Onlinehandel in Europa „Die Gefahr ist der Onlineshop im Nachbarland“

Die Zahl der Online-Bestellungen über Landesgrenzen hinweg wächst. Händler wittern die Chance auf gute Geschäfte. Doch Experten warnen: Deutsche Unternehmen drohen im Wettbewerb den Anschluss zu verlieren.

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Quelle: imago

Den Actionfilm gibt’s in Österreich auf Deutsch aber ungeschnitten. In England ist ein Videospiel mitunter billiger als hierzulande. Und das Modeangebot französischer Shops hat doch ohnehin gleich ein ganz anderes Flair. Das Schöne für deutsche Verbraucher: An diese Waren zu kommen, war nie so einfach.

Wer vor wenigen Jahren regelmäßig vom Angebot der Läden im Ausland profitieren wollte, musste in Grenznähe wohnen – oder gute Bekannte im Nachbarstaat haben. Heute genügen wenige Mausklicks. Onlineshops aus allen Nationen lassen die gewünschte Ware bis zur Haustür liefern.

Das spitzt den ohnehin harten Wettbewerb zwischen lokalem Handel und Online-Angreifern zu, befeuert aber auch den Kampf der Onlineshops untereinander.

Bislang macht das Online-Shopping im Ausland noch einen vergleichsweise kleinen Teil am Gesamtmarkt aus: Nach einer Studie der EU-Kommission kaufte 2014 knapp die Hälfte aller Verbraucher in der EU über das Internet ein. Aber nur 15 Prozent bei einem Händler aus einem anderen EU-Staat.

So wichtig wird der grenzübergreifende Handel

Doch Handelsexperten gehen von einem Bedeutungsgewinn des grenzübergreifenden Handels aus. Bis 2018, rechnet der europäische Branchenverband EMOTA vor, werden cross-border-sales 20 Prozent des weiterhin steigenden Onlinehandelsumsatzes in Europa ausmachen: insgesamt 116 Milliarden Euro.

Boom beim grenzüberschreitenden Handel

In den kommenden Jahren könnte der Anteil sogar noch stärker steigen. Denn bislang wächst der grenzübergreifende Handel nur mit angezogener Handbremse. Nicht nur Sprachbarrieren und mitunter hohe Logistikkosten haben sich aus Sicht des Ecommerce-Verbands behv als Hemmschwellen für Kunden und Händler herausgestellt.

Digitale Technologien ermöglichen neue Formen der Zusammenarbeit. Das hat auch Konsequenzen für kreative Prozesse. Vor allem Innovationsplattformen wie Quirky fördern die neue Art der kollaborativen Kreation.

Eines der Haupthindernisse für einen internationaleren Onlinehandel: Die unterschiedliche Rechtsprechung in den EU-Ländern, die vor allem den Verkäufern Sorgen bereitet.

Unter anderem diesem Durcheinander will die EU-Kommission mit ihrer jetzt vorgestellten Strategiegrundlage für einen digitalen Binnenmarkt beikommen: Bis Ende des Jahres soll der Verbraucherschutz in Europa harmonisiert werden und Anbieter sollen sich auf ihre jeweils national geltenden Gesetze berufen können.

Die besten deutschen Online-Shops
Qualität von OnlineshopsIn Zusammenarbeit mit dotSource hat das ECC Köln Kunden von 77 Online-Shops aus sieben unterschiedlichen Branchen nach ihrer Zufriedenheit befragt.Bewertung: Die in Klammern angegeben Punktzahl zeigt an, welchen Online-Shop-Index ein Shop erreicht hat. In die Berechnung des Online-Shop-Index fließen die Zufriedenheit der Kunden mit den in der ECC-Erfolgsfaktorenstudie untersuchten Einzelkriterien sowie die Kundenbindung ein. Ein Wert von 100 Punkten entspricht der maximalen Zufriedenheit und Kundenbindung. Das Ranking erhebt nicht den Anspruch zu beurteilen, dass ein Online-Shop allgemein besser ist als ein anderer. Es besagt, welche Online-Shops es besser schaffen als andere, ihre eigenen Kunden zufriedenzustellen. Die vollständige Studie finden Sie kostenpflichtig hier. Quelle: dpa Picture-Alliance
Rang 10: Deichmann (74,9 Punkte) Quelle: dpa Picture-Alliance
Rang 9: Hugo Boss (75,2 Punkte)Als zweiter Modeanbieter hat es Hugo Boss unter die Spitzenreiter geschafft. Die Befragten waren von den Zusatzinformationen zu Produkten sowie von den Kaufempfehlungen besonders angetan. Quelle: dpa
Rang 8: s.Oliver (75,2 Punkte) Quelle: dpa Picture-Alliance
Rang 7: Ernsting’s Family (75,4 Punkte) Quelle: PR
Rang 6: myTime.de (75,4 Punkte)       Quelle: PR
Rang 5: zooplus (76,2 Punkte) Quelle: Screenshot

Indem die Abrechnung der unterschiedlichen Mehrwertsteuersätze in Europa vereinfacht wird, soll der grenzübergreifende Handel in Zukunft auch kleineren Onlinehändlern erleichtert werden.

Deutschlands Handelsverbände loben den Vorstoß unisono. "Die Handelsunternehmen brauchen auch im Internet einen funktionierenden Binnenmarkt", sagt Astrid Krone-Hagenah, Büroleiterin des Handelsverband Deutschland (HDE) in Brüssel. Und der behv begrüßt die "Beseitigung der bestehenden Hindernisse für den grenzüberschreitenden Handel". Die Harmonisierung, so die einhellige Meinung, wird den Handel über die Landesgrenzen hinweg noch einmal deutlich befeuern.

