Planwirtschaft durch Aktionsware Die Verkaufstricks der Discounter

Mit Sonderangeboten und Aktionswaren lockt uns der Handel in seine Geschäfte. Längst haben wir uns daran gewöhnt und darauf eingestellt. Geht das auch so weit, dass wir nur noch zur wohl geplanten Aktionszeit kaufen?

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Wer Aldi und Lidl herausfordert
Platz 10 - Dollar Tree (USA) - 6,1 Milliarden Euro UmsatzDer US-Discounter folgt einem einfachen Konzept: Nichts kostet mehr als einen Dollar. Damit wächst der Umsatz rasant. Allein 2012 hat Dollar Tree 345 neue Märkte eröffnet. Bisher konzentriert sich das Unternehmen aber auf die USA und Kanada.
Platz 9 - Rema 1000 (Norwegen) - 6,58 Milliarden Euro UmsatzGründer Odd Reitan ist soetwas wie der Theo Albrecht Skandinaviens. In seinen einfach eingerichteten Märkten verkaufte er 500 Artikel, deshalb taufte er seinen ersten Supermarkt Reitan Mart 500. Mit der Produktpalette wuchs auch die Zahl der Filialen in Norwegen, Dänemark und Schweden.
Platz 8 - Biedronka (Polen) - 7,25 Milliarden Euro UmsatzDie größte Supermarktkette Polens hat zwar polnische Wurzeln, ist aber seit 1998 und der Übernahme durch Jerónimo Martins fest in portugiesischer Hand. Der Name bedeutet übersetzt Marienkäfer.
Platz 7 - Family Dollar (USA) - 7,64 Milliarden Euro UmsatzAls der erste Markt in Charlotte, North Carolina, seine Pforten öffnete, war Gründer Leon Levine gerade 21 Jahre alt. Mittlerweile ist sein Unternehmen auf 7.100 Filialen angewachsen. 90 Prozent aller Artikel kosten weniger als 10 Dollar.
Platz 6 - Dia (Spanien) - 11,67 Milliarden Euro UmsatzIn Deutschland machte der spanische Discounter Schlagzeilen, weil er 2013 die spanischen Filialen von Schlecker übernahm. International ist der Konzern breit aufgestellt. Dia-Filialen gibt es in Argentinien, Brasilien, Griechenland und in der Türkei. In Portugal firmiert der Konzern unter dem Namen "Minipreço", in Frankreich unter dem Namen "Ed".
Platz 5 - Penny Markt (Deutschland) - 11,84 Milliarden Euro UmsatzDer Discounter der Rewe Gruppe verpasste sich Anfang 2012 ein neues Logo. Neben dem deutschen Markt ist das Unternehmen auch in Italien, Ungarn, Rumänien, Bulgarien, Tschechien und Österreich aktiv.
Platz 4 - Dollar General (USA) - 13,11 Milliarden Euro UmsatzUm satte zwei Milliarden Euro konnte Amerikas größte Discounterkette ihren Umsatz im Jahr 2012 steigern. In den USA betreibt das Unternehmen über 10.000 Läden. Vor allem in kleinen US-Gemeinden, die von den Handelsriesen ignoriert werden, zeigt das Unternehmen Präsenz.

Sonnenschutz kurz vor Sommeranfang, Schreibwaren zum Beginn des Schuljahres und Skiklamotten im November, rechtzeitig zum Start der Skisaison – längst haben wir uns daran gewöhnt, dass es zur richtigen Zeit auch das passende Angebot im Discounter gibt. Ein Discounter-Fan beobachtet das ziemlich genau: Matthias Kövér betreibt das discounter-archiv.de. Auf dieser Webseite sammelt der selbstständige Programmierer die Sonderangebote von Aldi Nord, Aldi Süd, Lidl und Norma, teilweise schon seit 1999.

