Pepsi und Coca-Cola Indiens Krieg gegen die US-Brause

Rund eine Million indische Händler boykottieren die Getränke von Pepsi und Coca-Cola. Öffentlich werfen sie den US-Konzernen die Plünderung von Wasserreserven vor. Doch in dem Streit geht es mehr als Umweltsünden.

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Händler in Indien wollen mehr einheimische Produkte verkaufen – und boykottieren amerikanische Softdrink-Hersteller. Quelle: dpa

Bangkok Der Zeitpunkt ihres Besuches hätte kaum unglücklicher sein können: Zwischen den Terminen ihrer Indien-Visite drängte sich Pepsi-Chefin Indra Nooyi durch Ansammlungen von Reportern. Mit gesenktem Kopf wehrte die Chefin des Weltkonzerns jede Frage der Journalisten ab. Ihre einzigen Worte: „Kein Kommentar”.

Es hätte ein leichtes Heimspiel für die indisch-stämmige Managerin des amerikanischen Konzerns werden können. Doch während sich Nooyi mit indischen Spitzenpolitikern traf, räumten rund eine Million Händler die Getränke von Pepsi aus den Regalen. Im Bundesstaat Tamil Nadu mit rund 70 Millionen Einwohnern hatten mächtige Händlerverbände zum Boykott ihres Unternehmens sowie von Coca-Cola aufgerufen. Der Großteil der Mitglieder schlossen sich den Organisatoren zufolge dem Protest an.

Einer der Vorwürfe der Händler: Die Getränkehersteller würden die Wasserreserven des von Trockenheit geplagten Bundesstaates plündern. Dass ein Gericht diese Woche entschied, dass es dafür keinerlei Beweise gebe und zwei Fabriken wieder ihre Produktion aufnehmen dürfen, heizte die Wut noch weiter an.

Doch tatsächlich geht es in diesem Streit längst nicht mehr nur um Wasser, wie die Gegner der US-Konzerne selbst zugeben. Der Protest wirft vielmehr ein Schlaglicht auf die wachsende Skepsis vieler Inder gegen westliche Einflüsse und multinationale Unternehmen – und den Wunsch, eigene Marken zu fördern. „Es gibt tausende unbekannte Marken, die von Pepsi und Coke zerdrückt werden. Sie haben einfach keine Chance”, sagte Vikrama Raja, Präsident eines Händlerverbandes in Tamil Nadu.

Die Idee für den Boykott entstand bereits im Januar und hatte einen ungewöhnlichen Ursprung: Anfang des Jahres protestierten Hunderttausende gegen ein Verbot des traditionellen Stierkampfes Jallikattu. Vor allem die amerikanische Tierschutzorganisation Peta hatte sich dafür eingesetzt, dass dem brutalen Sport ein Ende gesetzt wird – und damit viel Zorn auf sich gezogen.

Doch der Stier-Wettkampf hat im Süden Indiens eine enorme wirtschaftliche und kulturelle Bedeutung. Die Jallikattu-Fans, darunter zahlreiche Jugendliche, organisierten Generalstreiks. Bei Unruhen wurden zwei Menschen getötet. Der Hass auf die amerikanischen Tierschützer von Peta übertrug sich schließlich auf alles Fremde, das die Kultur der südindischen Tamilen angeblich unterdrücken würde – auch auf die omnipräsenten amerikanischen Softdrink-Hersteller, die dazu auch noch ungesund seien und dem Land das Wasser raubten.

Schon früher hatte es Boykott-Aufrufe gegen die US-Marken gegeben. Die verliefen sich jedoch, weil die Öffentlichkeit nicht auf amerikanische Softdrinks verzichten wollte. Mit dem Schwung aus den Jallikattu-Protesten könnte es diesmal anders sein, hoffen die Brause-Rebellen. Der bekannte indische Markenexperte Harish Bijoor befürchtet sogar, dass aus dem Aufstand der Tamilen gegen Pepsi und Coca-Cola „eine nationale Bewegung werden könnte”.


