Es ist ein typischer Morgen in Seattles South Lake Union Viertel – seit acht Uhr wird gehämmert, gebohrt und geschweißt. Gekonnt schlängeln sich Radfahrer um die Kolonnen von Baufahrzeugen, die die engen Straßen blockieren. Noch vor ein paar Jahren war das Viertel nördlich von Seattles Innenstadt heruntergekommen. Nun entsteht hier, prahlt Bürgermeister Ed Murray stolz, das“ Manhattan der Westküste“.
Derzeit sind 26 Hochhäuser geplant. Größter Bauherr ist Microsoft-Mitgründer Paul Allen. Die Filetstücke hat sich Amazon für sein neuestes Hauptquartier gesichert. Im Herbst hat Gründer Jeff Bezos sein Büro in dem 37-stöckigen Glaspalast an der siebten Avenue bezogen, schräg gegenüber vom „Little Darlings“-Stripclub, dessen angeschlossener Sex-Shop mittels Leuchtreklame 20 Prozent Rabatt für Amazon-Mitarbeiter verspricht.
„Day One“ heißt Bezos neuer Büroturm, benannt nach seiner Lebensmaxime. Für den umtriebigen Unternehmer, der gerade dabei ist, Microsoft-Gründer Bill Gates als reichsten Mann der Welt abzulösen, ist stets „Tag 1“. Sein Konzern ist im ewigen Angriffsmodus, kapert immer neue Bereiche und verkauft neben Büchern längst auch Bikinis, Bohrmaschinen und Backöfen im großen Stil. Erst diese Woche hat Amazon mit seinem weltweiten Prime Day klar gemacht, um welche Größenordnungen es geht, wenn der Konzern seine Stammkunden zur Rabattschlacht lädt. Innerhalb von 30 Stunden wurden allein über die deutsche Plattform schwindelerregende 400.000 Spielwaren, 600.000 Sportprodukte und rund eine Million Bekleidungsartikel verkauft. Ein Rekord. Wieder einmal.
Wie kein zweites Unternehmen dominiert die Bezos-Truppe inzwischen das Online-Geschäft der westlichen Welt und schreckt die Konkurrenz. Vier zentrale Faktoren sind es, die Amazon so erfolgreich machen – und so gefährlich für die etablierten Player:
1. Omnipräsenz: Systematisch drängelt sich der Konzern in den Alltag seiner Kunden und verkauft ihnen nicht nur Produkte, sondern ist über das Kundenbindungsprogramm Amazon Prime für Millionen Nutzer schon heute eine permanente Anlaufstelle im Netz. Sie erledigen dort nicht nur ihre Einkäufe, sondern streamen Musik, schauen Videos und lesen Bücher über Amazon.
Alarm im Einzelhandel
2. Hightech zementiert Amazons Dominanz. So pusht der Online-Player derzeit seine Alexa getaufte Sprachsteuerung, die auf Zuruf Musik abspielt, Nachrichten vorliest oder Produkte bestellt. Über Apps von Drittanbietern lässt sich der Sprachdienst zu einer Universalfernbedienung fürs vernetzte Heim ausbauen. Alexa dimmt auf Wunsch das Licht und steuert die Heizung - und verankert Amazon nebenher immer fester im Tagesablauf der Kunden.
3. Vertikalisierung: Amazon deckt in immer mehr Bereichen die komplette Wertschöpfungskette ab - von der Produktion über die Logistik bis zum Verkauf. Vor allem in jenen Segmenten, denen der Konzern strategische Bedeutung beimisst, ergänzen mehr und mehr Eigenmarken das Sortiment.
Die umsatzstärksten Onlinehändler
Mit einem Umsatz von 432,3 Millionen Euro war Alternate im Jahr 2016 nach Umsatz der zehntgrößte Online-Shop Deutschlands.
Quelle: EHI Retail Institute; Statista
Etwas mehr Umsatz, nämlich 450 Millionen Euro, hat Tchibo 2016 erwirtschaftet und landet damit auf einem soliden neunten Rang.
Durch conrad.de ist auch ein Elektronik-Fachhändler in der Bestenliste vertreten. Mit einem Umsatz von 471,8 Millionen Euro im Jahr 2016 schafft er es auf Rang 8. Auf diesem Platz landete er auch im Vorjahr.
