Schweizer Uhren Wie Cartier sich mit Luxus-Uhren übernommen hat

Vor acht Jahren hat Cartier eine millionenschwere Offensive gestartet, um immer ausgefeiltere und teurere Uhren zu bauen. Doch der Erfolg ist ausgeblieben. Jetzt müssen die Schweizer wieder zu ihren Wurzeln zurückfinden.

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Die eingebrochene Nachfrage aus China belastet den Schweizer Hersteller. Quelle: Reuters

Zürich Mehr als Jahrhundert lang hat Cartier elegante, wenn auch einfache Uhren verkauft. So etwa die Tank, deren Preis bei rund 2500 Dollar beginnt. Nach Schweizer Standards ist das nahezu erschwinglich. Cartier bewahrte stets Abstand zur technischen Finesse von Marken wie Patek Philippe.

Dann, vor einem Jahrzehnt, zog Cartier allerdings aus, um das eigene Können unter Beweis zu stellen. Das Unternehmen investierte Millionen, um eine der größten Schweizer Uhren-Manufakturen zu errichten. Eine Veteranin der Branche wurde an Bord geholt, um eine Sparte für Produkte feiner Uhrmacherkunst zu leiten.

Cartier drang in die Herstellung von komplizierten Zeitmessern vor – mit analogen Mechanismen wie etwa Kalendern, die sich an Schaltjahre anpassen, und die akribische handwerkliche Kunst verlangen. Die Anstrengungen gipfelten im vergangenen Jahr in der Rotonde de Cartier Grande Complication Skeleton, deren Preis bei umgerechnet mehr als 530.000 Euro liegt.

Doch dann brach die Nachfrage aus China weg, die den Markt maßgeblich gestützt hatte. In dieser Woche musste der Luxusgüterkonzern Richemont, die Mutter von Cartier, eingestehen, dass der Gewinn im ersten Halbjahr um rund 45 Prozent niedriger ausfallen wird – ein Niveau, das Verwaltungsratspräsident Johann Rupert als nicht akzeptabel bezeichnete. Als Reaktion darauf hat Cartier Stellen gestrichen, unverkaufte Ware von Einzelhändlern zurückgekauft und richtet den Fokus wieder mehr auf erschwinglichere Uhren.

Der Rückzug ist ein warnendes Beispiel für die Branche und für Geschäftsmodelle im Allgemeinen - eine Erinnerung daran, dass Luxus-Nachfrage vergänglich ist, und dass der Ausbau einer Marke über das Gewohnte hinaus hohe Risiken in sich birgt.

„Cartier hat einen sehr klassischen Stil. Und das allein wird bereits als ein Statussymbol wahrgenommen“, erklärt Manfred Abraham, Partner beim Beratungsunternehmen Brandcap in London. „Kunden erzielen noch immer dieselbe Wirkung mit einer 2000-Pfund-Uhr wie mit einer 8000-Pfund-Uhr. Denn die Leute werden noch immer sagen: ’Oh mein Gott, das ist eine Cartier!’“.


Eintritt in die Männer-Welt ein gewagtes Unterfangen

Das Vordringen von Cartier in das feine Uhrmacherhandwerk hatte 2008 begonnen. Damals wurde eine Sparte gegründet, an deren Spitze Carole Forestier-Kasapi stand – eine altgediente Managerin der Uhrenbranche, die auch schon bei Audemars Piguet angestellt war.

Auch wenn Richemont sich dazu nicht äußert, so hat der Konzern wahrscheinlich doch rund 150 Millionen Euro in das Uhren-Geschäft von Cartier investiert – wobei etwa ein Drittel davon im Kern auf luxuriösere, kompliziertere Zeitmesser entfiel, schätzt Analyst Jon Cox von Kepler Cheuvreux.

In den folgenden Jahren hatte Cartier gleich Dutzende neuer Uhrwerke entwickelt, um die eigene Reputation aufzubessern und zu zeigen, dass die Marke in dieselbe Liga wie Patek Philippe, Vacheron Constantin und Breguet gehört – Hersteller, die schon mehr als ein Jahrhundert lang komplizierte Uhren herstellen.

Für Cartier, traditionell vor allem für Frauen-Schmuck bekannt, war der Eintritt in die Männer-Welt ein gewagtes Unterfangen. „In der Connaisseur-Welt für Männer wurde Cartier nicht ernst genug genommen“, sagt Analyst Patrik Schwendimann von der Zürcher Kantonalbank. Es könne Jahrzehnte dauern, um ein Image zu verändern.

Cartier folgt mit dem Rückzug auf Konkurrenten wie TAG Heuer, Tiffany und Bulgari – Marken, die versucht hatten, ihr Angebot an Schweizer Uhren auszuweiten, und dies später zurücknehmen mussten, weil der Schritt vom Markt nicht unterstützt wurde. Nun will Cartier auf dem Genfer Uhrensalon im Januar eine neue Kollektion an feminineren Uhren vorstellen, die weniger kompliziert und preiswerter sind. Damit kehrt das Unternehmen zu seinen Wurzeln zurück.

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