Rügenwalder Mühle, Meica, Herta Es geht um die fleischlose Wurst

Die Wursthersteller haben den Fleischlos-Boom mit einer beispiellosen Werbe-Offensive angefeuert. Ergebnis einer Studie, die dem Handelsblatt exklusiv vorliegt: Die millionenschweren Veggie-Kampagnen zeigen Wirkung.

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Die Rügenwalder Mühle hat seit Anfang 2015 rund 44 Millionen Euro allein in die Werbung für vegetarische Produkte gesteckt.

Düsseldorf Es war der größte und wohl auch überraschendste Erfolg in der Firmengeschichte der Rügenwalder Mühle. Nur ein Jahr nach dem Verkaufsstart im Februar 2015 machten die vegetarischen Produkte des Unternehmens bereits 20 Prozent des Umsatzes aus. Den Gesamtumsatz konnte der Lebensmittelhersteller in einem schrumpfenden Markt im angelaufenen Geschäftsjahr um 17,7 Prozent auf 205 Millionen Euro steigern. „Diese positive Entwicklung ist in erster Linie auf die erfolgreiche Einführung unserer vegetarischen Produktlinie zurückzuführen“, sagt Christian Rauffus, Inhaber und Geschäftsführer der Rügenwalder Mühle.

Doch ein Zufall war der Erfolg nicht – und er war durchaus teuer erkauft. Denn mit einer bisher beispiellosen Investition in Werbung hat der Lebensmittelproduzent den Boden für die Markteinführung der Innovation bereitet und die Kunden auf die neuen Produkte neugierig gemacht.

So hat Rügenwalder seit Anfang 2015 rund 44 Millionen Euro allein in die Werbung für vegetarische Produkte gesteckt. Das zeigen Zahlen des Media- und Marketingberaters Equinet, die dem Handelsblatt exklusiv vorliegen. Im ersten Jahr der Markteinführung hat Rügenwalder fast 27 Millionen Euro für Werbung in klassischen Medien wie TV, Print, Radio oder Plakate ausgegeben, also mehr als 13 Prozent des Gesamtumsatzes. Zum Vergleich: Alle Konkurrenten zusammen haben im gleichen Jahr nur knapp 1,5 Millionen Euro in Werbung für vegetarischen Wurstersatz gesteckt.

„Es klingt paradox, wenn Fleischproduzenten neuerdings auf fleischlose Produkte setzen. Die Rügenwalder Mühle beweist jedoch, wie der Trend erfolgreich genutzt werden kann“, beobachtet Dietmar Kruse, Europa-Chef von Equinet. Aus Sicht des Werbers hat das voll eingeschlagen. „Die Einführung von vegetarischen und veganen Produkten ist eine erfolgversprechende Positionierung für den Konzern“, lobt Kruse, „in der Werbung dominieren momentan diese Konzernprodukte.“

Für Rügenwalder Mühle ist das keine vorübergehende Modeerscheinung. „Der Trend zu vegetarischen Fleisch- und Wurstalternativen wird ein langfristiger und nachhaltiger sein“, ist sich Godo Röben, in der Geschäftsleitung zuständig für Marketing sowie Forschung und Entwicklung, sicher. „Unsere Entwickler arbeiten ständig an vielen neuen Ideen.“

Marktdaten belegen stützen diese Einschätzung. Nach Untersuchungen des Instituts für Handelsforschung in Köln ist der Umsatz in den vegetarischen und veganen Kernwarengruppen im vergangenen Jahr um 26 Prozent auf 454 Millionen Euro gestiegen. Zu diesen Waren zählen die Forscher vegetarische und vegane Fleisch- und Milchalternativen sowie den Bereich Frühstück mit pflanzlichen Brotaufstrichen, Müsli und Cornflakes. Seit 2011 hat sich der Umsatz in dieser Kategorie mehr als verdoppelt.

Das liegt nicht nur an der steigenden Zahl von reinen Vegetariern. Immer mehr Konsumenten verzichten teilweise auf Fleisch. Nach einer Umfrage des Marktforschungsunternehmens POSpulse unter 1.600 Bundesbürgern essen bereits 39 Prozent der Befragten bewusst weniger Fleisch oder Wurst. Fast die Hälfte von ihnen gibt an, damit etwas für die eigene Gesundheit tun zu wollen.


Vegetarische Schnitzel oder Schinkenspicker

Entsprechend powert Rügenwalder auch in diesem Jahr weiter in der Werbung: Bis Anfang August hat das Unternehmen nach den Zahlen von Ebiquity in diesem Jahr schon 17 Millionen Euro in Spots und Anzeigen für fleischlose Wurst gesteckt.
Doch die Konkurrenz eifert diesem Erfolg nach und hat dieses Jahr die Werbeausgaben ebenfalls deutlich gesteigert.

Der Wursthersteller Herta beispielsweise hat seinen vegetarischen Aufschnitt für 5,8 Millionen Euro beworben. Der Feinkosthersteller Homann hat in Anzeigen für seinen Veggie-Fleischsalat 2016 bereits rund vier Millionen Euro investiert.

Damit ist die Vegetarier-Werbung für die Medien zu einer echten Größe geworden. „Der Produktbereich der vegetarischen und veganen Fleisch- und Wurstalternativen ist auf ein Werbevolumen von über 30 Millionen Euro seit Anfang des Jahres angewachsen“, sagt Marktforscher Kruse von Ebiquity. Zum Vergleich: Herkömmliche Wurstwaren wurden im gleichen Zeitraum nur mit 17 Millionen Euro beworben. Selbst der traditionell werbestarke Produktbereich Joghurt kam nur auf 26 Millionen Euro.

Dabei sind die Werbeausgaben bei Rügenwalder Mühle nur ein Teil der Investitionen in den Veggie-Boom. So hat das Unternehmen im vergangenen Jahr ein Gebäude gegenüber der Firmenzentrale gekauft, das ausschließlich für die Produktion vegetarischer Waren genutzt werden soll. Rund 15 Millionen Euro hat der Lebensmittelhersteller in die Ausweitung der Produktkapazitäten gesteckt. Und nicht zuletzt 125 neue Stellen hat die Einführung von vegetarischem Schnitzel oder Schinkenspicker möglich gemacht.

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