Platz 7 geht mit einem Umsatz von rund 517,4 Millionen Euro an cyberport.
Mit einem Umsatz von 532,8 Millionen Euro landet der Versandhandel von Media Markt auf Rang 6.
Der Umsatz des Onlinegeschäfts von bonprix lag bei über 586,6 Millionen Euro.
Die AG notebooksbilliger.de, die neben Laptops auch Smartphones, Tablets und PCs vertreibt, hat 2016 706,6 Millionen Euro erwirtschaftet und landet damit auf Platz vier.
Das kann Zalando noch übertreffen. Mit einem Umsatz von rund 1,1218 Milliarden Euro im Jahr 2016 landet der Onlinehändler für Mode auf Platz drei.
Otto setzte 2,7434 Milliarden Euro um.
Mit einem Umsatz von 8,1229 Milliarden Euro im Jahr 2016 ist der börsennotierte Online-Versandhändler amazon.de unangefochtener Spitzenreiter.
4. Kooperationen: Teile und herrsche, lässt sich ein Grundprinzip von Amazon umschreiben. Amazon stellt anderen Händlern seine Plattform zur Verfügung, um eigene Ware loszuschlagen und vermietet die Rechenleistung seiner Server an andere Unternehmen. Allein in Deutschland nutzen 330.000 Unternehmen und Einzelkämpfer derlei Services. Sie bescheren Amazon nicht nur zusätzliche Einnahmen, sondern steigern zugleich das Produktangebot auf der Seite und geben dem Konzern Hinweise auf neue Trends.
Nur Edeka und Rewe erzielen mehr Umsatz
Der Erfolg der Vierfachstrategie dürfte sich in den kommenden Jahren in den Bilanzen des Online-Giganten niederschlagen. Nach Daten des Marktforschers Planet Retail, die der WirtschaftsWoche vorliegen, ist ein Ende des Siegeszugs jedenfalls nicht in Sicht. Im Gegenteil: „Amazon wird nach unseren Prognosen in den kommenden Jahren in Deutschland weiter zweistellig wachsen", sagt Planet-Retail-Experte Boris Planer. „Inklusive der Verkäufe von Drittanbietern über den Amazon-Marketplace ist der Konzern schon heute Deutschlands sechstgrößter Händler und wird sich bis 2022 auf Platz drei vorarbeiten", so Planer. Nur die Supermarktketten Edeka und Rewe würden dann in Deutschland noch mehr Umsatz erzielen.
Den Aufstieg in Deutschlands erste Handelsliga lässt sich der Konzern einiges kosten. "Seit 2010 haben wir hierzulande acht Milliarden Euro in Anlagen und Infrastruktur investiert", sagte Deutschlandchef Ralf Kleber der WirtschaftsWoche. Amazon zählt damit zu den größten ausländischen Investoren in Deutschland. "Allein dieses Jahr werden wir hier 2000 Arbeitsplätze schaffen und somit bis Ende 2017 rund 16.500 Mitarbeiter beschäftigen", kündigt Kleber an. Die zusätzlichen Leute kann er gut gebrauchen, schließlich hat sich sein Chef Bezos gerade den größten Brocken im Handel vorgeknöpft: das milliardenschwere Geschäft mit Lebensmitteln - und Kleber soll für ihn den deutschen Markt aufmischen.
Der Start des Lebensmittellieferdienstes Fresh vor wenigen Wochen in Berlin und Potsdam gab bereits einen Vorgeschmack. Kleber will Amazon Fresh nun „auch in weiteren Regionen Deutschlands verfügbar machen“. In den nächsten Wochen könnte München folgen, heißt es in der Branche. Auch das Ruhrgebiet mit Städten wie Bochum und Dortmund gilt als Fresh-Kandidat. Das „positive Feedback der Kunden“ in Berlin bestätige den Kurs, sagt Kleber.
In den USA geht der Konzern noch einen Schritt weiter. Erst vor wenigen Wochen versetzte Bezos die Aktienmärkte mit seiner Ankündigung in Wallung, die US-Feinkostkette Whole Foods zu übernehmen. Kaum war die Nachricht raus, begann bei der Konkurrenz der Ausverkauf: Rund 30 Milliarden Dollar Marktwert vernichtete Bezos' Coup bei den Konkurrenten, Aktienanalysten sprachen von einem „Erdbeben“ im Brot-und-Butter-Business.
