Online-Handel China im virtuellen Kaufrausch der Superlative

Die Chinesen erleben am „Tag des Singles“ die vermutlich größte Kauforgie aller Zeiten. Alibaba macht diesmal den virtuellen Kaufhausbesuch massentauglich. Chinesen shoppen in 360-Grad in Paris, New York und Tokio.

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Der Online-Händler meldete am Freitag, in den ersten fünf Minuten des „Single-Tages“ habe der Umsatz bereits in den ersten fünfeinhalb Minuten mehr als eine Milliarde Dollar (920 Millionen Euro) erreicht. Quelle: Reuters

Peking Es wirkt wie ein normales Wohnzimmer. Aber der Raum in der virtuellen Einkaufslandschaft von Alibaba ist nur ein Vorgeschmack auf eine neue Form von Kauferlebnis. In dem am Computer entworfenen Zimmer hängen Bilder an der weißen Wand, die Kaufhäuser in der ganzen Welt zeigen: Paris, New York, London und Tokio. Ein Besuch ist nur einen Klick weit entfernt.

Pünktlich zum wichtigsten Einkaufstag des Jahres in China, dem „Tag des Singles“, hat Alibaba eine künstliche Einkaufswelt entwickelt. Die virtuelle Realität sollt dem Online-Giganten dabei helfen, die Zahl der Rücksendungen zu reduzieren, und mehr Kundinnen und Kunden zu digitalen Einkaufszügen zu bewegen.

Alibaba hat das System so ausgelegt, dass keine teuren VR-Brillen nötig sind. Jedes moderne Smartphone unterstützt die virtuellen Landschaften. „Das Verhalten unserer Kunden ändert sich. Der Einkauf wird immer stärker zu einem Erlebnis“, sagte Alibabas CEO Daniel Zhang.

Die Idee ist nicht neu. Händler auf der ganzen Welt experimentieren mit virtuellen Rundgängen durch das Produktangebot. Zuletzt hatte Ikea ein Pilotprojekt gestartet, in dem sich Kunden virtuell durch Küchenlandschaften bewegen können. „Virtuelle Realität entwickelt sich schnell, und in fünf bis zehn Jahren wird es ein integrierter Bestandteil unseres Lebens sein“, sagte Ikea-Manager Jesper Brodin bei der Vorstellung des Projektes.

Doch außer Amazon hat kein Händler die Kundenmassen von Alibaba mit 400 Millionen aktiven Nutzern und einem Kaufrausch wie dem 11. November in China. Der Kauforgie zum 11. November geht auf einen Marketingcoup von Alibaba zurück. Schon Jahre zuvor hatten chinesische Studierende den 11.11. zum „Anti-Valentinstag“ erklärt. Die vier Einsen stehen für das Dasein als Single.

Alibaba griff die Tradition 2009 auf und erklärte den 11. November zum Tag für Singles, die sich mit neuen Produkten verwöhnen wollen. Heute ist der Tag ein Massenphänomen: In den 24 Stunden geben die chinesischen Konsumenten mehr aus als die US-Bürger an den fünf Tagen von Thanksgiving bis Cyber Monday, dem Höhepunkt für Online-Shopper in den Vereinigten Staaten. Viele Händler im Internet locken die Kunden dabei mit Sonderangeboten im Weihnachtsgeschäft. Doch Alibaba ist und bleibt Marktführer.


Alibaba könnte VR-Shopping zum Durchbruch verhelfen

In diesem Jahr erwartet das Unternehmen einen neuen Rekord. Schon in den ersten fünfeinhalb Minuten am Freitagmorgen verzeichnete der Händler Käufe über seine Plattformen im Wert von umgerechnet einer Milliarde Dollar. In der ersten Stunde waren es bereits 5,2 Milliarden Dollar. Fast 85 Prozent der Käufe werden über die Smartphone-App getätigt.

In diesem Jahr startete Alibaba den Tag mit einer Gala-Veranstaltung in Shenzhen. Unter den zahlreichen Stars aus China und dem Ausland waren auch der US-Basketballstar Kobe Briant und die Pop-Rock-Band One Republic.

Im virtuellen Kaufhaus von Alibaba geht es per Klick nach Tokio. In einer kurzen Zwischensequenz findet sich der Kunde im Waggon einer Eisenbahn wieder. Die Landschaft zieht an den Fensterscheiben vorbei. Und dann folgt auch schon die nächste Einstellung: die Innenstadt von Tokio. Per Klick lassen sich Geschäfte auswählen, Kunden können an den Regalen vorbeiziehen und sich einzelne Produkte im Detail ansehen. Virtuelle Umkleidekabinen sollen helfen, die Kleidung in der passenden Größe und Form auszuwählen.

Alibaba sei das erste Unternehmen der Welt, das ein Einkaufserlebnis komplett virtuell anbieten könnte, behauptete das Unternehmen. Doch Analysten trauen der Firma zu, VR-Shopping zum Durchbruch zu verhelfen. „Neue Techniken ermöglichen komplett neue Arten des Einkaufens“, prognostiziert Tian X. Hou vom Pekinger Analysehaus TH Data Capital.

Zudem steht Alibaba insgesamt gut da. Der Umsatz schoss im dritten Quartal um 55 Prozent in die Höhe auf umgerechnet rund 4,6 Milliarden Euro (34,3 Milliarden Yuan). Damit lag das Unternehmen deutlich oberhalb der Prognose von Analysten. Zum Vergleich: Amazon hatte seinen Quartalsumsatz um fast ein Drittel auf umgerechnet rund 30 Milliarden Euro gesteigert. Damit liegt der US-Konkurrent zwar noch deutlich vorne, doch Alibaba holt auf.

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