Shoppingtour mit einem Psychologen "Je hipper der Laden, desto lauter die Musik"

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Ein hipper Typ

In dem Sneakerladen, den Lönneker kurz darauf betritt, wummert Hip Hop aus den Boxen. Mit viel Bass. Seine Sache ist das nicht. Aber er weiß, dass sein Sohn das mag. Und er weiß, dass es auch in seinem Alter genug Leute gibt, die sich noch immer so jung fühlen wie ihre eigenen Kinder. Genau diese Kundschaft will der Sneaker-Laden ansprechen. „Dazu gehört, dass Sie sich so einen hippen Typen holen und an die Tür stellen“, sagt Lönneker. „Und dazu gehört auch, dass man konsequent geduzt wird“, sagt er – und das Grinsen, das sich unter seinem grauen Dreitagebart abzeichnet, signalisiert: Natürlich weiß ich, dass ich keine 25 mehr bin. Aber es tut doch gut, wenn der Typ an der Tür, der Skinny-Jeans und Wollmütze trägt, einem das Gefühl vermittelt, noch dazuzugehören. Und vielleicht schafft sein kumpelhafter Ton diese Illusion zumindest so lange aufrecht zu halten, dass sich auch ein Typ mit 52 ein Paar blaue Turnschuhe mit pinken Streifen kauft. Generell gilt: „Je hipper der Laden, desto lauter die Musik.“

Schräg gegenüber liegt „Don King“, ein Laden, dessen Betreiber sich große Mühe gibt, auf minimaler Fläche die maximale Anzahl von Regalen und Kleiderständer unterzubringen: Über Jogginghosen, Mützen, Hemden, Schals und Turnschuhen prangen Schilder in knalligem Gelb mit ebenso knalligen Preisen. „Selbstbewusst billig“ nennt Lönneker dieses Angebot.

Psychologen sprechen von Reaktanz, Küchenpsychologen von Trotz: Wer kleinen Kindern sagt, dass sich etwas nicht gehöre, der erlebt oft genug, dass sie es dann erst recht machen. Ganz ähnlich muss man sich das mit der Kundschaft von „Don King“ vorstellen. Lönneker sagt: „Wer heute mit Undercut und Jogginghose unterwegs ist, der schämt sich nicht mehr seiner Chorweiler Ballonseide, der will eher die Besserverdienenden provozieren.“

Das Glücksgefühl, das ein Rabatt bei Menschen auslöst, vergleichen Psychologen gern mit der Wirkung einer Prise Kokain. Es ist stärker als die Frage, ob man dieses oder jenes wirklich braucht.

Wer dieser Logik folgt, hat den Eindruck, dass der Media Markt in der Kölner Innenstadt seine Kundschaft vor jedem Regal bittet, eine Line zu ziehen. Eigentlich sogar schon, wenn er den Laden betritt: Vor dem Eingang stehen von Plastikfolie umschlungene Waschmaschinen auf Holzpaletten, direkt dahinter Lautsprecherboxen. Darunter schreien einen – in weißen Buchstaben auf rotem Grund – drei Befehle an: Jetzt kaufen! Jetzt zugreifen! Jetzt mitnehmen!

Ganz oben auf den Kartons thront ein Aufsteller: Es ist das Verkaufsprospekt mit den Sonderangeboten, wie der Elektrohändler sie auch per Wurfsendung verteilt. „Das hat vielleicht einen Wiedererkennungseffekt“, sagt Lönneker. „Manch einer bereitet sich auf seinen Einkauf ja gründlich zu Hause vor.“

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Deutschland Quelle: dpa
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Am Tag nach Weihnachten ist es in Australien mit der Besinnlichkeit schon wieder vorbei: Boxing Day Quelle: dpa
Das Dubai Shopping Festival wurde 1996 ins Leben gerufen. Quelle: dpa
Das größte Shopping-Event Mexikos nennt sich „El Buen Fin“ (zu deutsch: „Das gute Ende“) und wird vom Staat organisiert. Quelle: dpa

Wer weiter daran vorbei geht, geradezu, der kommt zu einem großen Flachbildfernseher. Der Bildschirm in bester Auflösung zeigt einen Zug, der über eine Brücke gleitet. Er zeigt Sonne, Wald und Wiesen, Seen. Es sind Bilder, die Abenteuerlust wecken. Bilder, die für sich sprechen. Einen Ton braucht es dazu nicht, vermutlich würde er in dem Gewusel sowie untergehen. „Die Fantasie wird angeregt“, sagt Lönneker. „Und der Wunsch, auch auf Reisen zu gehen. Oder sich zumindest mit dem Fernseher ein Stück dieser großen Freiheit ins Wohnzimmer zu stellen.“

Etwas weiter hinten stehen die kleineren Fernseher, die alle nur noch einen Bruchteil kosten – und alle durcheinander flackern: Pinguine, SPD-Chef Martin Schulz vorm Pult, Alpenlandschaft. „Da haste eigentlich gar keine Lust mehr“, sagt Lönneker. Aber Lust machen sollen hier ja auch nicht die Bilder, sondern die Preisschilder. 

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