Denn der Deal könnte die Spielregeln in dem Milliardenmarkt völlig neu schreiben. Die 1980 in Texas gegründete Bio-Supermarktkette betreibt 431 Märkte vornehmlich in den USA, aber auch Kanada und Großbritannien. Deren Lage in amerikanischen Innenstädten ist ganz auf ihre gutverdienende Kundschaft ausgerichtet, die sich ihre exorbitanten Preise leisten können. Eine ideale Klientel Amazon, das viele seiner Abholstationen bereits direkt an Supermärkten eingerichtet hat. Whole Foods passt damit in die Logistik-Offensive des Online-Konzerns, der in vielen US-Großstädten wie auch in Deutschland mittlerweile die Lieferung seiner Waren am gleichen Tag oder sogar innerhalb von wenigen Stunden offeriert.
Was Sie schon immer einmal von Alexa wissen wollten…
Nehmen wir an, Sie bekommen keine Orwell´schen Albträume davon, sich ein Mikrofon in die Wohnung zu holen und kaufen sich einen Amazon Echo. Sie haben das Gerät ausgepackt und wollen starten. Werkseitig eingestellt ist das „Wecksignal“ für Alexa – „Alexa“. Erst wenn sie dieses Zauberwort ausgesprochen haben, können Sie starten.
Zusatzinfo für Star-Trek-Fans: Man kann dieses „Weckwort“ ändern – neben „Echo“ und „Amazon“ geht auch „Computer“ – der Begriff, den auch Captain Picard benutzte, wenn er den Bordcomputer der Enterprise bedienen wollte. Dieser soll als Vorbild für Alexa gedient haben.
Alexa verfügt, wie etwa Microsoft Windows, über verschiedene Nutzerkonten (Haushaltsprofile) beziehungsweise –Profile. Das macht durchaus Sinn, etwa bei nutzerspezifischen Vorlieben wie etwa Musik: Wenn Sie gerne Verdi, Ihre Tochter aber lieber Heavy Metal hören (Alexa greift auf Ihre Amazon-Music-Dateien oder, mit dem entsprechenden Skill, etwa auch auf Spotify zu), oder Sie und ihr Partner einen völlig unterschiedlichen Literaturgeschmack haben (Alexa verwaltet auch Ihre Hörbücher). Da der Nutzer über Alexa auch bei Amazon einkaufen kann, können außerdem mehrere Amazon-Profile hinterlegt werden, damit etwa das neue Kollegah-Album Ihres Sohnes nicht über Ihr Konto abgerechnet wird. Sie können Alexa fragen: „Welches Profil ist das?“ oder ihr den Befehl geben, die Konten zu wechseln: „Wechsle die Konten.“
A propos Musik: Hier liegt eine der großen Stärken von Alexa. Sie können die Musikwiedergabe steuern: „Alexa, Wiedergabe.“, „Stopp.“, „Zurück.“, „Pause“, „Weiter.“ (und so weiter). Aber auch raffiniertere Fragen kann Alexa beantworten: Zum Beispiel „Alexa, was läuft gerade?“, „Mach lauter“, „Mach leiser“ oder „Alexa, stelle einen Sleeptimer in 20 Minuten.“
Alexa hat Zugriff auf Amazon Prime Music, auch hierfür gibt es Befehle: „Spiele etwas Prime Music zur Entspannung.“, oder „Spiele Prime Music zum Tanzen.“ Nicht nur Musikstimmungen erkennt Alexa, auch Musikgenres können gezielt angesteuert werden: „Spiele Jazz von Prime Music.“ Alexa hat allerdings nicht nur Zugriff auf Prime Music, auch Internetradiosender und Musikstreamingdienst Spotify können angesteuert werden: „Spiele ‚Pop‘ von Spotify.“
Auch Hörbücher - von Audible - kann Alexa abspielen: „Spiele das Hörbuch ab.“, „Nächstes / Vorheriges Kapitel.“, „Gehe zu Kapitel 3.“, „Mein Hörbuch fortsetzen.“
Für deutsche Echo-Käufer unter den vielen Sportligen, zu denen Alexa Infos bereithält, wohl besonders interessant: die Bundesliga. Zulässig sind hier Fragen wie „Wie ist das Spielergebnis von Schalke gegen Dortmund?“, „Wie steht es gerade bei ‚Mönchengladbach gegen den HSV‘?“, „Hat RB Leipzig gewonnen?“
Wenn Sie Alexa verraten, wo Sie arbeiten und wie Sie normalerweise dort hinkommen, hilft sie Ihnen, pünktlich da zu sein. Dann können Sie das Programm nämlich fragen: „Wie ist der Verkehr?“. Wenn Alexa Stau auf Ihrer Strecke meldet, können Sie den dann einfach umfahren – oder auf Bus und Bahn umsteigen – natürlich erst, nachdem Sie Alexa vorher mit dem passenden Skill nach der günstigsten Fahrplanverbindung gefragt haben.
