Online-Handel Zalandos größter Rivale

Die Online-Schuhhändler Zalando aus Berlin und Spartoo aus Grenoble kämpfen um die Marktführerschaft in Europa – teuer und mit Vollgas die Deutschen, eher dezent die Franzosen.

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Spartoo-Chef Saragaglia Quelle: Pressebild

Ganz Europa erobern – als Boris Saragaglia im Sommer 2006 in seiner winzigen Pariser Studentenbude sein erstes Paket für den Versand schnürte, war das allenfalls ein ferner Traum. Der 23-Jährige hatte gerade sein Internet-Portal spartoo.fr ins Netz gestellt, um Schuhe online zu verkaufen. Auf den Namen kam Saragaglia, indem er die antike griechische Stadt Sparta, wo angeblich die ersten Schuhe in Europa getragen wurden, und die zwei O von Google kombinierte.

Auch mehr als 1000 Kilometer entfernt träumten in Berlin die beiden Uni-Absolventen Robert Gentz und David Schneider im Oktober 2008 nicht gerade vom ganz großen Geschäft. Sie hatten kurz zuvor ihren Online-Schuhshop Zalando freigeschaltet. Ihr Büro diente als Warenlager, der Service lief über ihre Mobiltelefone.

Vorbild für die zwei Startups von der Seine und von der Spree war der 1999 gegründete US-Schuhhändler Zappos, der seit 2009 zum Internet-Giganten Amazon gehört. Und wie in den Staaten ging auch das Kalkül der beiden Nachahmer auf.

Vergangenes Jahr verschickte Spartoo in mehr als zwölf EU-Länder 1,5 Millionen Paar Schuhe und setzte damit rund 100 Millionen Euro um. Auf ihrer Web-Site nennt sich die einstige Internet-Bude, die ihren Sitz inzwischen im französischen Grenoble hat, sogar schon die "Nummer 1 im Online-Schuhhandel".

Das jedoch ist mehr eine Kriegserklärung denn eine Tatsachenbehauptung. Denn Zalando knackte mit seinen Web-Sites, die es in bislang sieben EU-Staaten gibt, sogar die 400-Millionen-Umsatz-Marke. Allerdings verkaufen die Berliner neben Schuhen auch Kleidung, Sportartikel und Heimtextilien wie Bettwäsche.

Unterschiedliche Konkurrenten auf einem riesigen Markt

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Gemeinsam ist beiden Unternehmen, dass sie im Revier des jeweils anderen wildern wollen. Spartoo-Chef Saragaglia möchte in jedem Euro-Land Marktführer im Schuh-Online-Handel werden. Die Zalando-Geschäftsführer Robert Gentz, David Schneider und Rubin Ritter sind ihrerseits auf Expansionskurs und starteten vor wenigen Wochen Lieferungen nach Belgien und Schweden. Bald soll Polen folgen.

Die Strategien der beiden Schuhverkäufer könnten unterschiedlicher kaum sein: Spartoo setzt mit gerade 150 Mitarbeitern auf allmähliches Wachstum. Zalando dagegen treibt seit zwei Jahren die Expansion regelrecht explosionsartig voran und hat schon mehr als 1200 Mitarbeiter. Allein im April kamen 250 neue im Zalando-Hauptquartier, einem ehemaligen Umspannwerk im Berliner Stadtteil Prenzlauer Berg, dazu.

Erfolg vor der Haustür der Konkurrenz

Frauen tragen Schuhe auf einer Schuhmesse Quelle: dpa

Der Markt, auf dem die beiden Online-Versender um die Führerschaft kämpfen, ist riesig. Für Schuhe geben Frauen und Männer in Europa jährlich rund 50 Milliarden Euro aus, für Bekleidung wie Blusen und Hosen investieren sie gar 300 Milliarden Euro. Allein in Deutschland entfallen bereits sechs Prozent der Bekleidungsumsätze auf das Internet, Tendenz steigend.

Die Taktik von Zalando beschreibt Gerrit Heinemann, Professor und Experte für Online-Handel an der Hochschule Niederrhein in Krefeld, als "Internationalisierung auf Knopfdruck". Dank seiner prall gefüllten Kasse könne das Startup den Markt in Europa ein Land nach dem anderen blitzartig aufrollen. Wie viel Geld sie in der Kriegskasse haben, verraten die Berliner nicht. Beobachter gehen von 300 Millionen Euro aus. Das Geld kommt von illustren Investoren, darunter die Tengelmann-Gruppe, der Facebook-Investor Digital Sky Technologies des russischen Dotcom-Finanziers Yuri Milner, Holtzbrinck Ventures sowie die Samwer-Brüder Marc, Oliver und Alexander mit ihrem Berliner Startup-Entwickler Rocket Internet.

