Pampers, Leibniz, Funny-Frisch Die Markenoffensive geht auf für Aldi Nord

Aldi Nord ist dank Modernisierung und Markenprodukten zurück auf der Wachstumsspur. Trotz der zuletzt guten Zahlen: Der Familien-Zwist beim Discountprimus bleibt eine Gefahr für das Unternehmen.

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Markenoffensive von Aldi Nord. Quelle: Presse

Jahrzehntelang war die deutsche Discounterwelt sorgsam austariert: Während Billigpurist Aldi sein Sortiment ausschließlich mit bewährten Eigenmarken bestückte, lockte Lidl die Kundschaft mit günstigen Markenartikeln.

Doch im vergangenen Jahr hat nach Aldi Süd auch Aldi Nord den Glanz der Marken entdeckt. Produkte wie Butterkekse von Leibniz, Bier von Krombacher und Chips von Funny-Frisch füllen inzwischen die Regale des Discounters.

Nach einer neuen Studie des Nürnberger Marktforschungsinstituts GfK geht der Strategieschwenk auf. Die Markenartikel sprechen vor allem jüngere Käufer an und tragen dazu bei, dass „die Umsätze des Händlers wieder steigen“, konstatieren die GfK-Experten.

Wo Aldi seine Ideen testet
Shopping bei Tageslicht Quelle: Florian Kolf Handelsblatt
Shopping bei Tageslicht Quelle: PR
Was nicht funktioniert, fliegt raus Quelle: Florian Kolf Handelsblatt
Coffee to goNeben dem frischen Brotangebot lädt ein Kaffeeautomat die Kunden in Raesfeld zu einem Schwätzchen ein. Doch das Kaffeeangebot hat den Praxistest nicht bestanden, es wird nicht konzernweit eingeführt. Quelle: Florian Kolf Handelsblatt
Zum MitnehmenAuf einem Ständer liegt das „Rezept des Tages“ für die Kunden zum Mitnehmen. Alle Zutaten, die man dafür braucht sind appetitlich und griffbereit auf dem Tisch drum herum drapiert. So sollen Kunden animiert werden, Produkte auszuprobieren, die sie sonst nicht kaufen. Quelle: Florian Kolf Handelsblatt
Holz statt PappeWeg vom Pappkarton: Stilvoll in Holzkisten bietet Aldi Nord in der Testfiliale die Weine aus aller Welt an. Auch hier wird ein täglich wechselnder „Wein des Tages“ extra präsentiert, mit einer ausführlichen Beschreibung. Quelle: Florian Kolf Handelsblatt
Modernisierung der FilialenZuweilen sind es nur Kleinigkeiten, wie die Anordnung der Regale, vieles aber erfordert größere Umbauten. Aldi Nord steckt deshalb eine Milliardensumme allein in die Modernisierung des deutschen Filialnetzes – wie viel genau ist natürlich streng gehütetes Geschäftsgeheimnis. Aber das Programm zeigt Erfolge: In den Filialen, die nach dem neuen Konzept renoviert wurden, stieg der Umsatz nach Unternehmensangaben pro Monat im Schnitt von 396.000 auf 437.000 Euro. Quelle: Florian Kolf Handelsblatt

Laut einer Analyse der Forscher ist der Umsatz der Discounter insgesamt im ersten Halbjahr 2016 im Vergleich zum Vorjahreszeitraum um 1,8 Prozent gestiegen. Die GfK geht davon aus, dass Aldis Markenoffensive eine zentrale Ursache dafür ist.

Aldis Offensive löst Preiskampf aus

Auch den Herstellern nutzt Aldis neue Strategie. Sie konnten laut GfK mit den 19 Marken, die der Discounter zwischen April 2015 und Januar 2016 ins Sortiment aufgenommen hat, in den ersten sechs Monaten dieses Jahres „im Durchschnitt zehn Prozent mehr Umsatz erzielen“ als im Vorjahreszeitraum.

Warum Aldi billig ist

„Hersteller sind sehr daran interessiert, im Discounter zu landen“, sagt Klaus-Dieter Koch, Gründer der Managementberatung Brandtrust und Markenexperte.  So können sie sich neben Rewe und Edeka ein weiteres Standbein aufbauen. „Dadurch sinkt die Erpressbarkeit.“ Auch finanziell lohnt es sich für die Markenproduzenten: „Mir sind Fälle bekannt, wo Lieferanten lieber Aldi beliefern.“ Dort gäbe es im Verhältnis zum Volumen deutlich bessere Margen.

Allerdings sinken dadurch offenbar auch die Preise der Markenprodukte. So setzten zuletzt regelmäßig Wettbewerber wie Lidl, Rewe und Edeka den Rotstift an, sobald eine Marke auch nur als Kandidat für das Aldi-Sortiment gehandelt wurde. Am Ende würde Aldi die prominenten Labels im Schnitt aber immer noch um knapp vier Prozent billiger verkaufen als die Konkurrenz, geht aus der Untersuchung hervor.