Wenn Sie entschieden haben, dass Sie eigentlich heute doch viel lieber mit dem Fahrrad zur Arbeit fahren wollen, fragen Sie Alexa einfach nach dem Wetter: „Wie ist das Wetter in fünf Stunden?“. Natürlich funktioniert die Vorhersage nicht nur für den gleichen Tag: “Wird es morgen schneien?“, „Wie ist das Wetter in Köln?“ oder „Wird es am Sonntag regnen?“ funktionieren auch.
Auch über die neuesten Nachrichten kann Alexa Sie informieren – etwa via „Was gibt es Neues?“ oder „Was ist in den Nachrichten“? Wem das nicht reicht, der kann Alexas Informationsquelle über die Skills verschiedener Medien auch personalisieren.
Gut, Sie sind jetzt über die Nachrichtenlage gebrieft, wissen, wie Sie am besten zur Arbeit kommen und ob Sie Gummistiefel anziehen müssen, weil es regnet. Passende Musik oder ein Hörbuch haben Sie für den Arbeitsweg auch dabei. Aber was steht heute eigentlich alles an? Fragen Sie doch Alexa! „Alexa, was steht in meinem Kalender?“, „Alexa, füge meinem Kalender „Einkaufen“ für Freitag, den 17. Februar um 18:00 Uhr hinzu.“
Auch beim Einkaufen kann Alexa Ihnen helfen. Sie fährt zwar nicht für Sie zu Rewe (oder Edeka), aber Sie können mit ihr eine Einkaufsliste erstellen, diese ergänzen oder Dinge daraus streichen: „Füge ‚Wein‘ zur Einkaufsliste hinzu.“ Und natürlich können Sie Alexa fragen, was Sie sich notiert haben: „Was steht auf meiner Einkaufsliste?“ Auch andere Aufgaben hält Alexa für Sie fest – etwa, dass Sie Ihrer Frau noch einen Blumenstrauß zum Hochzeitstag besorgen sollten. In dem Fall wäre es allerdings gut, wenn Sie die Kontenverwaltung bereits beherrschen – sonst setzen Sie das nämlich noch aus Versehen auf die Aufgabenliste Ihrer Frau.
Gut, dass Sie an den Hochzeitstag gedacht haben – oder Alexa gebeten haben, Ihnen das heutige Datum zu nennen („Wie lautet das Datum?“). Das kann sie nämlich auch, genauso, wie Sie um eine bestimmte Uhrzeit zu wecken („Stelle den Wecker auf 06:00 Uhr.“), dabei zwischen Wochenende und Arbeitswoche zu unterscheiden („Stelle den Wochenendwecker auf 9:00 Uhr.“), und Ihnen mitzuteilen, auf wie viel Uhr Sie den Wecker gestellt haben („Für welche Uhrzeit ist mein Wecker gestellt?“.
Um beim Hochzeitstag zu bleiben: Wie wäre es abends mit etwas romantischer Stimmung? Alexa kann – vorausgesetzt, sie ist mit anderen intelligenten Geräten in Ihrem Haushalt vernetzt – zum Beispiel das Licht dimmen („Dimme das Licht im Esszimmer auf 50 Prozent“), die Kaffeemaschine einschalten („Schalte die Kaffeemaschine ein.“) oder die Temperatur in der Diele senken („Stelle die Dielentemperatur auf 18 Grad“)
Wenig überraschend: Mit Alexa können Sie auch einkaufen – ich erspare Ihnen jetzt die Fortführung mit dem Hochzeitstags-Beispiel und Schmuck für Ihre Frau. Wobei – es passt gerade so schön: Sie haben also etwas Hübsches gefunden. Sagen Sie Alexa einfach „Füge Diamantcollier zu meinem Einkaufswagen hinzu“ und „bestelle“.
