Sinn-Leffers-Insolvenz Die Mittelständler kämpfen ums Überleben

Der Modefilialist Wöhrl hat sich mit Sinn-Leffers übernommen. Die Tochterfirma muss Insolvenz anmelden. Das Unternehmen ist kein Einzelfall: Weshalb mittelständische Modehändler immer mehr in die Defensive geraten.

  • Teilen per:
  • Teilen per:
Die Zahl der selbstständigen Textilhändler hat sich seit der Jahrtausendwende fast halbiert. Quelle: picture alliance/dpa

Düsseldorf Für die Rudolf Wöhrl AG sollte es der große Sprung werden. Als der Modefilialist vor vier Jahren die Sinn-Leffers-Gruppe übernahm, schwärmte Seniorchef Gerhard Wöhrl: „Sinn-Leffers passt perfekt zu Wöhrl.“ Er erwarte, dass sich beide Unternehmen „gegenseitig effektiv in ihrem Wachstumskurs stärken“.

Doch schon bald wurde klar: Wöhrl hat sich mit Sinn-Leffers übernommen. Die erhofften Synergien sind größtenteils ausgeblieben, die Neuerwerbung war offenbar eher Belastung als Bereicherung. Deutliches Zeichen dafür: Die Familie Wöhrl, die Sinn-Leffers von der deutschen Industrie Holding übernommen hatte, reichte das Unternehmen nie wie geplant an die Wöhrl AG weiter.

Nun scheint Wöhrl die Gunst der Stunde zu nutzen und das Problem zu lösen: Nur wenige Tage, nachdem sich Wöhrl selbst durch ein sogenanntes Schutzschirmverfahren vor dem Zugriff der Gläubiger geschützt hatte, stellte die Schwester Insolvenzantrag. Nun kann Sinn-Leffers in einem Insolvenzplanverfahren in Eigenverantwortung saniert werden – ohne dass die Sanierung der ebenfalls angeschlagenen Rudolf Wöhrl AG dadurch weiter belastet wird.

Die Eskalation bei Wöhrl und Sinn-Leffers ist nur ein besonders spektakuläres Beispiel für eine Branche, die insgesamt ums Überleben kämpft. Gerade die mittelständischen Textilhändler, die viele verschiedene Marken anbieten, wie Peek & Cloppenburg, Breuninger oder C&A, tun sich schwer. Zum einen kaufen immer mehr Kunden ihre Mode im Netz, zum anderen umgehen zahlreiche Markenhersteller den traditionellen Handel und verkaufen in ihren eigenen Markenshops direkt an die Kunden.

Die Zahl der selbstständigen Textilhändler hat sich seit der Jahrtausendwende fast halbiert, schätzt der Bundesverband des deutschen Textilhandels (BTE). Waren es ursprünglich mehr als 35.000 Unternehmen, ist ihre Zahl nun auf etwa 18.000 gesunken. Nach Berechnungen des BTE sanken die Umsätze im mittelständischen Modefachhandel im ersten Halbjahr 2016 weiter – um durchschnittlich zwei bis drei Prozent. Nach Berechnungen der Fachzeitschrift „Textilwirtschaft“, die wöchentlich die Umsätze zahlreicher Bekleidungshändler erhebt, machten im vergangenen Jahr 60 Prozent der Modehändler Verluste.


Anleihegläubiger sind die Verlierer

Der Onlinehandel hat bei der Mode schon einen Umsatzanteil von rund 15 Prozent – mehr als in jeder anderen Branche. Nach Schätzungen von Experten dürfte dieser Anteil in wenigen Jahren auf rund 20 Prozent steigen – auf Kosten der Mittelständler mit eigenen Häusern und Filialen.

Verschärft wird die Lage durch die sogenannten Vertikalisten, die in der Branche geradezu eine Revolution ausgelöst haben. Unternehmen wie Zara, H&M oder Primark produzieren ihre Kollektionen selbst und haben damit die gesamte Wertschöpfungskette in der Hand. Sie bieten modische Klamotten zu extrem günstigen Preisen und locken den Mittelständlern so insbesondere die junge Kundschaft weg. Dazu wechseln sie alle paar Wochen die Kollektionen und können so viel schneller auf aktuelle Trends reagieren.

Um dieser aggressiven Konkurrenz die Stirn zu bieten, hatte Rudolf Wöhrl eine Anleihe im Volumen von 30 Millionen Euro ausgegeben. Ursprünglich sollte damit auch die Übernahme von Sinn-Leffers finanziert werden. Doch davon war rasch nicht mehr die Rede. Mit dem Geld wurden stattdessen die eigenen Filialen modernisiert und Schulden abgebaut. Immerhin wurden Zentralbereiche der beiden Unternehmen in Nürnberg zusammengelegt.

Doch geholfen hat das alles wenig, wie sich jetzt zeigt. Nun wird bei Wöhrl wohl eine zweistellige Zahl von Filialen geschlossen. Wie es bei Sinn-Leffers weitergeht, ist noch unklar. Die Geschäftsführung teilte nur vage mit, sie sei überzeugt, dass „ein Großteil der vorhandenen Arbeitsplätze“ erhalten werden könne.

Verlierer dürften jedoch in jedem Fall die Gläubiger der Wöhrl-Anleihe sein. Egal, wie die Sanierung ausgeht – sie dürften nur einen Bruchteil ihres Geldes zurückbekommen.

© Handelsblatt GmbH – Alle Rechte vorbehalten. Nutzungsrechte erwerben?
Zur Startseite
-0%1%2%3%4%5%6%7%8%9%10%11%12%13%14%15%16%17%18%19%20%21%22%23%24%25%26%27%28%29%30%31%32%33%34%35%36%37%38%39%40%41%42%43%44%45%46%47%48%49%50%51%52%53%54%55%56%57%58%59%60%61%62%63%64%65%66%67%68%69%70%71%72%73%74%75%76%77%78%79%80%81%82%83%84%85%86%87%88%89%90%91%92%93%94%95%96%97%98%99%100%