„Buy Indian”

So weit muss es nicht kommen. Doch der Boykott kommt zu einer Zeit, in der der Nationalismus und Traditionalismus in Indien ohnehin auf dem Vormarsch sind. Die Regierung drängt darauf, dass morgens alle Kinder in der Schule die Nationalhymne singen; ein Yoga-Minister soll die Traditionen des alten Indiens wiederbeleben. Wirtschaftlich öffnet Regierungschef Narendra Modi das Land zwar für mehr Direktinvestitionen. Doch gleichzeitig drängt er Unternehmen dazu, im Land zu produzieren und lässt gerade eine „Buy Indian”-Richtlinie für öffentliche Beschaffungen ausarbeiten. Nicht selten wird Modi mit dem neuen US-Präsidenten Donald Trump verglichen.

Unternehmen passen sich dem neuen patriotischen Geist bereits an: Als Modi ins benachbarte Pakistan indische Truppen auf Terroristen-Jagd schickte, schaltete der Motorradhersteller Hero-Motor-Corpates TV-Werbespots mit dem Slogan „Hero salutes the real heros” und ließ darin auch Kinder militärisch grüßen. Die deutsche Lufthansa wirbt mittlerweile in Indien mit dem Slogan: „Indischer als Sie denken”. Es ist der erste länderspezifische Slogan der Fluggesellschaft überhaupt.

Besonders in der Konsumgüterbranche rückt der Patriotismus in den Vordergrund. Allen voran gehen der Yoga-Guru Baba Ramdev und dessen Partner Acharya Balkrishna, deren junges Unternehmen Patanjali derzeit den indischen Konsumgütermarkt aufmischt. Patanjali setzt dabei auf vermeintlich natürliche Zutaten, Rezepte nach der traditionellen indischen Heilkunst Ayurweda und soziales Engagement. Guru Ramdev selbst ist das Aushängeschild der Marke: Man sieht ihn prinzipiell nur mit zotteligen Haaren, einem Rauschebart und in einem safranfarbigen Gewand.

So hetzt der zum Geschäftsmann gewordene Guru dann gegen die großen Multis: „Sie haben unsere Wirtschaft zu einem Gefangenen ihrer Interessen gemacht und Tausende geknechtet”, warf Ramdev in einem Interview den großen Konzernen vor. Pepsi und Coca-Cola sind für ihn die „größten Verschmutzer unseres Landes”. Mit Indiens Regierung versteht sich Ramdev dagegen blendend: Man lobt sich gerne gegenseitig für das Engagement für die indische Kultur.

Die indische Handelskammer Assocham feiert Patanjali bereits als „disruptive Kraft im indischen Konsumartikelmarkt”. Allein im vergangenen Geschäftsjahr konnte Patanjali seinen Umsatz um mehr 150 Prozent steigern – während die meisten Konkurrenten nur einstellig zulegten. Bis 2020 soll das Unternehmen eine Milliarde US-Dollar Umsatz erzielen.

„Die indische Gesellschaft beschäftigt sich derzeit sehr damit, was ihre Wurzeln ausmacht”, sagt Ram Gudipati, Chef der indischen Werbeagentur Brand Harvest. Westliche Konzerne könnten sich das jedoch auch zunutze machen. „Beispielsweise, indem sie sich ebenfalls auf traditionelle indische Zutaten berufen”. Konzerne wie Unilever und Colgate Palmolive sind bereits auf den Indien-Kult aufgesprungen und werben nun ebenfalls mit alter indischer Kräuterkunde.

Auch Pepsi versucht während des Boykotts wieder etwas näher an die wütenden Inder heranzurücken. In einem Statement nach einem Treffen mit Regierungschef Modi ließ Pepsi-Chefin Nooyi am Freitag mitteilen, „künftig mehr in Indien hergestellte Früchte in unseren Erfrischungsgetränken zu nutzen”. Ob das allerdings ausreicht, die Gemüter schnell zu besänftigen, ist fraglich.

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