Alexa kann noch viel mehr als Nachrichten vorlesen oder Einkäufe bei Amazon tätigen: Man kann ihr Wissensfragen stellen, die sie dann prompt nachschlägt. Frei nach dem Motto: „Man muss nicht alles wissen, man muss nur wissen, wie man Alexa danach fragt“. Beispielfragen wäre etwa: „Alexa, warum ist der Himmel blau?“, „Alexa, wie hoch ist die Zugspitze?“, „Alexa, was ist die Hauptstadt von Australien?“, „Alexa, wie weit ist es von hier bis Wien?“, „Alexa, was ist die Definition von paradox?“, „Alexa, wann geht heute die Sonne auf?“, „Alexa, was ist der neueste Film von Quentin Tarantino?“, „Alexa, was ist die IMDb-Bewertung für Jupiter Ascending?“
Wird der Deal von den US-Wettbewerbshütern genehmigt, steigt Amazon aus dem Stand zur fünftgrößten Supermarktkette der USA auf, mit einem Marktanteil von etwa 3,5 Prozent. Branchenprimus ist die Supermarktkette Kroger aus Cincinnati mit einem Umsatz von 115 Milliarden Dollar. Mit seiner Expansion in den Lebensmittelhandel sucht Bezos nicht nur die Konfrontation mit Walmart, Safeway, Target und Kroger, sondern auch mit Aldi und Lidl, die gerade ihr Ladennetz in den USA erweitern.
Ohnehin sind die US-Händler ob der Amazon-Experimente im Lebensmittelhandel alarmiert. Sechs Kilometer nördlich vom neuen Hauptquartier, in Seattle Ballards Viertel, testet der Konzern seit Ende Mai „Amazon Fresh Pickup“, wo seine Kunden Lebensmittel innerhalb von 15 Minuten nach Online-Bestellung selbst abholen können.
Walmarts Wettstreit mit Amazon
Die an einem Parkplatz gelegene Abholstation wirkt von Weitem wie ein Starbucks-Cafe. Nur dass an der Fassade das leuchtend grüne „Amazon Fresh Pickup“ Logo prangt. Direkt daneben befinden sich die Abholinseln, die wie eine angeschlossene Tankstelle aussehen.
Statt Zapfsäulen stehen dort Amazon-Mitarbeiter in grünen Kittelschürzen mit Papptüten voller Bestellungen. Alle paar Minuten fahren neue Kunden vor und lassen sich die Tüten in den Kofferraum hieven. Es ist eine von zwei Abholstationen - eine weitere befindet sich südlich von Seattles Innenstadt – die als Blaupause für das Ausrollen in weiteren US-Großstädten genutzt werden sollen.
Eilig reagierte Wal-Mart-Chef DougMcMillon mit einem eigenen Projekt. „Wir werden mit Technologie konkurrieren, aber mit unseren Mitarbeitern gewinnen“, schmetterte McMillion auf seiner Aktionärsversammlung Anfang Juni in Fayetteville im US-Bundesstaat Arkansas.
Nützlich und absurd: Die Amazon Skills
Amazons Alexa lässt sich erweitern – mit Zusatzprogrammen, den sogenannten Skills - im Prinzip Apps, mit denen Alexa interagieren kann. Erhältlich sind die Erweiterungen über die Alexa App, für die Installation sind nur wenige Schritte nötig. Wir haben aus den wichtigsten Kategorien eine Auswahl zusammengestellt.
Nachrichten-Skills gibt es bei Amazon unter anderem von der WirtschaftsWoche, BBC, Bild, Spiegel Online, der Welt, Heise, dem Kicker oder der NZZ. Der Nutzer kann sich so sein persönliches Nachrichtenprogramm zusammenstellen, das über die Befehle „Alexa, was ist meine tägliche Zusammenfassung?“ oder „Alexa, was sind die Nachrichten?“ gestartet wird.