„Ich habe vorher schon eine Seite gebaut, die sich mit Aldi beschäftigt hat“, erzählt der Kölner „Dort konnten Kunden eintragen, in welcher Filiale der Kunde rechts oder links herum zur Kasse geht. Damals haben sich erstaunlich viele Internet-Surfer daran beteiligt.“ Der Erfolg brachte ihn dazu, den größten Discounter in Deutschland genauer zu beobachten. Dabei fiel ihm auf, dass sich dessen Angebote in schöner Regelmäßigkeit wiederholten. So fing Kövér an, Informationen zu Aktionswaren zu sammeln, mit denen er den Angebotsrhythmus aufzeigen kann. Mittlerweile hat er seine Webseite um die Promotions von Lidl und Norma ergänzt. Seine Datensammlung hält er für so groß und solide, dass er sich auch Aussagen über die kommenden Angebote zutraut. Auf seiner Webseite nennt er das „Aldi-Orakel“. Hier zeigt er, basierend auf den Daten über Sonderangebote der vergangenen Jahre, welche Artikel voraussichtlich an den nächsten vier Aktionstagen in die Filialen bringt.

Warum Aldi billig ist

Gesteuert von der Angebotsplanung der Discounter?

„Wir haben auch eine Suchfunktion integriert, über die der Nutzer nach einem Artikel suchen kann“, erklärt Körvér. „Er erhält dann eine Liste, wann das Passende in den Läden war, und kann selbst ableiten, wann er das von ihm gesuchte Produkt im Discounter kaufen kann.“ Diese Vorhersage, das räumt Körvér ein, funktioniert bei Aldi Nord und Süd am besten. Die Daten von Lidl und Norma pflegt er nicht mit derselben Akribie. Zwar laufen die meisten Informationen automatisch ins System ein, doch es müssen eben doch immer eine ganze Reihe an Korrekturen manuell vorgenommen werden. Und das für alle Discounter zu machen, ist für sein kleines Team an Discounter-Fans zu viel Aufwand.

Doch die Internet-Surfer scheinen dieses Manko gut verkraften zu können. Dafür, dass für die Webseite nicht geworben wird, ist sie erstaunlich erfolgreich: Rund 400.000 Besucher verzeichnet sie im Schnitt jeden Monat. „Vor Weihnachten gibt’s mal einen Anstieg. Der liegt aber wahrscheinlich weniger an der Geschenkesuche fürs Fest als möglicherweise daran, dass die Leute in der dunklen Jahreszeit einfach mehr Zeit vor dem Computer verbringen“, spekuliert Körvér.

Das Webseite Discounter-Archiv ermöglicht einen tiefen Einblick in die Angebotsplanung der großen Discounter. Wer hier nach einem bestimmten Artikel sucht, findet hier schnell den Zeitpunkt, zu dem dieser voraussichtlich wieder als Aktionsware in den Laden kommt. (zum Vergrößern bitte anklicken) Quelle: Screenshot

Jedenfalls bietet das Discounter-Archiv eine gute Möglichkeit, den richtigen Zeitpunkt für die eine oder andere Anschaffung relativ gut planen zu können. Die Discounter selbst sind bei der Informationen eher zurückhaltend. Lidl will sich wie Norma aus Wettbewerbsgründen nicht in die Karten seiner Angebotsplanung gucken lassen. Und auch Aldi Süd rückt nicht mit viel mehr Informationen heraus. Allerdings hat man hier das Informationsbedürfnis der Kunden erkannt und verweist auf Anfrage auf Erinnerungsfunktion und Newsletter auf der eigenen Webseite, mit denen Kunden auf Wunsch ihre Lieblingsangebote nicht verpassen.

Doch wie gut funktionieren Sonderangebote? Richten wir uns bei unseren Einkäufen nach ihnen? Bewegen wir uns gar auf eine Planwirtschaft zu, die von der Angebotsplanung der Discounter gesteuert wird?

Nein, das sieht Manfred Tautscher, Geschäftsführer des Sinus-Instituts für Markt- und Sozialforschung, nicht so. „Sonderaktionen sind für den Verbraucher mittlerweile zum Normalzustand geworden“, sagt er. „Wer heute gut informiert ist, kann immer günstig einkaufen.“

Der Preis als Qualitätsindikator?

Die Gesellschaft für Konsumforschung (GfK) bestätigt seine Aussage. Seit Anfang des Jahrtausends stieg beispielsweise der Anteil der Waren des täglichen Bedarfs, die zu Sonderkonditionen verkauft werden, um 125 Prozent. Angebote, die nur mit niedrigerem Preis locken, verlieren an Schlagkraft. „Promotions sind dann erfolgreich, wenn ein günstiger Preis verbunden ist mit einer starken Marke, wenn sie das Bedürfnis des Verbrauchers genau treffen oder wenn mit Verknappung gearbeitet wird“, erklärt Tautscher. Gerade letzteres schaffen Modeketten wie Zara und H&M sehr gut. Dort gebe es bestimmte Kleidungsstücke nur für kurze Zeit. Wer dann nicht zuschlägt, hat keine Chance mehr, das spezielle Hemd oder Kleid zu kaufen. Dann ist es einfach vergriffen.

