Possehl Uraltes Netzwerk soll Manroland helfen

Der Mischkonzern, der Teile des bankrotten Druckmaschinenbauers Manroland übernehmen will, bewies bisher viel Geschick mit Unternehmen aus fremden Branchen.

  • Teilen per:
  • Teilen per:
Mitarbeiter kommen aus dem Gebäude der Possehl & Co. GmbH in der Lübecker Innenstadt. Quelle: dpa

Der Name Possehl wirkt auf alteingesessener Lübecker wie ein Heilpflaster. Einschlägige Dankesreden sind in der alten Hansestadt so häufig wie Seemöwen über der Trave: auf die Firma, ihren 1915 kinderlos verblichenen Gründersohn, Emil Possehl, auf dessen gleichnamige Stiftung, die alte Kirchen und Häuser saniert oder Lübecker Schulen mit Heizungen ausstattet.

Vor allem aber hält der Nachlass-Verwalter des einstigen Senators 100 Prozent des Lübecker Mischkonzerns Possehl, der 1,7 Milliarden Euro im Jahr umsetzt, 2010 rund 60 Millionen Gewinn machte und mehr als 7000 Beschäftigten in Lohn und Brot hält. Dieses Unternehmen schickt sich nun an, die Herzstücke des bankrotten Augsburger Druckmaschinenbauers Manroland zu übernehmen. Possehl-Chef Uwe Lüders will Herzstücke des einstigen Glanzexemplars deutscher Ingenieurskunst von dessen Insolvenzverwalter übernehmen. Er traut sich zu, den Kernstandort Augsburg mit seiner Fertigung von Rollenoffsetmaschinen für den Zeitungs- und Zeitschriftendruck zu sanieren.

Possehl, wer ist das?, fragten sich viele Mitarbeiter von Manroland, als Mitte der Woche die Nachricht von dem neuen Eigentümer die Runde machte. Noch vor Wochen gab niemand einen Pfifferling auf das Unternehmen, der erste ganz große Opfer des Internets aus der Old Economy.

Erfolgreich seit 1847

Die „Possehlianer“ (Lübecker Insiderjargon) in der Lübecker Beckergrube, dem Stammsitz, sehen Manroland gar nicht so skeptisch. Wie viel ihnen der Einstieg bei Manroland wert ist, will Firmenchef Lüders Ende Januar will Possehl in einem detaillierten Angebot auf den Tisch legen. Sich Zeit lassen, aber couragiert entscheiden, scheint zum Prinzip zu gehören bei dem Unternehmen, das „seit 16 Jahrzehnten“ (Geschäftsbericht) höchst erfolgreich unterschiedlichste Geschäfte betreibt. Possehl wurde 1847 als Kohle- und Stahlhandel von Ludwig Possehl gegründet. Als dessen Sohn, der Senator Emil Possehl starb, konstruierte er die Stiftung, die heute noch dafür sorgt, dass sich die Firma nicht im Familienzwist verheddert.

Gleichwohl ist Possehl keine museale Reliquie, sondern Entscheidungszentrale eines kaum bekannten, aber erfolgreichen, expandierenden Konzerns. 2010 bestand das Konglomerat noch aus 140 Gesellschaften. Dank mutiger Zukäufe, blendender Geschäfte und atemberaubender Zukäufe im Jahr 2011 soll es von 1,7 Milliarden Euro Umsatz wahrscheinlich auf einen Umsatz von 2,5 Milliarden Euro kommen. So etwas nennt man Wachstum.

Retter der Erfolglosen

Nivea-Creme-Dosen Quelle: AP

Possehl ist darauf spezialisiert, Unternehmen zu erwerben, die entweder unter dem Dach anderer Konzerne oder in den Händen zerstrittener wie nachfolgerloser Familienunternehmen keine Zukunft mehr haben. So war es vor 15 Jahren bei Hako, dem Hersteller von Reinigungsmaschinen aus dem Lübecker Nachbarort Oldesloe. Als dessen Erbe, der einstige BDI-Chef Tyll Necker starb, wandte sich die Unternehmerfamilie Hilfe suchend an Possehl, die Hako kauften. Heute trägt das Maschinenunternehmen mit einem Jahresumsatz von 380 Millionen Euro zum Gesamtgeschäft von Possehl bei.

