Im Office von Paydirekt am Finanzplatz Frankfurt herrscht Start-up-Atmosphäre. Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter quetschen sich mit ihren Laptops an langen Tischen in Gemeinschaftsräumen zusammen, manche besetzen sogar die Stehpulte auf den engen Fluren. Selbst die Chefbüros der Geschäftsführer Niklas Bartelt und Helmut Wißmann werden für Meetings genutzt. 30 interne Mitarbeiter arbeiten für Paydirekt, mit externen Kräften sind es insgesamt 80.
An diesem Dienstag ist Tag zwei nach Beginn der Pilotphase eines der größten Kooperationsprojekte, das die deutsche Kreditwirtschaft - bestehend aus privaten Banken, Volksbanken und Sparkassen - je auf die Beine gestellt hat. Möglich gemacht hat es das relativ überschaubare Team von Paydirekt in Frankfurt. Zu diesem Anlass lüftet das Unternehmen erstmals den Schleier über dem neuen Online-Bezahlsystem, das es deutschen Bankkunden endlich ermöglichen soll, ihre Einkäufe im Internet direkt über das altvertraute Girokonto abzuwickeln.
„Wir haben viel geschafft, aber es ist auch noch viel zu tun“, sagt Geschäftsführer Bartelt. Am Montag hat die Münchner HypoVereinsbank die Pilotphase von Paydirekt eingeläutet. Angeschlossen ist der Online-Möbelhändler D-Living. Die erste Transaktion war der Kauf einer Dartscheibe, bestellt von einem HVB-Mitarbeiter. Bei Paydirekt feiert man das nun als einen Treffer ins Schwarze.
Jetzt geht es darum, schnell eine kritische Masse von Onlinehändlern an Paydirekt anzuschließen, damit die Nutzer rechtzeitig zum bevorstehenden Weihnachtsgeschäft auf Einkaufstour gehen können. Bartelt und Wißmann wollen aber keinen „großen Knall“ mit dem alle deutschen Banken auf einen Schlag Paydirekt einführen würden. Stattdessen geben sie die Parole vom „sukzessiven Hochfahren“ aus, ein Begriff, der heute bei vielen ihrer Antworten auf Journalistenfragen zu Paydirekt fällt.
Im Klartext: Händler werden nach und nach angeschlossen, ebenso schaltet jede Bank das System nach eigenem Zeitplan live. „Ende des Jahres werden wir am Markt sein“, verspricht Bartelt. Überzeugen will Paydirekt Konsumenten und Onlinehändler mit Vorzügen gegenüber dem etablierten und weit verbreiteten Bezahlverfahren PayPal, das den Markt dominiert und 50.000 deutsche Händler im Portfolio führt. Paydirekt will einfacher sein als der Platzhirsch - und sicherer.
Nutzer registrieren sich per TAN über das gewohnte Onlinebanking ihrer Bank bei Paydirekt. Danach können sie in teilnehmenden Internetshops ihre Einkäufe mit einem Nutzernamen und Passwort bezahlen, anschließend wird sofort ihr Girokonto belastet. Es kommt also keine Drittanbieter oder Verrechnungskonto ins Spiel. Bei besonders teuren Einkäufen oder der Bestellung von betrugsanfälligen Produkten kann Paydirekt zusätzlich zum Passwort eine TAN abfragen. Wer will, kann sich auch spontan auf der Seite eines Onlineshops registrieren und die Anmeldung später über sein Onlinebankingportal bestätigen.
Vorteile beim Datenschutz
Die bei Paydirekt engagierten Banken führen 50 Millionen onlinefähige Girokonten, ein Pfund, mit dem das neue Zahlverfahren jetzt wuchern will. Der Reiz für Händler: Hinter den Bankkonten stehen nur echte Kunden, deren Identität die kontoführende Bank aufgrund von strengen Regulierungsvorschriften etwa gegen Geldwäsche bereits sorgfältig überprüft hat. Internetbetrüger mit Scheinidentitäten sind bei Paydirekt also nahezu ausgeschlossen. Zudem ist das Alter des Kunden bekannt, was für viele Online-Bestellungen wichtig ist.
