Vermutlich haben Sie sich innerhalb der letzten 24 Monate ein neues Smartphone gekauft. Das alte haben Sie vielleicht an den Händler zurückgeschickt oder einfach weggeschmissen. Wahrscheinlicher ist, dass es noch irgendwo hinten im Schrank liegt. Mehr als 106 Millionen Handys verstauben gerade in deutschen Haushalten, heißt es in einer Studie des Hightech-Verbands Bitkom. Ein Viertel mehr als noch vor einem Jahr.
„Eingangsquelle“, nennt Daniel Boldin die Technik, die in den Schubladen schlummert. Seit Anfang 2014 ist der 39-Jährige Vorstandschef bei Asgoodasnew. Das 2008 gegründete Start-Up verkauft Elektronik gebraucht, aber generalüberholt und deutlich unter Ladenpreis.
Boom-Branche Secondhand
Die Idee, bereits benutzte Produkte im Netz an- und dann weiterzuverkaufen, ist dabei nicht neu. Reseller dieser Art gibt es viele: Rebuy, Momox und Amazons TradeIn sind einige der bekannten. Sie profitieren davon, dass manche Konsumenten kein Interesse daran haben, ihre Produkte langwierig auf Ebay zu verkaufen und stattdessen den Festpreis der Portale akzeptieren. Das Geschäft der Ankaufdienste läuft gut, die Umsätze steigen, die Branche boomt. Selbst junge Branchengrößen wie Momox und Rebuy gelten mittlerweile als profitabel.
Absatzzahlen von Smartphones und Tablets
2011 | 2012 | 2013 | Prognose 2014 |
15,9 | 21,6 | 26,4 | 29,6 |
Absatz in Millionen Stück in Deutschland
Quelle: Bitkom
2011 | 2012 | 2013 | Prognose 2014 |
3,0 | 5,0 | 6,5 | 8,0 |
Absatz in Millionen Stück in Deutschland
2011 | 2012 | 2013 | Prognose 2014 |
2,1 | 4,4 | 8,0 | 9,2 |
Absatz in Millionen Stück in Deutschland
2011 | 2012 | 2013 | Prognose 2014 |
0,3 | 0,7 | 1,3 | 2,5 |
Absatz in Millionen Stück in Deutschland
Weil die meisten Reseller neben Geräten auch Bücher, Computerspiele und Musik-CDs verkaufen, heißen sie im Asgoodasnew-Sprech etwas abfällig „Gemischtwarenläden“. Boldin und seine Mitarbeiter verfolgen die Strategie des "hochwertigen Refurbishments": Sie konzentrieren sich ausschließlich auf Hightech-Produkte und bereiten sie in einem aufwendigen Verfahren wieder auf. In diesem Segment ist Asgoodasnew nach eigenen Angaben in Deutschland Marktführer.
In der Praxis funktioniert das zum Beispiel so: Über die Seite wirkaufens.de verscherbeln Menschen ihr altes Smartphone, Tablet oder die Spiegelreflexkamera an das Unternehmen. Modell, Zustand und Alter des Geräts bestimmen den Preis. Ein iPhone 5 von Apple bringt mehr als ein Nokia 6120. Im Schnitt bezahlt Asgoodasnew nach eigenen Angaben etwas mehr als 100 Euro.
In der unternehmenseigenen Fabrik in Frankfurt löschen dann Techniker die Daten des alten Besitzers, testen und reparieren das Gerät, wenn nötig. „Häufige Defekte sind Kratzer oder gesprungene Displays“, sagt Vorstandschef Boldin. Ausgetauscht werden aber auch defekte Akkus und Hardware-Teile wie Mikrofone. Anschließend spielt Asgoodasnew die aktuelle Software auf.
Mutiges Versprechen
„Was bei uns aus der Fabrik kommt, ist wirklich so gut wie neu“, verspricht Daniel Boldin. Weil der Asgoodasnew-Chef offenbar wirklich an seine Techniker glaubt, gibt er auf die wiederaufbereiteten Geräte 30 Monate Garantie. Kunden, die Apple-Produkte im Laden kaufen, zahlen für eine Rückversicherung dieser Dauer einen Aufpreis. Für Asgoodasnew ist das ein Risiko, zugleich aber auch das anziehendste Alleinstellungsmerkmal.
Die Kundenrezensionen und Bewertungen sind sehr gut. Kein Wunder: Das Start-Up weiß, dass enttäuschte Kunde und schlechte Wertung das angepeilte Wachstum in Gefahr bringen und das Geschäftsmodell gefährden.