Diejenigen, die die Waren zum Kunden bringen müssen, stellen sich ohnehin schon mal auf mehr Lieferungen über Landesgrenzen ein – und stecken viel Geld in den Ausbau der europaweiten Kapazitäten.

Die Harmonisierung im europäischen Handel verspricht scheinbar Wachstumschancen allerorten. Doch zwischen den Freudenrufen werden auch warnende Stimmen laut. Für die hiesigen Handelstreibenden hat die Medaille zwei Seiten. "Zum einen erschließt das Internet auch deutschen Händlern ein großes neues Kundenpotenzial", sagt Stephan Tromp, stellvertretender Hauptgeschäftsführer des HDE. "Natürlich haben zum anderen aber auch Händler aus anderen Ländern damit die Chance, den deutschen Markt mit zu bedienen."

Im Klartext: Mit der Harmonisierung der Handelslandschaft in Europa wächst die Wettbewerbsintensität noch einmal deutlich. Nicht jeder glaubt, dass Deutschlands Händler dafür gerüstet sind.

Warum die deutschen Händler unterlegen sind

"Die Gefahr ist der Onlineshop im Nachbarland", warnt Gerrit Heinemann, Leiter des eWeb Research Centers und Professor für BWL, Managementlehre und Handel an der Hochschule Niederrhein. "Kommt der deutsche Handel nicht in die Puschen, holen sich die Ausländer gnadenlos das Geschäft."

Ecommerce-Experten kritisieren seit Jahren, dass selbst große Handelskonzerne den Trend zum Onlinehandel lange ignoriert haben, ihn auch jetzt nur zögerlich angehen - und dadurch Kunden verprellen.

Heineman stellt den heimischen Händlern ein besonders schlechtes Zeugnis aus. Die patzten auf ihren Webseiten selbst bei den Grundlagen wie Optimierung für Smartphones und Tablets, der Benutzerführung und den Suchfunktionen. Der seit Jahren diskutierte Multichannel-Ansatz stecke selbst bei großen Unternehmen bestenfalls in den Kinderschuhen, sei noch häufiger gar nicht vorhanden.

Was bedeutet überhaupt Multi-Channel?

"Die Onlinehändler aus Großbritannien sind in allen Kategorien deutlich besser und den Deutschen mindestens um drei Jahre voraus", sagt Heinemann. "Und sie drängen bereits auf den deutschen Markt."

Dieser Vorstoß beschränkt sich nicht nur auf die Lieferung der Waren ins Ausland. Er geht darüber hinaus. Der englische Weißwaren-Händler AO etwa verkauft seine Wasch- und Spülmaschinen seit einigen Monaten nicht mehr nur unter ao.com sondern auch unter der eingedeutschten .de-Adresse. Und auch Asos, Nextdirect und Top-Shop drängen mit ihren jetzt auch ins Deutsche übersetzten Websites auf den Markt.

Laut einem aktuellen Report der Europäischen Kommission aus dem Mai machten die britischen Händler zuletzt rund zehn Prozent ihrer Verkäufe mit dem grenzübergreifenden Handel. Allein für 2014 wären das etwa 7,2 Milliarden Euro. Bis zu eine Milliarde davon dürfte in Deutschland gemacht worden sein, schätzt Heinemann.

Wie stark der grenzübergreifende Handel ist

Wächst der Anteil der britischen Auslandsumsätze weiter, könnte das zu Lasten der deutschen Händler gehen. Die sehen nicht nur beim Vergleich der Onlineshops alt aus. Weil im Internet der Preisvergleich auch über Landesgrenzen möglich ist, steigt der Druck zusätzlich.

Ungleich schwerer wiegt aus Sicht von Handelsexperte Gerrit Heinemann aber noch, dass die Kunden in den ausländischen Shops eine umfassendere Auswahl finden, die sie hierzulande vermissen. "In Deutschland bieten die meisten Händler im Internet nur ein Rumpfsortiment an. Im englischsprachigen Ausland gilt der Onlineshop längst als Flagship-Store und hat das größte Sortiment."

Heinemann mahnt die deutschen Händler, den digitalen Wandel ernst zu nehmen und den europäischen Markt als Ganzes im Blick zu behalten, um den Anschluss nicht zu verlieren. Dem Kunden sei im Zweifel egal, ob er seine Bestellung in einem Onlineshop mit .de- oder .com-Kennung aufgibt.

Die Giganten der Branche halten sich ohnehin längst nicht mehr mit einem allzu kleinteiligen Blick auf Landesgrenzen aus. Onlinehändler Amazon etwa hat seine 28 Logistikzentren strategisch in Europa verteilt: in Grenznähe, an den wichtigen Flughäfen und Autobahnen. Wer bei Amazon.de bestellt, bekommt seine Ware mitunter aus Frankreich oder Polen.

"Seit unserem Europa-Start vor über 15 Jahren hat Amazon Europa als einen singulären Marktplatz behandelt", verkündete Francois Saugier, der Direktor für EU-Verkäufer bei Amazon, vor wenigen Tagen.

Das gilt nicht nur für die Waren, die Amazon selbst verkauft. Sondern für die Produkte, die Drittanbieter im Marketplace einstellen. Allein die Exportumsätze der Amazon-Marktplatzhändler innerhalb der EU summierten sich 2014 auf einen neuen Rekordwert von 2,8 Milliarden Euro. Dabei beliefert Amazon derzeit gerade einmal sieben Nationen auf dem Kontinent. Der Onlinemarktplatz Ebay ist sogar in allen europäischen Ländern vertreten.

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