Regionalflughäfen Mit OP-Touristen zum boomenden Airport?

Dortmund führt eine Überholspur am Sicherheitscheck an – gegen Gebühr. Andere Flughäfen setzen auf OP-Touristen oder bemühen sich um neue Subventionen. Stagnierende Passagierzahlen machen Regional-Airports erfinderisch.

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Fluggasttreppe am Flughafen Lübeck: Schwarze Zahlen müssen her, und zwar schnell. Quelle: dpa

Düsseldorf Für fünf Euro auf die Überholspur? In der vergangenen Woche startete der Flughafen Dortmund ein neues Angebot. Dauert es dem Passagier an der Sicherheitskontrolle zu lange, kann er gegen die Zusatzgebühr links vorbeiziehen und Zeit sparen. Flughafenchef Udo Mager spricht von dem Beginn einer „Qualitätsoffensive“ – doch natürlich will der Airport-Manager mit der sogenannten „Fast Lane“ auch Geld verdienen.

Der Flughafen Dortmund steht mit dem neuen Angebot stellvertretend für Deutschlands Regionalflughäfen. Die meisten von ihnen schreiben Millionenverluste. Und seit dem Frühjahr ist klar: Lange geht das nicht mehr gut. Die neuen EU-Leitlinien geben den Regional-Airports nur noch zehn Jahre Zeit, um ohne staatliche Zuschüsse auszukommen. Schwarze Zahlen müssen her, und zwar schnell.

„Die Hälfte der Regionalflughäfen könnte wieder verschwinden“, hat die Wirtschaftsprofessorin und Luftfahrtexpertin Yvonne Ziegler prophezeit. Es geht ums Überleben, wie die jüngsten Insolvenzen der Flughäfen Zweibrücken und Lübeck noch einmal unterstreichen.

Von den Fluggesellschaften sind nur wenig neue Verbindungen zu erwarten. Bei den meisten Regional-Airports geht die Zahl der Passagiere zurück oder stagniert, wie zuletzt auch wieder die Halbjahreszahlen des Branchenverbands ADV zeigten. Deshalb wollen die Regionalflughäfen nicht nur verstärkt an die Portemonnaies der Passagiere, sondern zeigen sich auch sonst kreativ bei neuen Einnahmequellen.

Denn der scheinbar einfachste Weg, nämlich beim Staat zu kassieren, wird immer schwerer. Der rheinland-pfälzische Flughafen Zweibrücken meldete Insolvenz an, weil die EU-Kommission entschied, dass der Airport Subventionen in Höhe von mehr als 50 Millionen Euro zurückzahlen muss. Nur noch selten schießt die öffentliche Hand Geld nach, wie zuletzt Stadt und der Freistaat Bayern im Fall des Nürnberger Flughafens. Insgesamt 70 Millionen Euro machten sie als Kapital und Darlehen für den Airport locker, der als Teil einer Marketingoffensive in Zukunft Albrecht-Dürer-Flughafen heißen soll.

Doch ein neuer Name allein wird nicht reichen, um den Flughafen erfolgreich zu machen, der von Januar bis Juni mehr als zehn Prozent seiner Passagiere verloren hat. „Regionalflughäfen müssen sich im Kopf der Konsumenten verankern, das ist die große Herausforderung“, sagt Stefan Höffinger, der mit seiner Gesellschaft Höffinger Solutions von Wien aus Flughäfen in Europa berät. Die regionalen Airports müssten „ein Gesamtpaket liefern und Teil eines maßgeschneiderten Produktes sein“, erläutert Höffinger im Gespräch mit Handelsblatt Online.


OP-Touristen sollen für Betrieb in Lübeck sorgen

Als Beispiel nennt der Berater den Flughafen Sylt. Der hat zwar seit geraumer Zeit ebenfalls zu kämpfen, habe sich aber gut bei den Kunden positioniert. „Es ist cool geworden, als Mittvierziger an die Nordsee zu fliegen“, meint Höffinger. Auch der Allgäu-Airport Memmingen sei ein gutes Beispiel für eine gelungene Aufstellung. Doch auch dieser von örtlichen Unternehmern getragene Flughafen hat weiter mit Defiziten zu kämpfen.

Einen Ausbau will die bayrische Landesregierung nun mit zehn Millionen Euro unterstützten, wie Finanzminister Markus Söder (CSU) am Montag bekanntgab. Ein strategischer Partner soll zudem für eine bessere Auslastung sorgen.

Mit einem gänzlich anderen Konzept soll der Flughafen Lübeck neu aufgestellt werden. Nachdem der vorherige Eigentümer untertauchte, ging der Airport in die Insolvenz. Der chinesische Investor Chen Yongqiang rettete den Flughafen in letzter Minute. Chen will bei dem Flughafen zwei Standbeine aufbauen – die beide mit seinem Heimatland China zu tun haben.