Angriff auf etablierte Händler
Verkauft wird ein aufbereitetes Gerät laut Boldin für durchschnittlich „mehr als 200 Euro“. Wie hoch die Gewinnmarge ist, will er nicht verraten. Über den Umsatz spricht der Vorstandschef hingegen gern: Der steigt schließlich derzeit um 40 bis 50 Prozent im Jahr an. Mehr als 20 Millionen Euro Umsatz will Asgoodasnew in diesem Jahr machen, für 2015 peilt er 30 Millionen an. „In 18 Monaten schreiben wir schwarze Zahlen“, sagt Boldin. „Plus, minus“.
Etwa 20.000 Geräte passieren derzeit etwa im Monat die Asgoodasnew-Fabrik in Frankfurt. Diese Zahl steigt, genau wie die der Kunden. Asgoodasnew profitiert dabei wie andere Reseller vom Online-Shopping-Boom. Der Kundenwechsel vom stationären zum Online-Handel ist im Bereich der Consumer Electronic so stark wie nirgends sonst in der Handelsbranche.
Neben dem grundsätzlichen Wechsel von Off- zu Online-Handel profitiert das Unternehmen noch von einer anderen Branchenentwicklung: Die Smartphone-Hersteller drücken immer schneller neue Geräte in den Markt. „Die Industrie strafft die Lebenszyklen der Produkte“, bestätigt Boldin. Mit Vodafone hat bereits der Mobilfunkanbieter Verträge im Angebot, bei denen der Kunde jährlich ein neues Smartphone erhält. Die Geschwindigkeit, in der viele Technik-Fans ihr Equipment wechseln, steigt und damit auch die Eingangsquellen für Asgoodasnew.
Attacke mit Garantie
Der Rückenwind macht offenbar selbstbewusst. „Wir nehmen allen etwas weg“, antwortet Boldin kämpferisch auf die Frage nach der Konkurrenz durch Geschäfte, Online-Händler und-Marktplätze. Das "wie" beantwortet er etwas zurückhaltender und aus Kundensicht. „Nachlässe von 30 Prozent auf neue Produkte finden Sie im Handel nicht“, sagt Boldin. „Schon gar nicht bei Herstellern wie Apple.“ Tatsächlich: Im Vergleich zu Amazon, Redcoon oder Saturn sind die Produkte häufig preiswerter. Wirklich ein Drittel lässt sich aber meist nur Geräten der letzten und vorletzten Generation sparen, die oft eingeschickt werden. Bei aktuellen Geräten sind die Ersparnisse mitunter geringer.
Wohin mit dem alten Handy?
Alte oder defekte Handys dürfen nicht in den Hausmüll geworfen werden. Das wissen inzwischen immer mehr Bundesbürger. Nur noch 1 Prozent der Befragten gibt an, seine Altgeräte auf diese Weise zu entsorgen, 2013 waren es noch doppelt so viele. Für die umweltgerechte Entsorgung alter und defekter Handys gibt es seit Jahren bewährte Rückgabemöglichkeiten.
Quelle: Bitkom, Stand: Juli 2014
Alle großen Netzbetreiber nehmen Altgeräte per Post zurück. Dazu können die Kunden portofreie Versandumschläge im Internet anfordern oder im Handy-Shop abholen. Einige Betreiber nehmen alte Handys auch direkt in den Geschäften entgegen. Wer sein Gerät zurückgibt, tut damit gleichzeitig etwas Gutes: Für jedes eingesandte Mobiltelefon spenden viele Unternehmen einen Betrag an Umwelt-, Sozial- und andere Hilfsprojekte. Jeder siebte Handy-Besitzer (15 Prozent) nutzt diese Möglichkeiten und gibt sein Altgerät beim Händler oder Mobilfunkanbieter ab, jeder fünfte (19 Prozent) spendet es für einen guten Zweck.
Alte Handys können in den kommunalen Abfallsammelstellen kostenlos abgegeben werden. Rund jeder neunte (11 Prozent) Altgeräte-Besitzer tut dies. Die Standorte dieser Recyclinghöfe erfährt man bei seinem örtlichen, kommunalen Abfallwirtschaftsbetrieb. Von dort gehen die Geräte in die Verantwortung der Hersteller über, die für eine umweltgerechte Entsorgung oder Wiederaufbereitung durch zertifizierte Recyclingunternehmen sorgen.
Auch ältere Geräte lassen sich häufig noch zu Geld machen. Im Internet bieten sich dazu Marktplätze wie Ebay aber auch Ankaufportale wie Rebuy, Flip4New oder Momox an.
