Scheinbare Objektivität – ein Wunsch, der bei Flaschenpreisen im dreistelligen Eurobereich verständlich ist. Dabei ist die Aussagekraft der Punkte nicht unumstritten. „Ich bin skeptisch, was die Reproduzierbarkeit der Testergebnisse angeht. Denn beim Weinverkosten gibt es immer den subjektiven Faktor. Ich finde es sehr kritisch, dass damit jemand so viel Einfluss auf einen globalen Markt hat.“, so Weinwirtschaft-Professor Erik Schweickert.
Denn mit der Bedeutung seines Maßstabs auf den internationalen Markt hat Parker die Arbeit in vielen Weingütern verändert. Denn der Geschmack des Kritikers ist seit jeher gleich: Er mag kräftige, vollmundige Rotweine. Viele Weingüter, gerade in Frankreich, stellen daher Weine nach dem Geschmack der Parkertester her. Denn je höher die Punktzahl, desto beliebter und teurer.
Wein-Welt hat einen Teil ihrer Vielfalt verloren
Der Markt reagiert unweigerlich auf solche Gleichungen. Viele Winzer bauen ihre Weine in der Hoffnung auf Wohlwollen des Kritikers aus. Schweickert bestätigt: „Um in die Top-Punktzahl zu kommen, wird ein bestimmter Stil gebraucht. Das Idealbild ist der wuchtige, schwere Rotwein. Viele Winzer haben sich da angepasst, damit sie möglichst viele Punkte bekommen.“
Manche sprechen gar von einer „Parkerisierung“ der Weinbranche. So schrieb der Weinautor Manfred Klimek vor zwei Jahren: „Parker hat der Welt seinen Coca Cola-Weingeschmack aufgezwungen. Fette, marmeladige, tanninreiche und fruchtig-alkoholische Weine. Mit dieser Politik ging der Weinwelt ein Teil ihrer Vielfalt verloren.“
Parker hat die Branche nachhaltig verändert. Eigentlich war Parker ein Rechtsanwalt, der in seiner Freizeit gerne Wein trank. Doch 1987 machte der Amerikaner sein Hobby zum Beruf: Er publizierte seine Weinempfehlungen alle zwei Wochen in seinem Newsletter „The Wine Advocate“. Seine Art der Kritik war völlig neu: Er beurteilte Weine auf einer 100 Punkte-Skala, seine Notizen waren kurz und schnörkellos – eine Revolution in einer bis dato von blumigen Worten geprägten Zunft. Nicht zuletzt durch unkonventionelle Empfehlungen bekam Parker weltweite Resonanz und seine Punkte entwickelten sich zu einem Maßstab.
In seinem System gelten Weine unter 80 Punkte als durchschnittlich, bei 50 abwärts empfindet Parker sie ungenießbar. Zwischen 80 und 90 bekommen gute Weine, vergibt er mehr als 90 ist das wie ein Ritterschlag für Winzer. Die 100 Punkte gelten als nahezu unerreichbar.
Umso mehr gilt es als Branchensensation, dass das Mosel-Weingut Molitor am vergangenen Wochenende dreimal 100-Punkte abgeräumt hat. Ob diese Punktewährung noch so hart ist wie vor Parkers Rückzug, wird sich jedoch erst in vielen Jahren zeigen.