Anteile statt Geld

Wie ein Internet-Unternehmen ein Land im Raketentempo erobert, hat Zalando ausgerechnet vor der Haustür von Spartoo in Frankreich gezeigt. Dort starteten die Berliner im Dezember 2010. Ein Jahr später lag der Umsatz bei mehr als 120 Millionen Euro. Die Heimat der Haute Couture ist inzwischen nach Deutschland und den Niederlanden Zalandos drittgrößter Markt.

Vor allem die TV-Werbung habe in Frankreich wie zuvor schon in Deutschland für Wachstum gesorgt, heißt es bei Zalando. Laut den Analysen des Marktforschungsunternehmens Nielsen flimmerten im vergangenen Jahr Zalando-Spots ("Schrei vor Glück") im Wert von mehr als 90 Millionen Euro über deutsche Mattscheiben. In Frankreich kennt den Online-Händler dank der Fernsehspots nach nur einem Jahr schon jeder zweite Franzose.

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Während Zalando jenseits des Rheins richtig Geld in die TV-Werbung steckte, überwies das Unternehmen dafür in Deutschland kaum einen Cent. Die meisten Spots liefen auf Sendern der ProSiebenSat.1-Gruppe, die dafür Anteile an Zalando erhielt. Über die genauen Modalitäten schweigen die Partner.

Trotz des Angriffs gibt sich Spartoo-Chef Saragaglia gelassen. "Wichtig ist nicht der kurzfristige Erfolg, sondern eine nachhaltige Geschäftsstrategie." Und die nimmt er, wenig überraschend, für sich in Anspruch. Viel anderes, als kleine Brötchen zu backen, bleibt Saragaglia auch nicht übrig. Im Kampf um neue Kunden muss Spartoo mit gerade mal 30 Millionen Euro Investitionskapital auskommen – rund einem Zehntel des Zalando-Zasters. Darum sind teure TV-Spots in Grenoble tabu.

Optimiertes Angebot bei Spartoo

Stattdessen setzen die Franzosen auf ausgefeilte Software: Eine Handvoll Mitarbeiter wertet die laufenden Verkaufszahlen in Echtzeit aus. Das Team analysiert, welches Produkt in welchem Land wie oft gekauft wird, wie die Kunden auf die Seite gelangten und wie sich Umsatz und Wachstum entwickeln. Davon ausgehend optimiert Spartoo das Angebot und maximiert den Umsatz. Auf diese Weise und mit einem einstelligen Millionen-Werbebudget schaffte es Spartoo, 2011 europaweit um 70 Prozent zu wachsen.

Amazon für Kleidung und Wohnartikel

Entgegengesetzte Wege gehen die beiden Konkurrenten auch beim Angebot: Während Zalando sein Sortiment seit 2010 durch immer mehr Kleidung und Textilien wie Bettwäsche erweitert, ist Spartoo Spezialist geblieben und bietet neben Schuhen von 615 Herstellern von Adidas bis Zoo York und zehn eigenen Marken allenfalls noch Taschen an. Marktbeobachter mutmaßen, dass in Berlin eine Art Amazon für Kleidung und Wohnartikel entstehen soll. Zalando setzt darauf, dass das größere Angebot die Kundschaft dazu animiert, mehr Geld pro Einkauf auszugeben.

Ob die Strategien der beiden aufgehen, hängt auch von der Qualität ihres Services ab. So häufen sich auf Online-Bewertungsportalen wie Qype die Beschwerden über vertauschte Lieferungen, lange Versanddauer und verlorene Retouren. Zalando macht dafür das "immense Bestellvolumen" verantwortlich. Abhilfe soll ein 170 Millionen Euro teures zentrales Lager schaffen, das gerade in Erfurt entsteht. Über Spartoo gibt es solche Klagen kaum.

Die Franzosen hoffen, in diesem Jahr erstmals schwarze Zahlen zu schreiben, die Berliner wollen vor allem wachsen und streben noch keine Gewinne an. "Solange wir genügend Kundenpotenzial sehen, halten wir das Tempo bei", kündigt Zalando-Geschäftsführer Ritter an. Experten rechnen in diesem Jahr mit einem Umsatz von bis zu einer Milliarde Euro – ein Betrag, von dem Spartoo nur träumen kann.

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