Outdoormode Was Salewa besser als Jack Wolfskin macht

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Kein leeres Lifestyle-Label

Denn als Outdoor gilt heute alles, was wasserdicht ist und mehr als einen Reißverschluss aufweist. Herabgesunken auf einen Allerweltsbegriff, ein leeres Lifestyle-Label, mit dem sich viele Anbieter schmücken – vom Kaffeeröster Tchibo mit seinen Wetterjacken über den japanischen Modefilialisten Uniqlo mit den Daunenjacken bis zum Edelparkahersteller Woolrich. So ist Outdoor im Verlauf der vergangenen 20 Jahre zu einem generischen Schlagwort verkommen, um bei auf Distinktionsgewinn gepolten Kunden noch ein paar Cent mehr herauszuschlagen.

Bestückten 2005 immerhin auch schon 600 Labels und Unternehmen die Messestände von Europas größter Branchenmesse Outdoor in Friedrichshafen, waren es im vergangenen Sommer fast 1000. Kein Wunder daher, dass Familienunternehmer Oberrauch Konsequenzen zog und Outdoor als Unwort intern auf den Index setzte. „Das ziehen wir ganz klar durch“, sagt Mannel und lässt auf seinem Weg zum Hochgernhaus jetzt die Baumgrenze hinter sich.

Mit dem Bann für den Allerweltsbegriff sagt Oberrauch aber auch: Wir haben es nicht nötig, uns unter einen Begriff zu quetschen. Das Selbstbewusstsein zieht er aus der langen Geschichte der Marke Salewa. Die wurde 1935 im Münchner Stadtteil Sendling gegründet. Fertigte das bajuwarische Start-up anfangs vor allem Lederriemen, Taschen für Fotoapparate und Pferdegeschirre, erfand Salewa das Rucksackgestell aus Stahlrohr.

Als Salewa Ende der Achtzigerjahre in eine Krise rutschte, übernahm Oberrauch den Laden komplett, verlagerte die Zentrale nach Bozen und baute um sie herum die Oberalp-Gruppe auf. Heute ist Oberrauch, 59, eine echte Nummer in der Heimat. Als er vor fünf Jahren die neue Unternehmenszentrale südlich der Bozener Innenstadt errichten ließ, bekam er eine Ausnahmegenehmigung: Gilt in Bozen für Gebäude eigentlich eine Maximalhöhe von 24 Metern, ragt der futuristische Glasturm der Salewa-Zentrale 48 Meter hoch in den Himmel über den Dolomiten.

Wie ein künstliches Bergmassiv mit Überhängen, Gipfeln und Durchblicken ist dies ein Bau wie ein Ausrufezeichen: Hier stehen wir. Alles, was die Marke tut, so hat es Oberrauch festgelegt, muss für die Berge stehen, muss die Herkunft aus den Dolomiten transportieren. Denn in kaum einer Sparte des globalen Sportgeschäfts reagieren die Kernkunden so empfindlich auf alles, was in ihren Augen nicht authentisch ist und nach Ausverkauf an den Massenmarkt riecht, wie in dieser.

Mit leichtem Gepäck: Mannel verzichtet auf Ballast am Berg wie im Business. (zum Vergrößern bitte anklicken) Quelle: Fritz Beck für WirtschaftsWoche

Der Kunde, das untreue Wesen

„Die Kunden sind heute sehr schnell dabei, Marken fallen zu lassen, die sie nicht als authentisch betrachten“, sagt Mannel. Vielen ist es schon verdächtig, wenn ein Logo ihnen allzu oft in der Innenstadt begegnet statt auf dem Berg. Springt diese Hardcore-Klientel jedoch ab und sucht sich einen neuen, in ihren Augen echteren Anbieter, verliert die Marke rasch an Attraktivität auch für die vielen Normalo-Käufer, die sich gern mit dem Nimbus des Verwegenen schmücken würden.

Eine Marke wie Jack Wolfskin, viele Jahre der Inbegriff des Outdoorbooms, bekam das massiv zu spüren. Spätestens nachdem 2011 Finanzinvestor Blackstone für 700 Millionen Euro beim Anbieter aus dem Taunus-Städtchen Idstein eingestiegen war, wuchs der Argwohn. Der maßgeblich vom Investor getriebene Versuch, Wolfskin zur internationalen Modemarke zu drehen, die in jeder Innenstadtlage Läden betrieb, pulverisierte die Glaubwürdigkeit als ernst zu nehmender Ausrüster von Abenteurern. Zwar scheint immerhin der Umsatzschwund der vergangenen Jahre gestoppt zu sein. Doch unter Bergsportlern ist die Marke passé. Und wegen der Zinslast infolge der kreditfinanzierten Übernahme kämpft Wolfskin heute ums Überleben.

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