Schwindende Profite Warum Deutschlands Biere international keine Chance haben

Die deutsche Bierbranche ist international nicht wettbewerbsfähig und wird es auch nicht werden. Eine Studie, die WirtschaftsWoche Online exklusiv vorliegt, macht deutlich, wie schlecht es um die Brauereien steht.

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Die Deutschen sind in punkto Bier äußerst wählerisch - für die deutschen Brauereien wird der regional stark begrenzte Markt zum immer größeren Problem. Quelle: dpa

Die Deutschen Brauereien sitzen in der Kulturfalle. „Die feste kulturelle Verwurzelung mit ihrer Heimatregion, von der sie jahrzehntelang profitiert haben, verhindert jetzt das Wachstum, das nötig wäre, um eine international wettbewerbsfähige Größe zu erreichen", erklärt Harald Münzberg, Partner und Leiter des Industriesegments Konsumgüter bei der Strategie- und Organisationsberatung Camelot Management Consultants, die die Studie veröffentlicht hat.

Eine international bekannte deutsche Biermarke gibt es nicht, ebenso wenig wie eine Biermarke, die von der Nordsee bis zum Bodensee so viele Fans findet, das man sich als nationale Marke bezeichnen könnte. Jever - im Norden ein Kassenschlager, verstaubt in den Regalen süddeutscher Super- und Getränkemärkte. Umgekehrt interessiert sich jenseits des "Weißwurst-Äquators" kaum jemand für das bayerische Franziskaner.

Die Deutschen können unter mehr als 5000 verschiedenen Biermarken wählen - nirgendwo sonst auf der Welt gibt es ein so ausdifferenziertes Angebot . „Deutschland ist was die Konsumgewohnheiten und die damit vorherrschenden Marken angeht, regional klar in unterschiedliche Biersorten aufgeteilt: von den Pils-Regionen im Norden über Altbier und Kölsch im Westen bis hin zu den Weizenbier-Regionen im Süden. Das macht es für jede Brauerei extrem schwer, über ihr angestammtes Gebiet hinaus erfolgreich zu expandieren“, sagt Münzberg. In den meisten anderen europäischen Staaten dominieren dagegen flächeneckend internationale Marken mit Marktanteilen bis zu 90 Prozent.

Die Top Ten Brauereien in Deutschland

Brauer machen sich mit neuen Sorten selbst Konkurrenz

Die starke regionale Ausrichtung wird für die Brauereien zu einem immer größeren Problem. Denn die Deutschen trinken immer weniger Bier. Der Pro-Kopf-Konsum fällt, die Trinkgewohnheiten ändern sich. Für die einzelne Brauerei bleibt immer weniger. Einige versuchen mit immer neuen Biermischgetränken dem Trend entgegen zu wirken. "Es gibt einige Marken, die es sehr gut verstehen, dem Markt mit Biermixgetränken einen frischen Pepp zu geben. Es gibt aber auch Fälle, in denen neue Sorten das etablierte Kernprodukt kannibalisieren." So geht der Trend zu alkoholfreien Bieren oder leichten Biermischgetränken zu Lasten der starken Weizen-Biere.

In welchen Bundesländern am meisten Bier getrunken wird
Bierflaschen im Regal Quelle: dpa
Veltins V+ Flasche. Quelle: obs
Bier Fußballfans Deutschlandflagge Quelle: dpa
Bierkrüge anstoßen Biergarten Quelle: dapd
Hefeweizen Bierglas Quelle: dpa
Kanzlerin Angela Merkel Flensburg Quelle: dpa
Bier Zapfanlage Kneipe Quelle: dapd

Die immer neuer Sorten führen auch zu immer mehr Kosten für Marketing und Vertrieb - die Komplexität der gesamten Unternehmensstruktur von der Produktion bis zu Distribution nimmt zu. Dabei wirkt sich die Vielfalt an Marken unter einem Konzerndach bereits heute schon negativ auf die Margen aus. „Dadurch befinden sich die Braukonzerne in einem harten Verdrängungswettbewerb, der durch die immer aggressiveren Preisaktionen des Handels noch dramatisch verschärft wird.“ Bier wird gerne als Lockangebot genutzt. Ein Kasten Krombacher oder Becks ist im Sonderangebot für acht oder neun Euro zu haben. Ein Preis, an den sich der Kunde gewöhnt, der aber fern der realen Preise von 11 Euro aufwärts liegt.

Was also tun?

