Rauchfrei im Tabakparadies Nordkoreas Kampf gegen Zigaretten

Nordkorea gilt als eine der letzten Raucher-Bastionen. Wie Machthaber Kim Jong Un sind die meisten Männer fast nie ohne Zigarette zu sehen. Doch nun will die Regierung das gesundheitsschädliche Qualmen eindämmen.

  • Teilen per:
  • Teilen per:
(Fast) nie ohne Zigarette: Nordkoreas Diktator Kim Jong-Un. Quelle: picture alliance/dpa

Pjöngjang Nordkorea gilt als eine der letzten Bastionen des freien und ungehinderten Rauchens. Männer sind nur selten ohne Zigarette in der Hand zu sehen, das gilt auch für Machthaber Kim Jong Un. Doch das soll sich nun ändern: Pjöngjang startet eine offizielle Nichtraucherkampagne.

Es ist nicht das erste Mal, dass das Land der Nikotinsucht den Kampf ansagt. Und dieser dürfte auch im neuen Anlauf nicht leicht zu gewinnen sein, vor allem, da den Behörden jenseits verstärkter Propaganda offenbar kaum finanzielle Mittel zur Verfügung stehen. Dennoch spricht diesmal ein neuer Faktor für die Initiative: die immer lautere Unterstützung der nordkoreanischen Frauen, von denen buchstäblich keine raucht.

Angeführt wird die Bewegung von der 57-jährigen Apothekerin Ri Yong, deren Ehemann, ein starker Raucher, fast an Lungenkrebs gestorben wäre. „Ich war im Fernsehen, meine ganze Familie war im Fernsehen, deshalb kennt mich jeder“, sagt Ri der Nachrichtenagentur AP. Sie steht in einem kleinen Nichtraucherzentrum in der Hauptstadt Pjöngjang, das sie leitet. In dem Büro, einem von elf derartigen im Land, gibt es eine Rarität zu sehen: ein prominent über der Eingangstür platziertes Nichtraucherschild. „Ich bin zuversichtlich, dass wir die Leute dazu bringen können, (mit dem Rauchen) aufzuhören“, sagt die Aktivistin. „Unser Ziel ist Aufklärung.“

Die Vorteile für die Volksgesundheit könnten gewaltig ausfallen. Nach Ris Schätzung sind etwa 54 Prozent aller erwachsenen männlichen Nordkoreaner Raucher. Sie setzt die Zahl damit höher an als die Weltgesundheitsorganisation (WHO), die in einem Ende 2014 veröffentlichten Bericht von 43,9 Prozent ausging. Für Frauen in Nordkorea sind Zigaretten ein soziales Tabu, für alle unter 17 Jahren sind sie gesetzlich verboten.

Mit dem Gedanken, härter gegen die Tabaksucht vorzugehen, hat Nordkorea schon mehrfach gespielt. Ris bescheidenes Zentrum gibt es bereits seit 2007. Doch seit Kim im April einen Nichtrauchererlass verabschiedete, verstärkten die Aktivisten ihre Bemühungen um mehr Aufklärung über die Gesundheitsrisiken des Rauchens.

Die neue Kampagne fachte Spekulationen in ausländischen Medien an, Kim habe selbst das Laster aufgegeben. Fotos der staatlichen Medien schienen dies zu belegen, auf denen der Machthaber ohne Zigarette in der Hand zu sehen war und damit auffiel. Doch schon im Juni verstummten die Gerüchte wieder: Kim wurde beim Besuch eines Kindercamps im Juni rauchend fotografiert.

Bisher wurde der weit verbreitete Nikotinkonsum meist still geduldet. Zwar trat Nordkorea 2005 der Rahmenkonvention der WHO zur Tabakkontrolle bei und begeht jedes Jahr pflichtbewusst den Weltnichtrauchertag am 31. Mai. Dabei strahlte das Staatsfernsehen in diesem Jahr einen Beitrag über Ri und ihre Familie aus. In ihrem Büro wirbt ein großes Poster für den Nichtrauchertag.