Auch das Satiremagazin Postillion sowie Nachrichtenangebote, die eher regional von Interesse sein dürften, finden sich: Die Freiwillige Feuerwehr Pinneberg („Alexa, frage Feuerwehr Pinneberg nach dem letzten Einsatz“) gibt es etwa als Skill.
Anfang 2017 die umfassendste Kategorie im Bereich der Amazon Skills. Es gibt etwa ein Rollenspiel („Goblinraub“ aus dem „Das-schwarze-Auge“-Universum), schlicht gestartet mit „Alexa, starte Rollenspiel“. Auch Quizze und Rate-Skills gibt es zuhauf. Darunter ein Berlin-Quiz, ein Tier-Quiz und „Stadt, Land, Fluss“. „Katzen-Infos“ soll „interessante, verblüffende und lustige Katzen-Fakten“ ausspucken. „Kina Kunu“ übersetzt, analog zu dem Lied „Drei Chinesen mit dem Kontrabass“ des Nutzers auf „kunusisch“. Der „Namen Finder“ bewirbt sich selbst mit „Lass dir zufällig ausgewählte Namen für dein Kind oder Haustier vorschlagen.“ Alles klar: „Alexa, frage Namen-Finder wie ich mein Baby nennen soll.“
Aber auch tendenziell nützliche Skills gibt es hier: Etwa Mathematik-Rätsel („Alexa, öffne Mathe Knobelaufgaben“) oder einen Saisonkalender für Obst und Gemüse (Obst- bzw. Gemüse-Nerd: „Sind Äpfel gerade frisch?“, „Sind Erbsen gerade frisch?“).
Neben diversen Nachschlage- und Fakten-Skills zu (deutschen) Städten und verschiedenen Staaten gibt es auch in dieser Kategorie ein breites Spektrum an Programmen, manche im Alltag mehr, manche weniger nützlich. So gibt es neben dem Fleckentferner ("Alexa, frag Fleckentferner wie ich Kaffeeflecken entferne", "Wie entferne ich Weinflecken?") auch Fakten über Wasserball (Wasserball Geek). Wer sich mit weniger psychologischen Themen auseinandersetzen möchte, findet aber auch in dieser Kategorie Katzen- (und Pferde-)-Fakten-Skills und diverse Programme für ausgewählte Tageszitate.
Wo stehen Goethe-Zitate direkt zwischen dem „Pups-Generator“ und Chuck-Norris-Fan-Witzen? Richtig: Unter „Neuheiten & Humor“ im Alexa-Skill-Bereich bei Amazon. (Ja, die Skills machen alle das, was Sie denken). Hier kann man sich aber auch von Alexa schmeicheln lassen: Mit „Kompliment mich“ erzählt Alexa dem Nutzer etwas Nettes, etwa „Du bist so klug!“. Außerdem kann die „Magische Miesmuschel“ um Rat gefragt werden – und ebenso „Kein Bier vor Vier“; der dazugehörige Befehl: "Alexa, frag ‚Kein Bier vor Vier‘ ob ich jetzt schon Bier trinken kann". Witze erzählt Alexa dem Nutzer etwa mit dem Flachwitz-Skill: "Alexa öffne Flachwitz" oder der „Witze-Box“. Die neuesten Verschwörungstheorien liefert „Der mächtige Aluhut“: „Alexa, frage ‚Mächtiger Aluhut‘ nach der Wahrheit".
Hier findet sich etwa ein Skill für muslimische Gebetszeiten in München („Alexa, frage ‚Mein Muslim‘ nach dem Nachmittagsgebet“), einer für Diabetiker („Alexa, öffne Broteinheit“) oder auch eine Entscheidungshilfe, welches Haustier man sich anschaffen sollte („Alexa, starte Haustierentscheidung“). Überhaupt, Entscheidungshilfen sind populär: Alexa hilft mit dem passenden Skill auch bei der Suche nach dem richtigen Longdrink oder Gin („Empfiehl mir einen Gin“/ „Alexa, starte ‚Welchen Longdrink soll ich trinken?‘) wie auch bei der Wahl der nächsten Mahlzeit („Alexa, öffne ‚Was soll ich kochen?‘). Aber auch Rezept-Skills sind hier zu finden: Etwa von Chefkoch („Alexa, sage Chefkoch, ich hätte gerne Pasta-Rezepte“) oder „Kitchen Stories“ ("Alexa, frage ‚Kitchen Stories‘ nach einem vegetarischen Rezept") Außerdem dabei: Ein Schwangerschaftsguide der Zeitschrift „Eltern“ und der „Gala“-Skill mit Wissenstests über Stars und Sternchen.