Welchen Einfluss Kinder auf den Konsum ihrer Eltern haben
Die KidsVerbraucherAnalyse (KidsVA) befasst sich bereits zum dritten Mal in Folge mit dem Medien- und Konsumverhalten von Kindern und Jugendlichen im Alter von sechs bis 13 Jahren. Die Studie bildet die Kaufentscheidungen von insgesamt 5,92 Millionen Kindern und deren Eltern in Deutschland ab. Eines der zentralen Ergebnisse: Die Kinder haben ein sehr großes Mitspracherecht: Bei Anschaffungen der Eltern fürs Kind wird der Nachwuchs meist selbst gefragt - seien es nun Spielsachen, Kleidung oder Möbel. Quelle: dpa
„Kinder sind in den Familien in allen wichtigen Entscheidungen, die ihre Freizeit- und Konsumwelt betreffen, stark eingebunden. Zusätzlich besitzen sie ein hohes Maß an Autonomie und weiterhin eine hohe finanzielle Ausstattung. Zu diesen Faktoren kommt hinzu, dass bei den Kindern das Markenbewusstsein steigt sowie die Bereitschaft der Eltern, deren Wünsche weitgehend zu erfüllen. Junge Zielgruppen bleiben damit für die Wirtschaft wertvolle Ansprechpartner“, sagt Ingo Höhn, Geschäftsleiter der Egmont MediaSolutions. Quelle: dpa
Auch bei der Urlaubsplanung und der Freizeitgestaltung haben Kinder volles Stimmrecht. So dürfen 86 Prozent der sechs- bis 13-Jährigen mitreden, was die Familie gemeinsam unternimmt und nehmen Einfluss auf Ausflüge in Zoos, Freizeitparks oder zu kulturellen Veranstaltungen. Quelle: dpa
Der hohe Freiheitsgrad zeigt sich zudem in finanzieller Hinsicht: 81 Prozent können frei über ihr Taschengeld verfügen. Die Summe, die den Kindern dabei zur Verfügung steht, hat mit durchschnittlich 27,56 Euro im Monat zum Vorjahr nochmals geringfügig zugenommen (38 Cent). Quelle: dpa
Hinzu kommt Bares an Weihnachten (durchschnittlich 80 Euro), zum Geburtstag (durchschnittlich 64 Euro) sowie bei einigen auch zu Ostern (durchschnittlich 25 Euro). Erstmals erhoben wurde, ob den Kindern zwischendurch etwas Geld zugesteckt wird. Hier sind zwei von drei Großeltern oder andere Verwandte bei Besuchen spendabel. Quelle: dpa
40 Prozent der Eltern lassen auch mal etwas für gute Schulnoten springen und 23 Prozent bekommen Geld fürs Helfen im Haushalt. Ausgegeben wird das Taschengeld für Süßigkeiten, Zeitschriften sowie Essen und Trinken unterwegs. Quelle: dpa
Ebenso erhalten schon mehr als die Hälfte der Vorschulkinder (55 Prozent) eigenes Taschengeld. Hier sind es durchschnittlich 10,68 Euro im Monat (Vorjahr 14,26 Euro). Spendabel zeigt sich auch der Weihnachtsmann mit 79 Euro, zum Geburtstag gibt es 61 Euro und der Osterhase legt 25 Euro ins Nest. Allerdings ist der Anteil der Kinder, die zu diesen Gelegenheiten Geld bekommen, deutlich geringer als bei den Älteren. Jeder zweite Vorschüler bekommt zudem bei Verwandtschaftsbesuchen etwas zugesteckt, um sich kleine Wünsche zu erfüllen. Quelle: dpa

Lange Zeit war Aldi mit dieser Verknappung im PC-Geschäft erfolgreich. Am Erstverkaufstag bildeten sich lange Schlangen vor den Filialen. Nicht nur Computer-Laien, sondern auch echte Freaks wussten, dass das Angebot ein echtes Schnäppchen war. Das bestätigten regelmäßig auch schon vor Verkaufsstart diverse Testmagazine. Die Verbraucher hatten sich darauf schnell eingestellt. Sie wussten: Wer nicht sofort einen neuen Rechner braucht, sondern ein wenig warten kann, bekommt mit dem nächsten Aldi-PC ein Gerät mit sehr gutem Preis-Leistungs-Verhältnis.