Vier Strategien für den Biermarkt


Die besten Biere der Welt
Die Jury des World Beer Cup 2012 muss wahrhaft großen Durst haben. 95 Kategorien gilt es zu bewerten - vom Hefeweizen über Dunkles bis zum tschechischen Pils. Neben den klassischen Sorten gibt es auch Exoten wie Schokoladen-Bier, Frucht-Bier oder "Experimentelle Biere". Hier nun die Sieger der populärsten Varianten des Gerstensaftes. Quelle: dpa
Bestes europäisches LeichtbierIn der Kategorie der alkoholreduzierten Biere mit einem Gehalt von 2,5 bis 4,0 Prozent setzt sich Beck' Premier Light der Bremer Brauerei Beck's & Co. durch. Quelle: Pressebild
Bestes Hefeweizen/HefeweißbierDieses Hefeweizen hat die Jury des Welt Beer Cup 2012 sprichwörtlich aus den Socken gehauen - behauptet zumindest der Sieger der Kategorie mit dem klangvollen Namen "South German-Style Hefeweizen/Hefeweißbier". Das australische "HEF" der Brauerei Burleigh Brewing setzt sich gegen die Konkurrenz durch. Silber gibt es für die russische Marke 'Baltika No8', Bronze für das österreichische 'Edelweis Hefetrüb' von der Brau Union Österreich. Quelle: Screenshot
Bestes Deutsches PilsSieg für Island: Die isländische Brauerei Olgerdin Egill Skallagrimsson verbannt mit "Bríó" die deutsche Private Landbrauerei Schönram mit ihrem 'Schönram Pils' auf Platz zwei. Bronze gibt es für das österreichische 'Baumgartner Pils'. Quelle: Screenshot
Bestes Tschechisches PilsHeimspiel für Heineken Czech Republic: In der Kategroie "Bohemian-Style Pilsener" setzt sich "Starobrno Lezák" gegen 62 Konkurrenten durch. Die Silbermedaille holen sich die Heineken-Kollegen aus den Niederlanden mit Krusovice Imperial, Bronze geht an die Pilsener Brauerei Plzensky Prazdroj und Gambrinus Premium. Quelle: Screenshot
Bestes Münchener DunkelDie bayerische Klosterbrauerei Weltenburg holt sich mit dem 'Weltenburger Kloster Barock Dunkel' die Goldmedaille in der Kategorie "European Style Dark/Münchener Dunkel". Silber geht an die kanadische King Brewery mit "King Dark Lager". Den dritten Platz sprach die Jury der Augsburger Brauerei S.Riegele und 'Riegele Aechtes Dunkel' zu. Quelle: Screenshot
Bestes HellesDas Urtyp Hell der Löwenbrauerei Passau überzeugte die Jury in der Kategorie "Münchener-Style Helles". Gegen 68 Mitbewerber setzten sich die Bayern durch und verbannten Löwenbrau aus München auf den zweiten Platz. Die Bronzemedaille ging an Kitzmann Bräu aus Erlangen für ihr Helles, das auch genau so heißt "Helles". Quelle: Screenshot

Münzberg zeigt vier Strategien auf, wie die deutschen Brauereien den schwierigen Marktbedingungen begegnen können.

1. Erfolgreich in der Nische

Die vielen mittelständischen regionalen Brauereien fahren am besten damit, sich in ihrer Nische einrichten und ihre Kapazitäten und Ausgaben herunterzufahren. Die Nachfrage wird weiter sinken, Branchenexperten gehen in den nächsten zehn bis 15 Jahren von einem weiteren Absatzminus von 20 Millionen Hektoliter in Deutschland aus. "Wachstumsphantasien helfen da nicht weiter", sagt Münzberg. Auch an den regionalen Sortenpräferenzen wird sich wenig ändern. "Unter diesen Vorzeichen muss sich eine mittelständische Brauerei von ihren Wachstumsambitionen verabschieden und stattdessen in Produktivität investieren", meint Münzberg. Wer eine funktionierende regionale Marke habe, sollte diese melken so lange es geht. Die Versuche, in das Revier anderer Marken einzudringen kosten dagegen überproportional viel Geld, das wenn, dann nur die großen regionalen Hersteller industriell gefertigter Biere aufbringen können.

2. Nationale Premiummarke aufbauen

Die großen Biergruppen wie etwa die Brau Holding International, zu der die Paulaner- und die Kulmbacher-Gruppe gehören, müssten sich dazu stärker auf ihre Zugpferde fokussieren und Randmarken aussortieren. Münzberg: "Ich beobachte, dass diese Gruppen punktuell eine Bereinigung ihres Markenportfolios zulassen."

Die beliebtesten Biermarken in Deutschland 2012:

MarkeAbsatz in Mio. Hektolitern
1. Oettinger5,89
2. Krombacher5,46
3. Bitburger4,07
4. Veltins2,78
5. Hasseröder2,77
6. Beck's2,75
7. Warsteiner2,72
8. Paulaner2,3
9. Radeberger1,91
10. Erdinger1,72

Er schränkt aber ein: "Ich kann keine deutsche Biermarke erkennen, die derzeit das Potenzial hat, um national in allen Regionen erfolgreich zu werden - ohne einen deutlichen Schwerpunkt in ihrer Heimatregion". Dazu seien Werbeaufwendungen von 40 bis 60 Millionen Euro notwendig, ein Betrag, den keine der Brauereien in Deutschland so schnell aufbringen könne.

3. Nationale Allianzen bilden - kleinere Wettbewerber übernehmen

Soweit kartellrechtlich möglich, könnten sich die regionalen, deutschen Brauereien zu nationalen Allianzen zusammenschließen. Münzberg: "In der Kooperation könnten die Brauereien etwa die Produktionskapazitäten einer anderen Gruppe nutzen".

4. Exportmarken stärken, internationale Marke aufbauen

Asien und Afrika bieten noch enormes Wachstumspotenzial. Hier könnten auch Marken wie Paulaner - von je her stark im Export weiter punkten. An den Aufbau einer echten internationalen Marke einer deutschen Brauerei glaubt Münzberg allerdings nicht. Die deutschen Brauereifamilien haben ihr Familienkapital stark in ihren Unternehmen gebunden - der Eigenkapitalanteil liegt im Schnitt bei rund 70 Prozent. "Sie wenden äußerst vorsichtige kaufmännische Prinzipien an, um ihr Vermögen zu sichern." Die internationalen Aktiengesellschaften agieren wesentlich mutiger, bringen viel mehr Kapital ein und haben auf diesem Weg auch schon eine Reihe ausländischer Märkte besetzt.   

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