Rewe Group Was bringt das Plastiktütenaus?

Nach Testläufen in ausgewählten Filialen macht Rewe ernst: Die Plastiktüten werden aus den Märkten verbannt. Doch das allein hilft kaum.

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Eine Plastiktüte liegt an der Kasse eines Rewe-Marktes. Quelle: dpa

Plastiktüten gelten häufig als das Symbol der Wegwerfmentalität. Deutschlands zweitgrößter Lebensmittelhändler Rewe nimmt diese Plastiktüten innerhalb der nächsten Monate aus dem Programm. Jährlich sollen dadurch allein in Deutschland bis zu 140 Millionen Plastiktüten weniger im Müll landen.

Testläufe in ausgewählten Filialen seien in den letzten Monaten erfolgreich verlaufen, berichtet Rewe-Vorstand Lionel Souque, der zugleich Geschäftsführer der Rewe-Supermärkte ist. „Die Leute haben ihr Verhalten sehr schnell geändert.“ Deshalb wird die Umstellung nun in allen der mehr als 3000 Rewe-Märkte angewendet. Kunden sollen fortan also ihre Einkäufe in Kartons, Papiertüten, Stofftaschen oder stabilen Mehrweg-Taschen aus Recyclingmaterial verstauen.

Die noch vorhandenen Restbestände der Plastiktüten würden in den Märkten noch bis Juli verkauft, teilte das Kölner Unternehmen mit. Langfristig sollen auch die besonders dünnen Tüten für Obst und Gemüse aus der Auslage verschwinden. Es sei der „nächste konsequente Schritt in Sachen Nachhaltigkeit.“ Und auch im wachsenden Versandgeschäft sollen zukünftig keine Lieferungen mehr in Plastiktüten verschickt werden.

Der Kampf gegen die Plastiktüten

Mit der Verbannung der Plastiktüten geht Rewe sogar noch einen Schritt weiter als die inzwischen rund 300 Einzelhandelsunternehmen, die sich seit Ende April freiwillig verpflichtet haben, Geld für die umweltschädlichen Plastiktüten zu nehmen. Bis zum Inkrafttreten dieser Selbstverpflichtung war lange verhandelt worden.

Umweltverbände kritisieren nämlich, die meisten der nun betroffenen Tüten seien bereits vorher kostenpflichtig gewesen. Beim Handelsverband Deutschland (HDE) sind aktuell 300 Unternehmen gelistet, die die Vereinbarung mit dem Umweltministerium unterzeichnet haben. Die Selbstverpflichtung soll der Bundesrepublik helfen, eine EU-Richtlinie umzusetzen, die den jährlichen Verbrauch von Kunststoff-Tragetaschen bis Ende 2025 auf höchstens 40 Tüten pro Einwohner senken soll.

Aktuell benutzt jeder Einwohner Deutschlands im Jahr im Schnitt etwa 71 Tüten - umgerechnet auf sämtliche Bundesbürger sind das mehr als 5,6 Milliarden Stück pro Jahr. Inzwischen sei etwa die Hälfte aller Tüten in Deutschland von der Vereinbarung erfasst. Zwar gibt es noch reichlich Raum zur Verbesserung, im europäischen Vergleich steht Deutschland damit aber gut da.

Wie sieht die Tüten-Situation in anderen Ländern aus?


Die Anzahl der pro Person und Jahr verwendeten Plastiktüten ist in den EU-Mitgliedstaaten sehr unterschiedlich. Die Spanne reicht von 18 Stück pro Person und pro Jahr in Irland über Deutschland mit 71 (viert niedrigster Wert in Europa) bis zu 421 in Bulgarien. Das entspricht einem EU-weiten Schnitt von 198 Tüten. Der gesamte Kunststoffinlandsverbrauch betrug in Deutschland im Jahr 2011 9,65 Millionen Tonnen, davon wurden nur 68.000 Tonnen für Plastiktüten genutzt.

In Irland hat eine Abgabe von 44 Cent je Plastiktüte zu einem Rückgang von 328 Plastiktüten im Jahr 2002 auf 18 pro Einwohner im Jahr 2010 geführt. In den USA, immerhin unrühmlicher Weltmeister im Produzieren von Müll, gibt es Regelungen auf lokaler Ebene. In San Francisco sind die Tüten ganz verboten, in Washington D.C. und Los Angeles werden Abgaben darauf erhoben.

Wo landet der Müll?

Etwa Dreiviertel des Mülls in den Ozeanen besteht aus Kunststoffen. Vor allem auf die Organismen hat Plastikmüll im Meer deutlich negative Auswirkungen. Plastik hat eine sehr lange Abbauzeit und zersetzt sich zunächst in immer kleinere Teile, wobei Inhaltsstoffe wie Weichmacher oder Flammschutzmittel freigesetzt werden. Aber auch Mikroplastik gelangt direkt ins Meer. Die Verwendung solcher Teilchen in Kosmetikprodukten wie Peelings oder Zahnpasten ist mittlerweile Standard.

Experten des Bundesumweltamts gehen davon aus, dass Plastiktüten den größten Anteil am Müll im Meer ausmachen, kleine Plastiktüten und Einkaufstüten sind unter den am häufigsten gefundenen Gegenständen.

Was sagen Umweltschützer?

Der Präsident der Umweltschutzorganisation Nabu, Olaf Tschimpke, lobt die neue Linie von Rewe. „Das ist ein entscheidender erster Schritt.“ Es gehe jetzt darum, dass Kunden lernten, dauerhaft auf wiederverwendbare Taschen umzusteigen. Nabu sei froh, dass Rewe sich ernsthaft der Verantwortung stellt, das Thema Nachhaltigkeit im Lebensmitteleinzelhandel weiter voran zu treiben, sagt Tschimpke.

Kritiker bemängeln allerdings, dass die Ökobilanz der Alternativen auch nicht viel besser sei. Umweltministerin Barbara Hendricks räumt zwar ein, dass Papiertüten in der Herstellung nicht umweltfreundlicher seien als Plastiktaschen, dafür aber in der Entsorgung. „Eine Papiertüte im Meer macht rein gar nichts, die wird sich ganz schnell auflösen.“

Der Schritt von Rewe könnte auch Konkurrenten inspirieren, die Umstellung mitzumachen. Das alles kann aber nur als Hilfestellung und Signal in Richtung der Verbraucher taugen. Die Verantwortung für den Verbrauch und die umweltgerechte Entsorgung liegt beim Einzelnen.

Mit Material der dpa

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