Die zehn wichtigsten jungen Finanzdienste aus dem Internet
Die zehn wichtigsten jungen Internet-Finanzdienste
Quelle: Unternehmen, eigene Recherche
Geschäftsmodell: Girokonto auf dem Smartphone
Sitz: Berlin
gegründet: 2013 von Jonas Piela, Oliver Lukesch und Wilken Bruns
größte Geldgeber: Business Angels
Nutzer: nicht veröffentlicht
Mitarbeiter: 9
Geschäftsmodell: Social Trading: ambitionierte Anleger folgen erfahrenen Spekulanten
Sitz: Frankfurt, London
gegründet: 2009 von Robert Lempka und Thomas Winkler
größte Geldgeber: Luminor Capital
Nutzer: 80.000
Mitarbeiter: 47
Geschäftsmodell: Internet-Zahldienst und Festgeld
Sitz: Stockholm, Köln
gegründet: 2005 von Sebastian Siemiatkowski
größte Geldgeber: Sequoia Capital, Atomico
Nutzer: 25 Millionen
Mitarbeiter: 1.100
Geschäftsmodell: Scoring-Algorithmus zum Aufbau einer digitalen Bank
Sitz: Hamburg
gegründet: 2012 von Sebastian Diemer
Investoren: Värde Partners, Blumberg Capital, Pont Nine Capital
Kunden: 2 Millionen Nutzer gescored, bei 9 Niederlassungen
Mitarbeiter: mehr als 200
Stand:Oktober 2014
Geschäftsmodell: Private Finanzplanung über soziales Netzwerk
Sitz: Köln
gegründet: 2012 von Dieter Fromm und Johannes Cremer
größte Geldgeber: Dieter von Holtzbrinck Ventures, Family Offices
Nutzer: etwa 5000
Mitarbeiter: 12
Geschäftsmodell: Vermittlung von Bank- und Privatkrediten
Sitz: Berlin
gegründet: 2007 von Alexander Artopé und Eckart Vierkant
größte Geldgeber: Earlybird
Nutzer: nicht veröffentlicht
Mitarbeiter: über 100
Geschäftsmodell: Kursprognosen durch Auswertung sozialer Netzwerke
Sitz: Köln
gegründet: 2011 von Jonas Krauß und Stefan Nann
größte Geldgeber: Ayondo, eigenes Management
Nutzer: 2.700
Mitarbeiter: 7
Geschäftsmodell: Automatisierte Geldanlage
Sitz: Frankfurt
gegründet: 2013 von Thomas Bloch, Yassin Hankir und Oliver Vins
größte Geldgeber: Business Angels
Nutzer: 200 Testkunden, Ziel bis 2018: 100.000
Mitarbeiter: 14
Geschäftsmodell: Festgeldanlagen bei internationalen Banken
Sitz: Berlin
gegründet: 2013 von Tamaz Georgadze, Frank Freund, Michael Stephan
größte Geldgeber: Index Ventures
Nutzer: Etwa 5.000
Mitarbeiter: 30
Geschäftsmodell: Social Trading: Anleger folgen erfahrenen Händlern und Profis
Sitz: Wien
gegründet: 2011 von Andreas Kern
größte Geldgeber: Speedinvest, Verlagsgruppe Handelsblatt
Nutzer: 28.000
Mitarbeiter: 24
Einen weiteren Vorteil von Paydirekt sehen Bartelt und Wißmann beim Datenschutz. Die Rechner, über die das System läuft, stehen in Nürnberg, es gelten also Deutsche Vorschriften. Außerdem gelobt Paydirekt, keine Daten über die Transaktionen von Nutzern herauszugeben, auch nicht an die teilnehmenden Händler. Die können sich dank der Schweigepflicht darauf verlassen, dass ihre mühsam erhobenen Erkenntnisse über das Käuferverhalten nicht an zahlende Konkurrenten weiter gegeben werden. Den Shops bleibt damit aber natürlich der Blick auf die Transaktionen ihrer eigenen Kunden.
Damit Nutzer überhaupt in den Genuss der Vorzüge von Paydirekt kommen können, muss sich das System im Handel verbreiten. Und genau da liegt das Problem. Denn die Banken gehen derzeit separat auf die Suche nach Partnern, die das neue Zahlverfahren in ihrem Internetshop anbieten sollen. Freigeschaltet wird ein Shop erst, wenn er mit allen bei Paydirekt teilnehmenden Banken Verträge geschlossen hat. Anbieter von Zahlungsdiensten wie Computop, mit denen Paydirekt zusammenarbeitet, können jedoch mehrere Händler auf einmal anschließen, was den Prozess beschleunigt.
Das Geschäft mit dem Onlinezahlen ist umkämpft, denn neben PayPal und bald Paydirekt gibt es noch die Konkurrenten Klarna oder SOFORT Überweisung. Der Eintritt eines neuen Anbieters dürfte daher mit sinkenden Gebühren einhergehen, zumal Paydirekt nicht in erster Linie auf Profit ausgerichtet ist, sondern vor allem den Zahlungsverkehr im Internet zu den Banken zurückholen soll.
Wie bei jedem Zahlungssystem werden auch bei Paydirekt Gebühren fällig. Dabei nimmt die Hausbank des Nutzers für jede Zahlung eine zuvor individuell ausgehandelte Gebühr von der Bank des Onlinehändlers, bei dem eingekauft wurde. Die Kosten werden dem Händler belastet. Ob der sie über den Produktpreis an seine Kunden weiter gibt, entscheidet sein Geschäftsmodell – und seine Marktmacht.