So setzt der Investor zum einen auf die Ausbildung von Sportpiloten, für die es in China bislang keine Kapazitäten zur Schulung gebe. Zum anderen sollen Medizintouristen für Betrieb sorgen. Patienten aus dem Reich der Mitte könnten sich wegen des guten Rufs deutscher Kliniken hierzulande behandeln lassen – und beispielsweise über das Drehkreuz München weiter nach Lübeck fliegen.

Mit seiner Gruppe betreibt Chen in China mehrere Krankenhäuser, außerdem ist der Neubau eines Flughafens geplant. Langfristig werden in Lübeck eine Million Passagiere pro Jahr angestrebt, 2013 zählte der Airport lediglich rund 370.000 Fluggäste. Auf große Ankündigungen wollte Chen am vergangenen Freitag verzichten: „Wir wollen lieber durch Taten als durch große Worte überzeugen.“

Wichtig ist laut Flughafen-Berater Höffinger vor allem das „Wissen um die Zielgruppe“. Es brauche bei Regional-Airports auch ein anderes Managementverständnis, wenn man bedenke, dass an großen Flughäfen bereits die Hälfte des Umsatzes mit Angeboten gemacht werde, die nicht direkt dem Flugbetrieb zuzuordnen sind. Auch kleinere Airports könnten durch die richtige Ausrichtung neue Erlösquellen erschließen. „Der Flughafen Salzburg zum Beispiel profiliert sich im Shopping-Bereich sehr gut bei Russen und Osteuropäern“, hat Höffinger beobachtet.


„Positionierung in Kassel-Calden anspruchsvoll“

Nach der Überholspur am Sicherheitscheck plant auch der Flughafen Dortmund weitere Angebote. Ein Priority Check-in für ausgewählte Fluggesellschaften sei ebenfalls denkbar, sagt Flughafenchef Mager. „Außerdem wollen wir eine Business Lounge für Geschäftsreisende einrichten, mit einer Airport-Card würden die Passagiere Zugang erhalten sowie kostenfreies Wlan und reservierte Parkplätze direkt am Terminal.“

Mit den neuen Angeboten wolle man sich „von typisch Low-Cost-geprägten Flughäfen in Deutschland und Europa unterscheidbar machen“, erläutert Mager im Interview mit Handelsblatt Online, der seinen Airport als „Flughafen der Metropole Ruhr“ vermarktet sehen will.

Der Flughafen Weeze an der niederländischen Grenze orientiert sich bei seiner Aufstellung vor allem an Billigfliegern. „Wir verfolgen seit unserer Eröffnung vor zehn Jahren eine klare Fokussierung auf unsere operationellen Kosten“, sagt Airport-Chef Ludger van Bebber. „Darin wollen wir Marktführer sein und orientieren uns dabei an den schlanken modernen Strukturen beispielsweise der marktführenden Low-Cost-Airlines.“ Doch gerade der größte Billigflieger Ryanair versetzte Weeze zuletzt einen harten Schlag und zog Maschinen ab – im ersten Halbjahr brachen die Passagierzahlen ein.

Für van Bebber ist das nur eine Momentaufnahme. Seinen Flughafen sieht der Manager gut vermarktet: „In den Köpfen der Kunden haben wir Weeze bereits seit Jahren als nutzerfreundlichen Flughafen der kurzen Wege verankert“, so van Bebber auf Anfrage von Handelsblatt Online. „Wer in Weeze landet, findet bei der Ankunft am Gepäckband seinen Koffer meist schon vor und sitzt fünf Minuten später im Auto.“

Auch Regionalflughäfen könnten sich erfolgreich neu ausrichten, ist Berater Höffinger überzeugt. Jedoch: Es kommt auch auf die Lage und die Umgebung an. Der Österreicher schwärmt von der „Premium-Destination“ Zürich. An dem Flughafen springe dem Passagier schon kurz nach der Landung allein durch die Gestaltung „Swissness“ entgegen – Matterhorn, Schokolade und Schweizer Taschenmesser sei Dank.

„Beim Flughafen Zürich passt die Positionierung – in Kassel-Calden stelle ich mir das sehr anspruchsvoll vor“, sagt Höffinger. Beim berühmt berüchtigten 271-Millionen-Euro-Flughafen will der neue Chef Ralf Schustereder sich stärker an den Interessen der Wirtschaft in Nordhessen orientieren. Schustereder muss sich noch mehr beeilen als andere Airport-Manager, die als Zielmarke von der EU das Jahr 2024 bekommen haben. Bereits 2017 will die schwarz-grüne Landesregierung in Hessen Kassel-Calden auf den Prüfstand stellen, bis dahin soll das Minus jährlich schrumpfen.

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