Hier kann Alexa zeigen, was sie kann – wenn sie die richtigen Skills hat und der Nutzer im Besitz der passenden Geräte ist: So kann Alexa etwa die Uhr „LaMetric Time“ die Wettervorhersage anzeigen lassen, „Lightify“ ist ein Skill von Osram, der mit passender Hardware auf folgende Befehle wie „Alexa, schalte Schlafzimmer ein“, „Alexa, dimme die Küche“ reagiert – und mit „Philipps Hue“ lassen sich direkt ganze Lichtstimmungen programmieren. Auch RWE-Tochter innogy hat einen Skill zur Smart-Home-Steuerung entwickelt: „Alexa, stelle das Raumklima Wohnzimmer auf 23°C“, „Alexa, schalte die Deckenleuchte Wohnzimmer ein“, „Alexa, stelle die Rollläden im Wohnzimmer auf 40%“.
Hier finden sich ziemlich unterschiedliche Skills. Metal-Fans können sich über den „Wacken-Countdown“ freuen. Alexa hält einen mit diesem Skill immer auf dem Laufenden, wie lange es noch dauert, bis endlich wieder im Matsch gefeiert werden kann. Aber auch Motivations-Skills finden sich hier („Alexa, frage ‚Mutmacher‘ nach etwas Motivierendem.“) sowie Mondphasen-Programme; außerdem Zufalls-Zahlen-Generatoren. Interessant für Nutzer mit Home-Office: Der Zeiterfassungs-Skill, ein Timer, der bei der Erfassung der Arbeitszeiten hilft.
Alexa scheint bei Studenten beliebt zu sein: Neben diversen ÖPNV-Angeboten (s.u.) finden sich unter „Lokales“ Skills für die Speisepläne der Mensa in Aachen („Alexa, frage ‚Mensa Aachen‘, was es in der Mensa Academica am Montag zu essen gibt“), der TH Brandenburg oder in Dresden. „OmNomNom“ verspricht, gleich die Speisepläne verschiedener Mensen deutscher Hochschulen zu kennen.
Wohl eine Kategorie, deren Nutzen direkt einleuchtet: Wer in Eile ist, kann sich über diverse Fahrplanauskunftsskills über die beste Bus- oder Bahnverbindung informieren, ohne Zeit zu verlieren, indem er dafür erst den PC hochfahren oder umständlich am Smartphone herumnesteln muss. Es gibt diverse Skills für den ÖPNV einzelner Städte, außerdem MyTaxi („Alexa, ruf mir ein Taxi mit mytaxi“). „Aufzug Info Berlin“ informiert auf Anfrage darüber, an welchen Stationen des öffentlichen Nahverkehrs in Berlin die Aufzüge nicht funktionieren. Auch die Deutsche Bahn als überregionaler Anbieter ist dabei. Zulässige Fragen an den Bahn-Skill wären etwa: „Alexa, frage ‚Deutsche Bahn‘ nach einer Verbindung von Hamburg nach Köln morgen um 12 Uhr.“
In dieser Kategorie gibt es vor allem drei Arten von Skills: Die Mensa-Speisepläne (s. o.), Entscheidungshilfen (s.o.) sowie Rezeptsammlungen à la Chefkoch (s.o.).
Hier finden sich größtenteils Zahlengeneratoren („Alexa, frag ‚Zufällige Zahl‘ nach einer Zufallszahl“), aber auch Postleitzahlenfinder („Alexa frag, Postleitzahl Finder‘ nach 99425) sowie ein Skill für den jeweils aktuellen Gold- und Silberkurs: Alexa, frage ‚metall kurs‘ was ist der aktuelle Preis für fünf Kilo Silber“.
Hier finden sich neben diversen Skills mit Infos zu Bundesliga-Vereinen und deren nächsten Spielen („NächstesBorussenSpiel“) auch „Sky Sports“ und die altehrwürdige „Sportschau“. „binspeak Fußball Bundesliga“ und „toralarm“ informieren über die Bundesliga.