Was aus den Eigenmarken wird

Sparsamkeit als bestimmender Gedanke beim Einkaufen ist für viele Kunden passé. Den Verbrauchern geht es schon seit Jahren gut, sie geben laut Handelsexperten mehr Geld für Lebensmittel aus und wollen vor allem mehr Qualität. „Die Erwartungen der Konsumenten sind gestiegen“, sagt Martin Fassnacht, Professor für Marketing und Handel an der WHU – Otto Beisheim School of Management.

Bis zum vergangenen Jahr konnten von der guten Konjunkturlage vor allem die Supermärkte profitieren und ihren Marktanteil spürbar vergrößern – zulasten der Discounter. Laut Daten des Nürnberger Marktforschers GfK stiegen die Umsätze im Lebensmittelhandel damals um 0,8 Prozent. Während Marktführer Edeka 2015 um 2,2 Prozent gegenüber dem Vorjahr zulegte und Rewe sogar auf 4,9 Prozent kam, schrumpften Aldi Nord und Süd um 1,8 und 2 Prozent.

„Ohne die Listung von Marken hätte Aldi damals noch mehr Marktanteile verloren“, ist sich Fassnacht sicher. Das die Markenoffensive aufgeht, zeigen aktuelle Zahlen: „Im laufenden Jahr hat sich der Umsatz im Gesamtunternehmen im Vergleich zum Vorjahr um drei Prozent gesteigert“, sagte Kay Rüschoff, Geschäftsführer Marketing und Kommunikation bei Aldi Nord dem Handelsblatt. Konkurrent Lidl, der schon lange vor Aldi auf Marken setzte, wuchs dagegen nur um zwei Prozent. Die Essener holen auf.

Wie Aldi groß wurde

Allerdings verfügt Lidl immer noch über einen Marktanteil von 26,6 Prozent und ist damit führend unter den Discountern. Es folgt Aldi Süd mit 21,2 Prozent. Aldi Nord rangiert hinter der Edeka-Tochter Netto mit einem Anteil von 16,1 Prozent.

Eigenmarken verschwinden nicht

Dass die Markenoffensive ankommt belegt auch der aktuelle „POS-Marketing-Report“ der „Lebensmittel Zeitung“ und der Wiesbadener Agentur UGW. 63 Prozent der Befragten Konsumenten finden es demnach positiv, dass Aldi immer mehr Marken listet.

„Aldi versucht die Markenikonen zu identifizieren, für die die Kunden eigens ein Geschäft aufsuchen“, sagte der frühere Aldi-Topmanager Johann Mörwald Anfang des Jahres der WirtschaftsWoche. Das Konzept Eigenmarken kommt trotzdem weiterhin zum Tragen. Rund 93 Prozent der bei Aldi Nord gelisteten Waren sind Eigenmarken.

Die zehn größten Familienunternehmen Deutschlands
Bertelsmann-Logo Quelle: dpa
Logo von Phoenix Pharmahandel Quelle: dpa
Logo von Fresenius Quelle: dpa
Ein Reifen von Continental Quelle: dpa
Dunkle Wolken über Bosch Quelle: dpa
Ein Mann mit Aldi-Tüten in der Hand Quelle: dpa
Kunden vor einer Metro-Filiale Quelle: dapd

„Die Eigenmarken sind für den Unternehmenserfolg weiterhin der entscheidende Faktor“, sagt Fassnacht. Die Margen sind wesentlich besser als bei den Markenwaren. „Aufgrund des Preisdrucks sowie der extrem günstigen Aktionspreise glaube ich, dass Aldi bei einigen Markenartikeln kein Geld verdient.“ Sie sind vor allem notwendig, um Kunden weiter in die Filialen zu locken.

Vor allem markenaffine Jungkunden. „Bisher sind solche Kunden für die günstigen Einkäufe zu Aldi gegangen und haben sich die Markenwaren beim Supermarkt beschafft“, sagt Fassnacht. Seitdem Edeka und Rewe aber ihr Angebot an Preiseinstiegsartikeln ausgebaut haben, hierbei immer genauso günstig sind wie der Preisführer Aldi sowie darüber hinaus eine größere Warenvielfalt bieten, blieben immer mehr Kunden gleich im Supermarkt. „Aldi möchte genau diesen Kunden ein umfangreicheres Angebot bieten und somit den Wert ihres Warenkorbs erhöhen.“

 

Wie es zum Umschwung kam

Den ersten Schritt in diese Richtung machte Aldi Nord 2012. Damals begannen die Essener mit der umfassenden Sanierung des Filialnetzes. Laut Rüschoff, Geschäftsführer Marketing und Kommunikation bei Aldi Nord, ist der „Umsatz pro modernisiertem Markt im Schnitt um 19 Prozent gestiegen“, wie er dem Handelsblatt sagte. 437.000 Euro bringe jede Filiale im Schnitt pro Monat ein.

