Parker zieht sich zurück Das Ende des Wein-Papstes

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Die Welt orientiert sich an Parkers Geschmack

Scheinbare Objektivität – ein Wunsch, der bei Flaschenpreisen im dreistelligen Eurobereich verständlich ist. Dabei ist die Aussagekraft der Punkte nicht unumstritten. „Ich bin skeptisch, was die Reproduzierbarkeit der Testergebnisse angeht. Denn beim Weinverkosten gibt es immer den subjektiven Faktor. Ich finde es sehr kritisch, dass damit jemand so viel Einfluss auf einen globalen Markt hat.“, so Weinwirtschaft-Professor Erik Schweickert.

Denn mit der Bedeutung seines Maßstabs auf den internationalen Markt hat Parker die Arbeit in vielen Weingütern verändert. Denn der Geschmack des Kritikers ist seit jeher gleich: Er mag kräftige, vollmundige Rotweine. Viele Weingüter, gerade in Frankreich, stellen daher Weine nach dem Geschmack der Parkertester her. Denn je höher die Punktzahl, desto beliebter und teurer.

Zehn überraschende Fakten über Wein
Sonnenkollektoren und WeineAuf den ersten Blick haben Sonnenkollektoren und Wein nur eines gemeinsam: Sie benötigen Sonne. Im Zuge eines Handelsstreits zwischen Europa und China sind beide aber nun noch enger miteinander verbandelt. Die Ankündigung der EU, Strafzölle auf Sonnenkollektoren zu verhängen, beantworteten die Chinesen mit der Ankündigung von Strafzöllen für Europäischen Wein. Ein herber Schlag wäre das für europäische Winzer, denn der Anteil chinesischer Kundschaft steigt kräftig, vor allem der für die teuren Roten. Beides ist passé – keine Zölle. Weder für Kollektoren noch für Wein. Quelle: dpa
Champagner-SchutzDer Münchener Michael Nieder steht als Fachanwalt für gewerblichen Rechtsschutz nicht auf Anhieb im Verdacht, sich in der Kanzlei Klakla viel mit Champagner während der Arbeit zu beschäftigen. Tatsächlich aber verlieh ihm als zweiten Deutschen die Corporation des Vignerons e Champagne Saint-Vincent die goldene Ehrenmedaille. Verdient hat er sich diese Auszeichnung in 400 Rechtsfällen in den vergangenen 32 Jahren, in den Niedel das Markenrecht in Deutschland des Begriffs „Champagner“ schützte. Verhindert hat Niedel – ganz im Sinne der Franzosen – dass Produkte von Pflegemitteln bis zu Duftstoffen mit dem Zusatz „Champagner“ versehen werden. Quelle: Presse
Wein im BeutelSauerstoff ist der größte Feind des Weines, sobald er in der Flasche ist. Was dem Eisen der Rost, sind dem Wein die Noten, die er bekommt, wenn er oxidiert. Ein wenig Oxidation ist gewollt, beim jahre- gar jahrzehntelangen Reifen in der Flasche oder auch im Glas, damit er sich ein wenig ordnet. Doch eine geöffnete Flasche ist nicht lange gleich gut. Wein aus Beuteln in der 3-Liter-Größe sind für den ganz großen Durst. Genau am anderen Ende der Skala bewegt sich Oneglass. Eine Portion im Beutel, aufzureißen wie ein Sportgel. Für zwischendurch, zum Mitnehmen – und garantiert rostfrei. Quelle: Presse
Sylt-WeinIn diesem Bild ist kein Fehler versteckt. Und doch sieht es so aus. Auf der Homepage des Rheingauer Weinguts Balthasar Ress sind die gutseigenen Lagen verzeichnet. Und? Fällt etwas auf? Richtig. Keitum. Sylt. Kein Scherz, kein Versehen, keine komische Sache. Ress baut tatsächlich in dem possierlichen Dörfchen auf Sylt Wein an. Und er ist wohl nicht mal schlecht. Auf jeden Fall ist er rasch ausverkauft. Damit ist Sylt um einen weiteren Superlativ reicher: Nördlichstes Weinbaugebiet Deutschlands. Quelle: Presse
SchützenhilfeDer badische Winzer und Präsident des Fußballclubs SC Freiburg, Fritz Keller (rechts), pflegt schon seit einigen Jahren eine enge Partnerschaft mit dem Lebensmitteldiscounter Aldi. Unter Kellers Ägide bauen mehrere hundert Winzer mit teils winzigen Parzellen, die sie dem Erbrecht zu verdanken haben, den Wein so an, dass Keller seinen Namen dafür hergibt. Nun taucht ein weiterer großer Name in Deutschland auf. Michel Rolland, der als Weinberater im Bordeaux einige sehr renommierte und sündhaft teure Güter berät. Für Edeka in Deutschland ist Rolland nun tätig geworden und ist verantwortlich für eine Cuvée, die für unter 10 Euro weit weniger kostet als vieles, was Rolland sonst verantwortet. Quelle: dpa
WeinfotosKein Geld für teure Weine? Und keine Zeit, die sagenumwobenen Kellereien zu besuchen? An der Architektur der Weinkeller haben sich zahlreiche Fotografen abgearbeitet. Der Wiesbadener Fotograf Rafael Neff war in einigen der bekanntesten Weingüter der Welt unterwegs und hat die Keller mitsamt der Fässer als beeindruckend inszenierte Stillleben fotografiert. Die Bilder sind nicht günstig, werden aber im Gegensatz zu den Weinen beim Genuss nicht vernichtet. Quelle: KNA
Bekannte WinzerGerard Dépardieu. Francis Ford Coppola. Günter Jauch. Nein – haben alle etwas miteinander zu tun, auch wenn es zunächst nicht so scheint. Ihnen gehören Weingüter. Bei Fernsehmoderator Jauch ist es das renommierte Gut von Othegraven an der Saar. Die Toten Hosen haben zwar keinen eigenen Wein, aber mit dem „Weißes Rauschen“ vom Weingut Tesch an der Nahe einen Riesling, der zusammen mit ihnen produziert wurde. Quelle: dpa