Nun hat die Regierung nach eigenen Angaben die Anbauflächen für Tabak verkleinert. Die staatlichen Medien zitierten im Mai einen Sprecher des Gesundheitsministeriums mit den Worten, der Anteil männlicher Raucher seit 2013 im Vergleich zu 2009 um acht Prozent zurückgegangen. „Die Zahl der Nichtraucher steigt mit jedem Tag deutlich an“, hieß es. Ri schätzt, dass von den 24 Millionen Einwohnern des Landes täglich etwa 300 eines der Entwöhnungszentren aufsuchen.


Das große Geschäft mit dem Tabak

Wie andernorts steckt auch in Nordkorea ein großes Geschäft hinter dem Tabakkonsum. Anders als bei vielen anderen Konsumprodukten steht den Verbrauchern bei Zigaretten eine verblüffenden Vielfalt einheimischer Hersteller zur Verfügung. Das Angebot reicht von den begehrten „727“, die nach dem Tag benannt sind, an dem der Koreakrieg 1953 mit einem Waffenstillstand endete, über die Marken „Pyol“ („Stern“) und „Craven“ bis zu „Tazo“ („Strauß“), deren Packung der gleichnamige Laufvogel ziert.

Menthol-Zigaretten existieren quasi nicht. Doch wegen des hohen Konkurrenzdrucks lassen sich die Produzenten immer wieder neue Gimmicks einfallen, so wie aufgedruckte Smileys auf den Filtern oder fruchtige Geschmackszusätze. Die Preisspanne reicht von umgerechnet 4,50 Euro für „727“ bis 6,50 Euro für die beliebte japanische Marke „Seven Star“. Solche importierte Zigaretten sind trotz der internationalen Sanktionen für Luxusgüter-Exporte in Pjöngjang leicht zu bekommen. „Ostrich“ und andere typische einheimische Marken werden schon für umgerechnet 90 Cent oder weniger verkauft.

Die Zigarettenpäckchen müssen inzwischen mit Gesundheitswarnungen versehen sein. Diese sind aber in kleiner Schrift unauffällig an der Seite platziert und weisen nur darauf hin, dass Rauchen der Gesundheit schaden kann. Eine ähnliche Warnung wurde in der Raucherzone am neuen internationalen Flughafen von Pjöngjang aufgehängt. Die meisten Raucher dürften diese aber gar nicht wahrnehmen, denn die Mehrheit steckt sich ihre Zigarette vor dem Flughafengebäude an.

Die Kampagne und der Druck von Frauen, Töchtern, Müttern und Freundinnen scheinen indes zumindest ansatzweise zu fruchten. Der 27-jährige Yun Jin entschloss sich nach eigenen Angaben auf Ris Fernsehauftritt hin, das Rauchen aufzugeben. „Ich habe als Student angefangen zu rauchen und rauche ungefähr zehn Zigaretten am Tag“, sagt der Informatiker vor einem Beratungstermin in Ris Entwöhnungszentrum. „Meine Mutter will, dass ich aufhöre, aber es ist meine Entscheidung.“

Die Beratungen in dem Zentrum werden wie alle Gesundheitsleistungen im Land angeboten. Nikotinersatzmittel sind davon aber nicht abgedeckt. Apothekerin Ri hat selbst ein solches Präparat in Tablettenform entwickelt. In den Regalen in ihrem Büro stapeln sich helle Schachteln davon mit Zehn-Tages-Rationen à 21 Dragees für umgerechnet neun Euro.

Das Mittel sei ausschließlich aus traditionellen koreanischen Bergkräutern und Heilpflanzen hergestellt, wirbt sie. „Es ist das beste auf der Welt“, sagt Ri. „Es gibt viele Nichtraucher-Medikamente auf der ganzen Welt, aber sie enthalten Nikotin, deshalb ist unseres besser zum Abgewöhnen. Aber worauf es am Ende ankommt, ist die Entscheidung aufzuhören.“

© Handelsblatt GmbH – Alle Rechte vorbehalten. Nutzungsrechte erwerben?
Zur Startseite
-0%1%2%3%4%5%6%7%8%9%10%11%12%13%14%15%16%17%18%19%20%21%22%23%24%25%26%27%28%29%30%31%32%33%34%35%36%37%38%39%40%41%42%43%44%45%46%47%48%49%50%51%52%53%54%55%56%57%58%59%60%61%62%63%64%65%66%67%68%69%70%71%72%73%74%75%76%77%78%79%80%81%82%83%84%85%86%87%88%89%90%91%92%93%94%95%96%97%98%99%100%