Onlinehandel Wie Amazon Indien erobern will

Der Onlineriese Amazon hat sich das nächste Ziel des Eroberungsfeldzugs ausgeguckt: Indien. Dort will Amazon die beiden indischen Marktführer verdrängen - mit ungewöhnlichen Sonderangeboten wie Kuhfladen.

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Amazon-Gründer Jeff Bezos (rechts) und der Manager des Indien-Geschäfts, Amit Agarwal, auf einer Aufnahme von 2014. Quelle: dpa

Milliardenschwere Online-Unternehmen versuchen derzeit fieberhaft, Menschen wie Srijoni Sen für sich zu gewinnen. Die 30-jährige Juristin arbeitet für eine Denkfabrik in Indiens Hauptstadt Neu Delhi und organisiert ihren Alltag vor allem über Apps auf ihrem Smartphone.

Sen bestellt Kleidung bei Amazon und dem indischen Konkurrenten Flipkart, bucht Fahrten durch die 17-Millionen-Metropole mit Uber, nutzt den digitalen Bezahldienst Paytm für ihre Telefonrechnungen, kauft Kinokarten via Bookmyshow und sucht Restaurants mit Zomato aus. Selbst Nahrungsmittel bestellt die junge Frau mobil.

Sie lebe eben nicht mehr so wie die Vorgängergeneration, in der immer ein Familienmitglied daheim gewesen sei und den Haushalt schmiss, sagt Sen. Sie probiere viel aus, während sie ihren eigenen Lebensstil entwickle. „Die Dienste sind nicht immer perfekt“, sagt sie. „Ich wechsle viel zwischen konkurrierenden Anbietern hin und her.“

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Und an Konkurrenten besteht derzeit kein Mangel. Nicht nur lokale Geschäfte, auch viele westliche Unternehmen sehen in den aufstrebenden Ländern wie Indien ihre Chance auf viele, immer zahlungskräftigere Kunden. Innerhalb eines Jahres wuchs der Onlinehandel in Indien von 3,5 Milliarden auf 6 Milliarden Dollar an, so das Ergebnis einer Studie der Unternehmensberatung Pricewaterhouse Coopers. Das Wachstum soll weitergehen: Fünf Milliarden Dollar will alleine der Onlinehändler Amazon investieren. Indien, heißt es aus der Zentrale Seattle, soll nach den USA der zweitgrößte Markt werden. Und auch Alibaba aus China machen sich bemerkbar. Mit ihren Milliarden wollen die Onlinegiganten die bisherigen indischen Marktführer verdrängen.

Noch beherrschen die indischen Unternehmen Flipkart und Snapdeal den Markt. In immer neuen Finanzierungsrunden sammeln sie Hunderte Millionen Euro ein. Die Flipkart-Gründer Sachin und Binny Bansal - die nicht verwandt sind - haben es mit einem geschätzten Vermögen von 1,3 Milliarden Dollar in diesem Jahr zum ersten Mal auf die Liste der 100 reichsten Inder geschafft, die das Magazin „Forbes“ erstellt. Beide haben einst bei Amazon gearbeitet, ehe sie 2007 Flipkart gründeten. Eines ihrer Erfolgsmodelle: Zahlung bei Anlieferung - denn in Indien hat fast niemand eine Kreditkarte und nicht einmal die Hälfte ein Bankkonto.

Kuhfladen sind Verkaufsschlager

Doch Amazon hat einen anderen Vorteil: Kuhfladen. Die werden in Indien traditionell als Brennstoff und Heizmittel genutzt und gehören zu den bestverkauften Amazon-Artikeln in Indien. In manchen Gegenden nutzen die Inder die Fladen sogar, um Hütten zu bauen. Wer mehr Fladen bestellt, bekommt Rabatte. So kosten 11 Fladen nur 99 Rupien (umgerechnet etwa 1,40 Euro). Die Konkurrenten Flipkart und Snapdeal haben den Artikel jedoch nicht in ihrem Angebot.

Wer aber wird sich langfristig durchsetzen? „Es ist noch immer Tag 1“, erklärt Amazon, das erst vor zwei Jahren in dem aufstrebenden Schwellenland startete. Und auch die Handelsanalystin Pragya Singh von der indischen Firma Technopak betont, bisher mache der Internethandel erst 1,2 Prozent des Einzelhandels aus. Da sei noch viel Luft, auch weil der schleppende Ausbau der konventionellen Geschäfte eine zunehmende Kluft reiße zwischen Angebot in den Läden und den ständig wachsenden Wünschen der Menschen.

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Die Logistik sei die größte Herausforderung für den Sektor, meint Singh weiter. Denn in den Städten und Metropolen lebten nur 31 Prozent der Bevölkerung, der Rest wohne in Dörfern. Der Handelsanalyst Shriram Subramanian, Gründer von InGovern, ist angesichts der schlechten Straßen in dem sich über Tausende Kilometer erstreckenden Land der gleichen Meinung. „Das größte Problem ist, die Produkte in angemessener Zeit an die abgelegeneren Orte zu bringen.“

Mit der Deutschen Post hat es sich auch ein deutscher Konzern auf die Agenda geschrieben, dieses Problem zu überwinden. Mit ihrer Tochter Blue Dart investiert die Post in den Markt. Erst im Oktober hat Blue Dart in Indien den ersten Paketkasten eröffnet, an dem die Kunden ihre bestellten Pakete abholen können.

Gestützt wird der Schwung des Online-Handels durch den Boom im Smartphone-Markt. Derzeit besitzen rund 170 Millionen der 1,25 Milliarden Inder ein internetfähiges Gerät. Die Zahl dürfte sich in den kommenden Jahren vervielfachen. „Im Jahr 2020 wird die Durchdringung mit Internet so hoch sein wie 2012/2013 in China“, glaubt Singh.

Die Milliarden-Schlacht ist noch nicht geschlagen. Die Online-Händler locken die indischen Kunden mit gewaltigen Preisnachlässen - für Fladenbrot-Maschinen genauso wie für Statuen von Krishna und Ganesha. Vor Festtagen sicherten sich die Unternehmen in diesem Jahr komplette erste Seiten der größten Zeitungen des Landes. Die Leser mussten fünfmal umblättern, ehe sie Nachrichten sahen.

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