Retro als Rettung? Porzellan-Zukunft auf dem Flohmarkt

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Kunden legen Wert auf deutsche Produktion

Rosenthal zählt zu den größten Haushaltsporzellan-Produzenten in Deutschland, neben Villeroy und Boch, Seltmann Weiden, Kahla und BHS Tabletop. Gerade die vielen Kleinen aber ringen oft ums Überleben. Laut Unternehmensregister gab es vor neun Jahren 799 Hersteller keramischer Haushaltswaren, 2013 - neuere Zahlen gibt es nicht - waren es noch 685. Die sächsische Firma Annaburg etwa stellte 2015 den Betrieb ein, zwei Jahre zuvor war Arzberg insolvent.

Nach der Wende gab es auf dem deutschen Markt Überkapazitäten, hinzu kam Konkurrenz aus China, Vietnam oder der Türkei. Es entstand, so Holler, massiver Preisdruck. Die jährlichen Umsätze mit Haushaltswaren und Ziergegenständen aus Keramik in Deutschland sinken dem BVKI-Geschäftsführer zufolge seit 2000 kontinuierlich - mit wenigen Ausnahmen. „Wir haben das Umsatzplus von 2014 nicht halten können.“ Der Absatz im vergangenen Jahr sank um sieben Millionen Euro auf 459 Millionen. Hintergrund ist auch der Zusammenbruch des russischen Marktes.

Schnäppchen, die Millionen wert sind
Ihr Vorbesitzer hatte sie in einem Trödelmarkt für drei Dollar gekauft und jahrelang in seinem Wohnzimmer aufgestellt, ehe er neugierig wurde und sie von einem Experten untersuchen ließ - nun brachte die chinesische Schale bei einer Auktion mehr als 2,2 Million Dollar (1,7 Million Euro). Das weiße, 12,5 Zentimeter hohe und rund 1000 Jahre alte Stück aus der Song-Dynastie wurde im Auktionshaus Sotheby's in New York verkauft. Neuer Besitzer ist ein Händler aus London. Vor der Auktion war der Wert der Schale auf 200.000 bis 300.000 Dollar geschätzt worden. Quelle: AP
Diese chinesische Vase war in der Gunst einer Familie auf Long Island bei New York nicht sonderlich hoch angesehen. Sie diente jahrelang als Türstopper. Nun hat sie bei einer Auktion in New York mehr als 1,3 Millionen Dollar (etwa eine Million Euro) eingebracht. Die blau-weiße Vase entstammt der Ming-Dynastie. Quelle: dpa
Weil sie den Rahmen schön fand, hat eine Frau auf einem Flohmarkt in den USA für sieben paar Dollar ein Bild gekauft - und damit einen Coup gelandet. Denn Experten stufen das kleine bunte Bild als ein Werk des französischen Impressionisten Pierre-Auguste Renoir (1841-1919) ein. Sie schätzen es auf einen Wert von bis zu 100.000 Dollar (etwa 78.000 Euro) - ein Vielfaches des Flohmarkt-Preises. Experten eines Auktionshauses in Virginia identifizierten das Fundstück dann als „Landschaft am Rande der Seine“. Wer der Verkäufer war und wie das Bild auf einen Trödelmarkt in Virginia gelangte, ist unklar. Quelle: REUTERS
Nur 1500 Euro zahlte ein französischer Flohmarktbesucher für ein Bild mit einem Pferd und einem Bauern. Das 45 mal 30 Zentimeter große Bild entpuppte sich als echter van Gogh. Geschätzter Wert drei bis fünf Millionen Euro. Quelle: dapd
Der Kalifornier Rick Norsigian wird dank einer Kiste Fotonegative vom Trödelmarkt reich. Nach eingehender Prüfung steht fest, sie stammen von dem berühmten amerikanischen Landschaftsfotografen Ansel Adams. Wert: 200 Millionen Dollar. Bezahlt hatte er nur 45 Dollar. Quelle: dpa
Ein britischer Arzt fand 2007 in der Garage seines verstorbenen Onkels einen wahren Schatz. Der dort eingestaubte Oldtimer war ein 1937 Bugatti Typ 57S Atalante. Von dem Wagen wurde nur 17 Stück produziert. Der ehemalige Besitzer Harold Carr hatte ihn 1960 dort abgestellt – und ihn nie wieder gefahren. Wert: 3,2 Millionen Euro. Das Bild zeigt einen Bugatti 35T von 1926. Quelle: dpa
Eine Berliner Studentin fand in einem Sofa, das sie für 150 Euro auf dem Flohmarkt gekauft hatte, ein Gemälde. Bei Ausziehen fiel ihr das Bild in die Hände. Bei einer genauen Untersuchung von Experten stellte sich heraus, dass es sich um ein Werkt des venezianischen Künstlers Carlo Saraceni aus dem Jahr 1605/10 handelte. Wert: Rund 20.000 Euro. Quelle: dapd

Heute ist Geschirr eher Konglomerat als Komplettset. Schälchen für alles, für Soße, Salat, Beilagen. „Schälchenkultur“, nennt Werner das. Viele Kunden legten aber wieder mehr Wert auf deutsche Produktion und Qualität, sagt BVKI-Mann Holler. Seniorenheime, Krankenhäuser, Hotels, Lokale - sie alle brauchen Geschirr. „Da gibt es wieder Zuwächse.“ Zu beobachten etwa bei BHS Tabletop: Der Umsatz lag 2015 bei 114,2 Millionen Euro, im Jahr zuvor bei 99,3 Millionen.

„In der Porzellanbranche gibt es keine großen Wachstumssprünge“, sagt Rosenthal-Geschäftsführer Gianluca Colonna. Das Unternehmen verkauft heute auch Arzberg - obwohl bei Rosenthal selbst 2009 ein Insolvenzverfahren lief. Der italienische Haushaltswarenhersteller Sambonet Paderno sprang ein. Für dieses Jahr erwarte das Unternehmen wie 2015 ein stabiles Ergebnis bei 83 bis 85 Millionen Euro Umsatz.

Ein wenig aber hofft die Branche, dass die Retro-Fans ihr auf die Sprünge helfen. „Vielleicht“, sagt Holler, „will die Klientel, die auf dem Flohmarkt altes Geschirr kauft, ein zweites, ein neues.“

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