Onlinehandel in Europa „Die Gefahr ist der Onlineshop im Nachbarland“

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Warum die deutschen Händler unterlegen sind

"Die Gefahr ist der Onlineshop im Nachbarland", warnt Gerrit Heinemann, Leiter des eWeb Research Centers und Professor für BWL, Managementlehre und Handel an der Hochschule Niederrhein. "Kommt der deutsche Handel nicht in die Puschen, holen sich die Ausländer gnadenlos das Geschäft."

Ecommerce-Experten kritisieren seit Jahren, dass selbst große Handelskonzerne den Trend zum Onlinehandel lange ignoriert haben, ihn auch jetzt nur zögerlich angehen - und dadurch Kunden verprellen.

Heineman stellt den heimischen Händlern ein besonders schlechtes Zeugnis aus. Die patzten auf ihren Webseiten selbst bei den Grundlagen wie Optimierung für Smartphones und Tablets, der Benutzerführung und den Suchfunktionen. Der seit Jahren diskutierte Multichannel-Ansatz stecke selbst bei großen Unternehmen bestenfalls in den Kinderschuhen, sei noch häufiger gar nicht vorhanden.

Was bedeutet überhaupt Multi-Channel?

"Die Onlinehändler aus Großbritannien sind in allen Kategorien deutlich besser und den Deutschen mindestens um drei Jahre voraus", sagt Heinemann. "Und sie drängen bereits auf den deutschen Markt."

Dieser Vorstoß beschränkt sich nicht nur auf die Lieferung der Waren ins Ausland. Er geht darüber hinaus. Der englische Weißwaren-Händler AO etwa verkauft seine Wasch- und Spülmaschinen seit einigen Monaten nicht mehr nur unter ao.com sondern auch unter der eingedeutschten .de-Adresse. Und auch Asos, Nextdirect und Top-Shop drängen mit ihren jetzt auch ins Deutsche übersetzten Websites auf den Markt.

Laut einem aktuellen Report der Europäischen Kommission aus dem Mai machten die britischen Händler zuletzt rund zehn Prozent ihrer Verkäufe mit dem grenzübergreifenden Handel. Allein für 2014 wären das etwa 7,2 Milliarden Euro. Bis zu eine Milliarde davon dürfte in Deutschland gemacht worden sein, schätzt Heinemann.

Wie stark der grenzübergreifende Handel ist

Wächst der Anteil der britischen Auslandsumsätze weiter, könnte das zu Lasten der deutschen Händler gehen. Die sehen nicht nur beim Vergleich der Onlineshops alt aus. Weil im Internet der Preisvergleich auch über Landesgrenzen möglich ist, steigt der Druck zusätzlich.

Ungleich schwerer wiegt aus Sicht von Handelsexperte Gerrit Heinemann aber noch, dass die Kunden in den ausländischen Shops eine umfassendere Auswahl finden, die sie hierzulande vermissen. "In Deutschland bieten die meisten Händler im Internet nur ein Rumpfsortiment an. Im englischsprachigen Ausland gilt der Onlineshop längst als Flagship-Store und hat das größte Sortiment."

Heinemann mahnt die deutschen Händler, den digitalen Wandel ernst zu nehmen und den europäischen Markt als Ganzes im Blick zu behalten, um den Anschluss nicht zu verlieren. Dem Kunden sei im Zweifel egal, ob er seine Bestellung in einem Onlineshop mit .de- oder .com-Kennung aufgibt.

Die Giganten der Branche halten sich ohnehin längst nicht mehr mit einem allzu kleinteiligen Blick auf Landesgrenzen aus. Onlinehändler Amazon etwa hat seine 28 Logistikzentren strategisch in Europa verteilt: in Grenznähe, an den wichtigen Flughäfen und Autobahnen. Wer bei Amazon.de bestellt, bekommt seine Ware mitunter aus Frankreich oder Polen.

"Seit unserem Europa-Start vor über 15 Jahren hat Amazon Europa als einen singulären Marktplatz behandelt", verkündete Francois Saugier, der Direktor für EU-Verkäufer bei Amazon, vor wenigen Tagen.

Das gilt nicht nur für die Waren, die Amazon selbst verkauft. Sondern für die Produkte, die Drittanbieter im Marketplace einstellen. Allein die Exportumsätze der Amazon-Marktplatzhändler innerhalb der EU summierten sich 2014 auf einen neuen Rekordwert von 2,8 Milliarden Euro. Dabei beliefert Amazon derzeit gerade einmal sieben Nationen auf dem Kontinent. Der Onlinemarktplatz Ebay ist sogar in allen europäischen Ländern vertreten.

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