein Problem, dann kaufe man eben den Sieger. Reines Wunschdenken: Amazon etwa, das als Buchversender begann, war Mitte der 2000er-Jahre schon doppelt so viel wert wie Bertelsmann.

Geschichte von Bertelsmann

Die Versäumnisse der Vergangenheit kann Rabe nicht im Schnelldurchgang beheben. Zu groß sind die neuen Riesen wie Google, Amazon und Apple inzwischen. Darum hat sich Bertelsmann auf andere Weise mit ihnen arrangiert – als Dienstleister über die Sparte Arvato wickelt der Konzern etwa Googles Einnahmen aus dem weltweiten Werbegeschäft ab. Doch klar ist auch, dass allein der Job des Dienstboten nicht die Rolle sein kann, die Rabe für Bertelsmann vorschwebt.

"Home of Creativity"

In einem schlichten anthrazitfarbenen Cashmere-Pullover steht Rabe auf der Bühne, er trägt flache Turnschuhe und am Handgelenk eine Sportuhr, die ihm präzise verrät, wie fit er gerade ist. 300 Top-Führungskräfte hatte Bertelsmann im vergangenen Herbst ins prachtvolle St. Pancras-Hotel im Londoner Stadtteil Camden gelotst, Dutzende geladene Show- und Medienstars wie Fernsehkoch Jamie Oliver, Musiker Jean Michel Jarre oder Autorin E. L. James sollten für einen Kreativitätsschub sorgen.

Bertelsmann, so Rabes wenig subtile Botschaft, sei „Home of Creativity“.

Mit dem Jahrestreffen verband Rabe ein weiteres Ziel: Es galt, seinen Leuten zu vermitteln, wie weit der Konzern gekommen ist in seinen ersten knapp drei Jahren als Chef. Eine Rampensau ist Rabe nicht eben, er müht sich um den rechten Ton zwischen Aufbruch und der Bitte um Geduld. Fünf bis zehn Jahre werde es brauchen, den westfälischen Riesen umzubauen, ihn „wachstumsstärker, digitaler und internationaler aufzustellen“.

Tatsächlich hat der asketische Rabe, der seinen Körper einem strengen Trainingsregiment unterwirft – für jeden Kilometer laufen, radeln oder auf dem Rudergerät gibt es Punkte, am Ende der Woche sollen es möglichst 100 sein – vieles angepackt.

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