Alexa kann mit den passenden Skills die Programmzeitschrift ersetzen („Alexa, frage ‚Deutsches Fernsehprogramm‘ was gerade auf ZDF läuft“), aber auch beim Gang ins Kino unterstützen („Alexa, frage ‚Kino Bonn‘ nach einer Empfehlung für morgen Abend“). Auch eher speziellere Fragen kann man Alexa stellen – zum Beispiel als Star-Trek-Fan: „Neue Sternzeit“ hilft beim Logbuch schreiben: „Alexa, frage ‚Neue Sternzeit‘: Welche Sternzeit ist jetzt?"
Musik: Alexa funktioniert mit Skills einiger Radiosender (Antenne Bayern: „Alexa, spiele Alpensound von Antenne Bayern“, „Alexa, starte den Radioplayer und spiele RTL Radio“) und listet auf Anfrage die Musikcharts auf.
Die Kategorie Gesundheit und Fitness kann mit hilfreichen Skills aufwarten: Etwa dem „Verbandskasten“, den der Nutzer fragen kann, was etwa bei einem Herzinfarkt zu tun ist. Auch einen Skill für die Notdienste der Apotheken gibt es: „Apotheken Info“.
Im Bereich Wirtschaft und Finanzen findet man etwa Skills zu Wechselkursen („Alexa, frag ‚Wechsel Stube‘: Was ist der Wechselkurs von Pfund auf Yen?“, „Alexa, frage ‚BitTrade‘ nach dem Bitcoinkurs"). Die Kategorie Vernetztes Auto bietet einige Programme für Kennzeichensuche wie „Alexa frage Kennzeichen Deutschland nach Kennzeichen M“, aber auch den Skill „BMW Connected“, mit dem man über Alexa zum Beispiel das Auto verschließen kann (wenn es denn ein BMW ist): "Alexa, verriegele die Türen vom BMW".
Dort stellte sein neuer Online-Handelschef Marc Lore einen Service vor, den Walmart derzeit in Miami, Denver und Phoenix offeriert. Walmart-Kunden ordern dort online Lebensmittel, müssen allerdings nicht selber vorfahren, sondern können sich das gewünschte Sortiment von einem Uber oder Lyft-Fahrer zu Hause vorbeibringen lassen.
Es ist Lores erster großer Aufschlag in Walmarts Wettstreit mit Amazon. Im August erwarb Walmart für 3,3 Milliarden Dollar seinen Online-Händler Jet.com, vor allem wegen Lores Expertise. Denn dieser weiß wie Bezos tickt. Für 545 Millionen Dollar hatte der Amazon-Gründer Anfang der Dekade Lores erstes großes Start-up, den Windel-Vermarkter Quidsi übernommen. Ursprünglich wollten Lore und sein Mitgründer Vinit Bharara nicht verkaufen.
Doch Bezos konterte mit einem ruinösen Preiskampf und setzte sich schließlich durch. Teil des Kaufvertrages war, dass die Quidsi-Gründer für mindestens anderthalb Jahre für Amazon arbeiten mussten. Kurz danach verließ das Duo Amazon. Lore gründete Jet.com, dass ihn noch vermögender machen sollte. „Ich habe nichts gegen Jeff“, sagt Lore. Schließlich hat der Mann ihn reich gemacht. Trotzdem hat er diebische Freude daran, Bezos über seinen neuen Arbeitgeber Walmart die Suppe zu versalzen.
Er soll auch hinter der Idee stecken, Amazon wichtigste strategische Waffe zu attackieren. Mittels Amazon Web Services vermietet Amazon Rechenkapazität an Unternehmen, eine wahre Goldmine, die derzeit fast den gesamten Profit des Konzerns erwirtschaftet. Walmart hat hinter den Kulissen seine Zulieferer aufgefordert, stattdessen konkurrierende Dienstleister wie Microsoft, Google oder IBM zu nutzen – und so vielleicht doch noch dafür zu sorgen, dass in Bezos Reich dereinst Tag 2 anbricht.
Alarm im Einzelhandel: Mehr über die Macht von Amazon erfahren Sie in der neuen WirtschaftsWoche (Ausgabe 29). Mit dem WiWo-Digitalpass erhalten Sie die neue Ausgabe bereits am Donnerstagabend in der App oder als eMagazin. Alle Abo-Varianten finden Sie auf unserer Info-Seite.