Doch die Zeiten des großen Run auf den Aldi-PC sind vorbei. Jetzt stehen die Kisten auch noch am Ende der Aktionswoche in den Filialen. Ähnliche Angebote gibt es längst nicht mehr nur beim Discounter der Gebrüder Albrecht. Die Wettbewerber haben nachgezogen, und wer nur ein bisschen im Internet recherchiert, findet durchaus ähnlich ausgestattete Rechner.

Schnäppchenkalender wie diesen hier von der Bank Ing-Diba, die auf einer Auswertung der Verbraucherpreise beruhen, wie sie das Statistische Bundesamt in Wiesbaden ermittelt, gibt es mittlerweile jede Menge. Sie zeigen, in welchen Monaten zumindest statistisch welche Waren günstig sind. (zum Vergrößern bitte anklicken) Quelle: Screenshot

Käufer-, statt Angebotsmarkt

„Der Verbraucher weiß heute, dass er gute Qualität zum günstigen Preis bekommen kann“, sagt denn auch Marktpsychologe Tautscher. Der Preis als Qualitätsindikator taugt heute nicht mehr. Die GfK hat das bereits im Januar 2013 in einer repräsentativen Studie mit 2000 Verbrauchern ermittelt: Nicht einmal die Hälfte der Deutschen geht von einem stabilen Verhältnis des Preises zur Qualität der angebotenen Ware aus. Auch deshalb informiert sich der Verbraucher heute besser als früher. „Er weiß, was er bekommen kann. Wir haben zurzeit einen Käufermarkt, weniger einen Angebotsmarkt“, ist Tautscher überzeugt. Den Kunden richtig anzusprechen und von den eigenen Angeboten zu überzeugen, wird immer komplexer. Große Unternehmen hätten dazu ihre Fähigkeiten perfektioniert. Sie stellen sich zum Teil mit großem Aufwand auf Kundenwünsche ein – beispielsweise mit Backautomaten im Lebensmitteleinzelhandel. Kleine Händler können sich das kaum leisten. „Wir sehen deshalb zurzeit eine Konzentration: Die Großen werden größer, die Reichen werden reicher – wie man beispielsweise am Erfolg von Aldi und Ikea sehen kann“ so Tautscher.

Doch diese Entwicklung hält der Handelsexperte nicht für unabänderlich. Er sieht deutliche Anzeichen, dass das Pendel bald in die andere Richtung schlagen könnte. Der Kunde werde müde, in allen Städten und auch in anderen Ländern immer nur die gleichen Marken kaufen zu können. „In Berlin entstehen gerade kleine, kreative Unternehmen, die Kunden gewinnen und binden können, weil sie etwas anderes bieten“, so Tautscher. Für immer mehr Verbraucher spielten bei ihrer Kaufentscheidung Aspekte jenseits von Preis und Qualität eine Rolle. Dazu zählen etwa faire Bezahlung der Produzenten und Mitarbeiter, nachhaltiges Wirtschaften und Transparenz in der Lieferkette. Nicht nur die Zielgruppe der LOHAS (Lifestyles of health and Sustainability) legt darauf wert. „Auch der preissensiblere Kunde achtet heute verstärkt auf die Rahmenbedingungen, wie ein Angebot zustande kommt“, sagt Tautscher. „Kunden akzeptieren immer weniger, wenn beispielsweise Waren aus Kinderarbeit stammen oder Unternehmen wie Amazon und Zalando wegen ihrer Arbeitsbedingungen negativ in die öffentliche Diskussion kommen.“

Einen höheren Preis akzeptieren Kunden allerdings auch nicht. „Seit ‚Bio‘ im Discounter angekommen und damit zur Commodity geworden ist, weiß der Kunde, dass es diese Qualität eben auch preiswert gibt“, so Tautscher. Das setze Unternehmen vom Produzenten bis zum Handler unter Druck. „Aber es öffnet auch Perspektiven für kleinere Unternehmen. Lokale Biermarken schaffen es beispielsweise recht gut, sich vom Trend zur schieren Größe abzukoppeln.“

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