Die Lübecker haben bewiesen, dass sie es verstehen, sich erfolgreich in neue Geschäfte zu begeben, diese in die Gewinnzone bugsieren zu können – oder aber sie wieder zu verkaufen, wenn die Rendite nicht stimmt. So übernahmen sie von der heutigen Chemiesparte Degussa des Essener Mischkonzerns Evonik die Industriebetriebe für die Oberflächenbehandlung von Metallen und machten sie profitabel. Ebenso stiegen sie in die Augsburger Firma Böwe Kuvertiertechnik ein. Und sie investierten munter in ihrem eigenen Geschäftsbereich „Mittelstandsbeteiligungen“. Zu dem bunten Firmensammelsurium gehört die Herstellung von Badvorlegern (Marke: „Kleine Wolke“), das Haushaltswaren-Label Leifheit und Hirtler. Das Unternehmen in Baden-Württemberg stellt Seife für den Hamburger Beiersdorf-Konzern her: Wo Nivea drauf steht, ist Possehl drin. Gleichwohl trennte sich Possehl vor zehn Jahren ganz emotionslos von BMW-Autohäusern in Schleswig-Holstein.

Ein Denker und ein Pragmatiker sollen's richten

Das Erfolgsrezept beschreibt ein Possehlianer so: „Wir berufen in die Leitungen jeweils einen Finanzexperten, der die Märkte kennt und einen bodenständigen Mann, der anpackt“. Wie erfolgreich Possehl im einzelnen ist, wird nicht groß bekannt gegeben.

Umso bekannter ist Possehl-Chef Lüders in der deutschen Wirtschaft. Der seit 2004 amtierende Konzernlenker gehörte vorher zu der Führungsriege jener Topmanager, die ohne Glamour Unternehmen mit klangvollen Namen führen. Volkswirt Lüders wurde von niemand Geringeren als Otto Happel gehärtet, dem früheren Alleininhaber des Bochumer Maschinenbaukonzerns Gea. Happel galt als schwieriger, überaus harter Inhaber. Lüders wollte er sogar zum Gea-Chef machen.

Unumschränkter Herrscher

Eine Auswahl von Produkten der Oetker-Gruppe Quelle: dpa/dpaweb

Doch dann kam die Übernahmeofferte der damalige Metallgesellschaft in Frankfurt 2003. Lüders wurden von deren Vorstandschef Kajo Neukirchen zwar geschätzt. Aber die Hochachtung des Sanierers fiel nicht auf Gegenliebe. Lüders wollte sich nach Happel nicht dem nächsten Egomanen ausliefern und wechselte zum Wetzlarer Heiztechnik-Spezialisten Buderus. Auch dort währte Lüders’ Karriere nicht lange. 2004 griff sich Bosch das Unternehmen. Lüders wich zur Trave aus.

Lüders ist fast unumschränkter Herrscher bei Possehl, der Vorstand besteht außer ihm nur noch aus einem Finanzchef. Die Stiftung besteht aus einem Stiftungsvorstand, der zwar offiziell das Sagen hat, aber mit der Begrenzung auf „geborene Lübecker“, so die Stiftungssatzung, kaum Internationalität in sein Entscheidungszentrum holen kann. Stiftungsvorsitzende ist die Lübecker Apothekerin Renate Menden, die sich vor allem der Wohlfahrtpflege der Possehl-Stiftung in Lübeck widmet - und nur da. Dem Stiftungsgremium gehört nur ein Mitglied aus dem Possehl-Familienstamm an: Erica Bliesener, eine Dressurreiterin aus Travemünde. Der Ex-Medienmanager Rolf Schmidt-Holtz ist Aufsichtsrat bei Possehl.

Weniger durch diese Repräsentanten als durch Unternehmerpersönlichkeiten wird Possehl überwacht. Unter ihnen ist der Aufsichtsratschef Lutz Peters, der neben der Arend-Oetker-Familie zu den Gesellschaftern der Schwartauer Marmeladenwerke gehört. Und auch Werner Redeker, Aufsichtsratschef des Hamburger Zigaretten-Maschinenherstellers Körber (siehe Seite 64), wirkt im Possehl-Aufsichtsrat im Sinne des Stifters und alten Senators. Dessen Lebensmotto hieß schlicht: „Nur unter Druck werden gute Geschäfte gemacht“. Die Manroland-Beschäftigten müssen hoffen, dass Lüders das Vermächtnis auch ihnen gegenüber erfüllt.

© Handelsblatt GmbH – Alle Rechte vorbehalten. Nutzungsrechte erwerben?
Zur Startseite
-0%1%2%3%4%5%6%7%8%9%10%11%12%13%14%15%16%17%18%19%20%21%22%23%24%25%26%27%28%29%30%31%32%33%34%35%36%37%38%39%40%41%42%43%44%45%46%47%48%49%50%51%52%53%54%55%56%57%58%59%60%61%62%63%64%65%66%67%68%69%70%71%72%73%74%75%76%77%78%79%80%81%82%83%84%85%86%87%88%89%90%91%92%93%94%95%96%97%98%99%100%