Nutzer sollten gezielt private Daten wie das Adressbuch, Nutzerprofile von sozialen Netzwerken, Online-Banking-Zugänge oder auch Fotos und Videoclips löschen. Am einfachsten ist es, alle Nutzerdaten des Telefons über entsprechende Funktionen („Zurücksetzen des Gerätes in den Auslieferungszustand“) komplett zu löschen. Externe Speicherkarten sollten vor dem Entsorgen entfernt oder komplett mit einer speziellen Software gelöscht werden. Wer ganz sicher gehen will, dass die Daten einer externen Speicherkarte nicht wiederhergestellt werden können, sollte die Karte physisch zerstören, also beispielsweise zerschneiden.
Die knallharten Schnäppchenjäger will Boldin hingegen mit seinem Garantieversprechen von den Marktplätzen weglocken. Käufer könnten zwar bei Ebay noch größere Schnäppchen ergatterten, räumt er ein, müssten aber gerade bei Privatverkäufern mit der Unsicherheit leben, beschädigte Ware zu bekommen. Asgoodasnew gibt hingegen auf seine wiederaufbereiteten Geräte eine 30-Monats-Garantie. „Wir können bis zu 30 Prozent Rabatt anbieten und die Kunden müssen keine Kompromisse eingehen“, sagt Boldin.
Aber auch wenn das Wachstum der meisten Online-Reseller derzeit rasant ist: Allzu groß ist ihre Marktmacht bislang nicht, der Anteil am gesamten Online-Markt gering. „In der Nische ist das Modell attraktiv“, urteilt Gerrit Heinemann. Potential sieht der Leiter des Forschungszentrums für E-Commerce an der Hochschule Niederrhein vor allem im Luxus-Segment. Kunden, die trotz schmalen Geldbeutels ein einigermaßen aktuelles iPhone mit sich tragen möchten, werden bei den Wiederverkäufern fündig.
Unklar ist, für wie viele Anbieter in dieser Nische in Zukunft Platz sein wird, zumal selbst Amazon schon mit seiner eigenen Tochter TradeIn in das Geschäft eingestiegen ist. Zugleich richten sich auch die Hersteller mit neuen Billig-Smartphones auf preissensible Kunden ein.
Wachstum im Ausland
Auch das Preisargument allein lässt der Handelskenner nicht gelten. Zusätzlich zu den Ankaufkosten müssen Dienstleister schließlich noch die teils hohen Kosten für die Wiederaufbereitung bezahlen, die Logistik stemmen und die Garantieleistung übernehmen. „Die Preisdifferenz zum Händler wird dadurch immer kleiner“, sagt Heinemann. Richtig hohe Rabatte sind nur drin, wenn die Telefone im Ankauf wirklich günstig sind, wodurch ein Verkauf durch die bisherigen Nutzer weniger attraktiv sein dürfte.
„Insofern stellt sich für die Anbieter die Frage: Woher bekomme ich die Ware im großen Stil, die die Kunden wollen“, so Heinemann. Tatsächlich landen bislang gerade mal sechs Prozent der gebrauchten Produkte wirklich bei den Ankaufsplattformen, 19 Prozent werden über Marktplätze wie Ebay und Amazon vertrieben. Wesentlich mehr bleiben einfach in der Schublade, werden als Ersatzgeräte aufbewahrt oder an Verwandte und Bekannte verschenkt.
Auch deshalb setzt Asgoodasnew derzeit viel daran, den eigenen Dienst bekannter zu machen und Käufer wie Verkäufer zu locken. Einen Millionenbetrag investierte das Unternehmen im Frühjahr allein in TV-Werbung. Statt ausschließlich auf private Verkäufer zu setzen, will das Unternehmen in Zukunft noch stärker mit großen Firmen zusammenarbeiten. Schon jetzt kommen einige der Alt-Geräte von großen Partnern wie dem Beratungsunternehmen Ernst & Young und E-Plus-Ableger Base.
Um weiteres Wachstum zu generieren, drängt Asgoodasnew zudem auf ausländische Märkte. Unter anderem in Österreich und Polen gibt es das Angebot bereits. Auch Frankreich und Großbritannien sollen noch in diesem Jahr Geräte an- weiterverkauft werden.
Netter Nebeneffekt der Auslandsstrategie: In wirtschaftsschwachen Nachbarstaaten sind auch die preiswerten Uralt-Smartphones gefragt, die in Deutschland niemand mehr will.