Die Gesellschaft für Konsumforschung (GfK) bestätigt seine Aussage. Seit Anfang des Jahrtausends stieg beispielsweise der Anteil der Waren des täglichen Bedarfs, die zu Sonderkonditionen verkauft werden, um 125 Prozent. Angebote, die nur mit niedrigerem Preis locken, verlieren an Schlagkraft. „Promotions sind dann erfolgreich, wenn ein günstiger Preis verbunden ist mit einer starken Marke, wenn sie das Bedürfnis des Verbrauchers genau treffen oder wenn mit Verknappung gearbeitet wird“, erklärt Tautscher. Gerade letzteres schaffen Modeketten wie Zara und H&M sehr gut. Dort gebe es bestimmte Kleidungsstücke nur für kurze Zeit. Wer dann nicht zuschlägt, hat keine Chance mehr, das spezielle Hemd oder Kleid zu kaufen. Dann ist es einfach vergriffen.
Lange Zeit war Aldi mit dieser Verknappung im PC-Geschäft erfolgreich. Am Erstverkaufstag bildeten sich lange Schlangen vor den Filialen. Nicht nur Computer-Laien, sondern auch echte Freaks wussten, dass das Angebot ein echtes Schnäppchen war. Das bestätigten regelmäßig auch schon vor Verkaufsstart diverse Testmagazine. Die Verbraucher hatten sich darauf schnell eingestellt. Sie wussten: Wer nicht sofort einen neuen Rechner braucht, sondern ein wenig warten kann, bekommt mit dem nächsten Aldi-PC ein Gerät mit sehr gutem Preis-Leistungs-Verhältnis.
Doch die Zeiten des großen Run auf den Aldi-PC sind vorbei. Jetzt stehen die Kisten auch noch am Ende der Aktionswoche in den Filialen. Ähnliche Angebote gibt es längst nicht mehr nur beim Discounter der Gebrüder Albrecht. Die Wettbewerber haben nachgezogen, und wer nur ein bisschen im Internet recherchiert, findet durchaus ähnlich ausgestattete Rechner.
Käufer-, statt Angebotsmarkt
„Der Verbraucher weiß heute, dass er gute Qualität zum günstigen Preis bekommen kann“, sagt denn auch Marktpsychologe Tautscher. Der Preis als Qualitätsindikator taugt heute nicht mehr. Die GfK hat das bereits im Januar 2013 in einer repräsentativen Studie mit 2000 Verbrauchern ermittelt: Nicht einmal die Hälfte der Deutschen geht von einem stabilen Verhältnis des Preises zur Qualität der angebotenen Ware aus. Auch deshalb informiert sich der Verbraucher heute besser als früher. „Er weiß, was er bekommen kann. Wir haben zurzeit einen Käufermarkt, weniger einen Angebotsmarkt“, ist Tautscher überzeugt. Den Kunden richtig anzusprechen und von den eigenen Angeboten zu überzeugen, wird immer komplexer. Große Unternehmen hätten dazu ihre Fähigkeiten perfektioniert. Sie stellen sich zum Teil mit großem Aufwand auf Kundenwünsche ein – beispielsweise mit Backautomaten im Lebensmitteleinzelhandel. Kleine Händler können sich das kaum leisten. „Wir sehen deshalb zurzeit eine Konzentration: Die Großen werden größer, die Reichen werden reicher – wie man beispielsweise am Erfolg von Aldi und Ikea sehen kann“ so Tautscher.
Doch diese Entwicklung hält der Handelsexperte nicht für unabänderlich. Er sieht deutliche Anzeichen, dass das Pendel bald in die andere Richtung schlagen könnte. Der Kunde werde müde, in allen Städten und auch in anderen Ländern immer nur die gleichen Marken kaufen zu können. „In Berlin entstehen gerade kleine, kreative Unternehmen, die Kunden gewinnen und binden können, weil sie etwas anderes bieten“, so Tautscher. Für immer mehr Verbraucher spielten bei ihrer Kaufentscheidung Aspekte jenseits von Preis und Qualität eine Rolle. Dazu zählen etwa faire Bezahlung der Produzenten und Mitarbeiter, nachhaltiges Wirtschaften und Transparenz in der Lieferkette. Nicht nur die Zielgruppe der LOHAS (Lifestyles of health and Sustainability) legt darauf wert. „Auch der preissensiblere Kunde achtet heute verstärkt auf die Rahmenbedingungen, wie ein Angebot zustande kommt“, sagt Tautscher. „Kunden akzeptieren immer weniger, wenn beispielsweise Waren aus Kinderarbeit stammen oder Unternehmen wie Amazon und Zalando wegen ihrer Arbeitsbedingungen negativ in die öffentliche Diskussion kommen.“
Einen höheren Preis akzeptieren Kunden allerdings auch nicht. „Seit ‚Bio‘ im Discounter angekommen und damit zur Commodity geworden ist, weiß der Kunde, dass es diese Qualität eben auch preiswert gibt“, so Tautscher. Das setze Unternehmen vom Produzenten bis zum Handler unter Druck. „Aber es öffnet auch Perspektiven für kleinere Unternehmen. Lokale Biermarken schaffen es beispielsweise recht gut, sich vom Trend zur schieren Größe abzukoppeln.“