Wein-Welt hat einen Teil ihrer Vielfalt verloren

Der Markt reagiert unweigerlich auf solche Gleichungen. Viele Winzer bauen ihre Weine in der Hoffnung auf Wohlwollen des Kritikers aus. Schweickert bestätigt: „Um in die Top-Punktzahl zu kommen, wird ein bestimmter Stil gebraucht. Das Idealbild ist der wuchtige, schwere Rotwein. Viele Winzer haben sich da angepasst, damit sie möglichst viele Punkte bekommen.“

Manche sprechen gar von einer „Parkerisierung“ der Weinbranche. So schrieb der Weinautor Manfred Klimek vor zwei Jahren: „Parker hat der Welt seinen Coca Cola-Weingeschmack aufgezwungen. Fette, marmeladige, tanninreiche und fruchtig-alkoholische Weine. Mit dieser Politik ging der Weinwelt ein Teil ihrer Vielfalt verloren.“

Parker hat die Branche nachhaltig verändert. Eigentlich war Parker ein Rechtsanwalt, der in seiner Freizeit gerne Wein trank. Doch 1987 machte der Amerikaner sein Hobby zum Beruf: Er publizierte seine Weinempfehlungen alle zwei Wochen in seinem Newsletter „The Wine Advocate“. Seine Art der Kritik war völlig neu: Er beurteilte Weine auf einer 100 Punkte-Skala, seine Notizen waren kurz und schnörkellos – eine Revolution in einer bis dato von blumigen Worten geprägten Zunft. Nicht zuletzt durch unkonventionelle Empfehlungen bekam Parker weltweite Resonanz und seine Punkte entwickelten sich zu einem Maßstab.

In seinem System gelten Weine unter 80 Punkte als durchschnittlich, bei 50 abwärts empfindet Parker sie ungenießbar. Zwischen 80 und 90 bekommen gute Weine, vergibt er mehr als 90 ist das wie ein Ritterschlag für Winzer. Die 100 Punkte gelten als nahezu unerreichbar.

Umso mehr gilt es als Branchensensation, dass das Mosel-Weingut Molitor am vergangenen Wochenende dreimal 100-Punkte abgeräumt hat. Ob diese Punktewährung noch so hart ist wie vor Parkers Rückzug, wird sich jedoch erst in vielen Jahren zeigen.

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