Daneben hat Aldi 50 Märkte, die nicht rentabel waren, geschlossen, zehn neu eröffnet und, um längere Öffnungszeiten anbieten zu können, 4000 neue Mitarbeiter angestellt. All das hat Aldi Nord Milliarden gekostet. Zu der genauen Summe äußert sich der Konzern nicht.

Wie Aldi mit neuem Filial-Design den Umsatz steigern will
Die Vorführ-Filiale bietet viel Tageslicht, breitere Gänge, viel Holz. Obst und Gemüse werden präsentiert wie an einem Marktstand. Quelle: obs
Lars Linscheid, Geschäftsführer der ALDI SÜD Regionalgesellschaft Ebersberg und Jeannette Thull, Geschäftsführerin Zentraleinkauf, bei der Vorstellung der Filiale der Zukunft in München-Unterhaching. Quelle: obs
Journalisten filmen am 11.05.2016 in Unterhaching (Bayern) die neu gestaltete Aldi-Filiale. Vor allem die Präsentation von Obst und Gemüse soll ansprechender werden. Quelle: dpa
Doch die Pappfigur von "Frau Weber", die um Aldi-Nachwuchs wirbt, gehört weiter zum Inventar des Discounters. Quelle: dpa
Wenn nicht Aldi drauf stünde, könnte man fast glauben, in einem Supermarkt von Rewe oder Edeka zu sein. Quelle: dpa
Das Sortiment, hier die Wurst- und Fleischwaren, bleibt im Wesentlichen das selbe. Quelle: dpa
Die größte Veränderung betrifft die Präsentation des Obstes und Gemüses, die an einen Wochenmarkt-Stand erinnern soll. Quelle: dpa

Allerdings ist fraglich, ob solche Investitionen künftig noch möglich sind, denn die Eigentümer von Aldi Nord sind zerstritten. Auf der einen Seite steht Gründersohn Theo junior, auf der anderen die Erben seines Bruders Berthold, der im November 2012 nach schwerer Krankheit starb. Bertholds Witwe, Babette Albrecht, stieß 2013 auf Merkwürdigkeiten im Reich Aldi Nord, als sie die Erbangelegenheiten regelte.

Die Gesellschafter könnten Aldi Nord lähmen

Zu Beginn ging es in dem Streit vor allem um die Jakobus-Stiftung. Hier hatte 2010 eine Satzungsänderung den Einfluss von Bertholds Kindern stark beschnitten. Schnell ergriff der Streit auch die Lukas- und die Markus-Stiftung. Die Markus-Stiftung hält 61 Prozent der Aldi-Nord-Anteile, die anderen beiden Stiftungen je 19,5 Prozent.

Vor dem Verwaltungsgericht Schleswig kam die Regelung in der Jakobus-Stiftung aus dem Jahr 2010 Anfang des Jahres zu fall. Damit verfügen die Erben von Berthold Albrecht de facto über ein Veto-Recht bei grundlegenden Entscheidungen. Denn die Stiftungen können wichtige Entscheidungen nur dann treffen, wenn die Vertreter aller drei Stiftungen zustimmen. Ohne diese Zustimmung ist weder die Expansion in neue Länder noch die Vertragsverlängerung von Managern möglich.

Wie die neuen Lidl-Filialen aussehen
Auch Lidl wird edel: Glasfronten, Aluminiumverblendungen und einem kombinierter Ein- und Ausgangsbereich sollen „ein Einkaufserlebnis“ für die Kunden zu schaffen. Quelle: Presse
Im Inneren dominiert die Farbe Grau und hat das zuvor bekannte Lidl-Blau abgelöst. Das deutet sich schon im Eingangsbereich an. Quelle: Presse
Lidl Quelle: Presse
Lidl

Die Gesellschafter können sich so gegenseitig blockieren und Aldi Nord lähmen. Bis dato ist davon zwar noch nichts zu spüren, was die guten Zahlen belegen. Doch ob das auf Dauer so bleibt, ist offen.

Auf Dauer scheint eine Trennung der sinnvollste Weg, den Familienzwist zu beenden. „Wenn Du Deine rein persönlichen Motive nicht den Interessen unseres Unternehmens unterzuordnen bereit bist, müssen wir uns trennen“, teilte Theo Albrecht junior seiner Schwägerin per Brief mit. Die antwortete ihm laut „Focus“, er möge seine Anteile gerne an sie und ihre Kinder verkaufen.

Die Anteile der beiden Seiten dürften allerdings jeweils Milliardenbeträge wert sein – eine Summe, die selbst im Albrecht-Klan niemand ohne weiteres aufbringt. Wie es bei Aldi Nord weitergeht, bleibt abzuwarten.

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