Online-Handel Der Weihnachtsbaum aus dem Netz

Harz an den Händen, Nadeln im Auto, Streit mit dem Partner – der Tannenbaumkauf ist alles andere als besinnlich. Immer mehr Online-Händler machen daraus ein Geschäft. Und werden zu Konkurrenz für die Straßenhändler.

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Immer mehr Kunden bestellen ihre Tanne im Netz. Quelle: dpa

Eslohe Für Anna Kracht zählt an diesem Morgen jede Minute. Mit Tablet, Scangerät und Smartphone in ihren Händen läuft sie mitten im Sauerland durch eine holzvertäfelte Halle in der Größe eines Tennisplatzes. Die breite Fensterfront gibt die Sicht auf eine verschneite Reitanlage frei. Emsig packen Mitarbeiter Weihnachtsbäume in Kartons. Die 38-Jährige Kracht prüft Paket für Paket und gibt Anweisungen. Kurz darauf fährt schon ein Lastwagen vor. Auch an diesem Vormittag, zwei Wochen vor Heiligabend, müssen Kracht und ihre Mitarbeiter 200 Tannenbäume verladen. „Wir sind seit ein paar Jahren an der Kapazitätsgrenze“, sagt Kracht und atmet erst einmal durch.

Gemeinsam mit ihrem Mann und ihrem Schwager vertreibt sie Weihnachtsbäume über das Internet. Mit knapp 50 Tannen fing es an, in diesem Jahr verschicken sie 4.500 – einige bereits dekoriert. Das Geschäft mit den Weihnachtsbäumen ist ebenso umkämpft wie lukrativ. Rund 700 Millionen Euro werden hierzulande jedes Jahr umgesetzt, schätzen Branchenvertreter. Demnach wurden im vergangenen Jahr 29,5 Millionen Weihnachtsbäume verkauft.

Umgeben von Bauzäunen bieten Händler überall im Land am Straßenrand und in Innenstädten Nordmanntannen und Blaufichten an. 30 Prozent der Deutschen suchen sich so ihren Baum aus, wie eine Kundenbefragung des Bundesverbands der Weihnachtsbaumerzeuger zeigt. Ähnlich viele Menschen kaufen demnach bei Supermärkten, Discountern und Baumärkten sowie rund ein Viertel direkt auf den Höfen der Landwirte.

Doch immer mehr Kunden und Händler entdecken nun einen neuen Vertriebsweg – den Weihnachtsbaum aus dem Internet. Noch ist das Ganze zwar eine Nische. „Doch das Rundum-Sorglos-Paket wird immer beliebter“, heißt es beim Bundesverband der Weihnachtsbaumerzeuger. Im Internet gibt es die ganze Auswahl – vom hüfthohen Bäumchen bis zur ausgewachsenen Nordmanntanne. Bei Familie Kracht kostet ein Baum im Durchschnitt 30 Euro. Fast neun Euro Versand kommen noch oben drauf.


Lohnenswertes Saisongeschäft

Der Wettbewerb im Weihnachtsbaumversandhandel nimmt allmählich zu. Händlerin Kracht gehörte vor 20 Jahren zu den ersten Online-Anbietern. Mittlerweile muss sie gegen rund ein Dutzend Konkurrenten bestehen. „Viele versuchen, auf den Zug aufzuspringen, geben aber nach ein, zwei Jahren wieder auf“, sagt sie. Marketing und Logistik seien nicht mit Großhandel und Straßenverkauf vergleichbar. Dennoch: Für manch kleine Firma ist daraus ein einträgliches Saisongeschäft geworden. Der Sauerländer Online-Baumhändler etwa setzt dieses Jahr rund 150.000 Euro um.

Rund 500 Privatleute haben über den Onlineshop auf weihnachtsbaumversand.de bestellt, der Großteil aber sind Firmenaufträge. Wie jener eines niederländischen Tabakunternehmens, das allein 2.000 Bäume bestellt hat. „Das nutzt den Tannenversand als Anreiz für Mitarbeiter im Vertrieb, und um bei Kunden den Absatz zu erhöhen“, sagt Kracht. Tankstellen und Tabakshops, die besonders viele Zigarren verkaufen, bekommen als Lohn eine Tanne frei Haus.

Derweil blicken die klassischen Händler, etwa im Sauerland, wo sich auf Dutzenden Hektar die größten Nadelbaumplantagen Deutschlands aneinanderreihen, argwöhnisch auf die Wettbewerber im Netz. „Das ist schon eine ernstzunehmende Konkurrenz“, grummelt einer, der auch an diesem Tag bei Schneeregen und eisigem Wind am Rand einer Landstraße auf Kundschaft wartet. „Bei dem Wetter kommt eh kaum jemand“, klagt er. „Und einige Ältere bestellen ihren Baum jetzt lieber im Internet, das ist halt bequemer.“

Kracht setzt darauf, dass dieser Trend anhält. Sie will das Geschäft professionalisieren – und denkt darüber nach, im nächsten Jahr eine Art Verpackungsmaschine anzuschaffen und eine größere Industriehalle zu mieten. „Wir wollen das Geschäft weiter ausbauen und auf ein anderes Level bringen“, sagt Kracht, während sie rote Kunststoffkugeln an eine Tanne hängt. Viel Zeit bleibt ihr fürs Schmücken nicht. Denn schon morgen Vormittag kommt der nächste Lkw.

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