Start-Up Luxus-Babytaschen für China

Eine Wickeltasche aus Deutschland für mehr als 200 Euro – zwei Düsseldorferinnen glauben, dass reiche Chinesen nur darauf gewartet haben und wagen mit ihrem Unternehmen den Sprung ins Reich der Mitte.

  • Teilen per:
  • Teilen per:
Therese Grabowski (links) mit Beraterin Jingwen Kuhn im heimischen Garten: Wickeltaschen für den chinesischen Markt. Quelle: Bastian Benrath

Düsseldorf Düsseldorf-Gerresheim ist ein Randbezirk mit ruhigen Straßen und ordentlichen Gärten. Gerade Hecken säumen die Grundstücksgrenzen. Genau von dort, wo Gästen der Kaffee mit aufgeschäumter Milch serviert wird, schicken sich zwei Frauen an, China zu erobern – mit Wickeltaschen.

Therese Grabowski ist eigentlich Juristin. Mehrere Jahre arbeitete sie halbtags in einer Anwaltskanzlei, dann zog sie mit ihrer Familie von Hessen nach Düsseldorf. Mit dem Ortswechsel ergriff sie die Gelegenheit, „mal was ganz Neues zu machen“, wie sie sagt. Vor drei Jahren sparte sie sich gemeinsam mit ihrem Mann 200.000 Euro Startkapital zusammen, entwarf eine Serie von Wickeltaschen, zog ihren eigenen Onlineshop auf. Das Label „Therese Accessoires“ war geboren, ein großes türkisfarbenes Herz mit einer Schleife drumherum. „Wahrscheinlich hängt es vom Lebensmodell ab“, sagt die 51-Jährige. „Aber ich kann mir nicht vorstellen, nur noch darauf zu warten, dass die Kinder aus dem Haus sind.“

Design mit Stoffen habe ihr schon immer Spaß gemacht, auch wenn sie es nie professionell gelernt habe, erzählt Grabowski. Ihre eigenen Kinder seien es gewesen, die sie dazu animiert hätten, Baby-Accessoires herzustellen. Denn Therese Accessoires stellt nicht nur Taschen her, sondern auch Wickelauflagen, Flaschenwärmer und  Strampelanzüge.

Seit 2011 läuft das Geschäft jetzt, rund 1500 Taschen verkauft Grabowski im Jahr. 20.000 Euro jährlich setzt sie um, rund ein Fünftel davon bleiben ihr als Jahresgewinn. „Jetzt muss es dann mal laufen“, sagt sie. Deshalb steht Grabowskis kleiner Firma nun eine große Veränderung bevor: Es geht nach China. Klappt das Geschäft, so schätzt sie, würde es ihren Umsatz verfünffachen.

Als Grabowski im vergangenen Herbst auf einer Messe in Düsseldorf zu Gast war, sprachen zwei Damen des Messebetreibers sie an. Die Messe Düsseldorf organisiere gerade einen „Deutschen Pavillion“ in Peking, so ihre Botschaft, dafür seien sie auf der Suche nach neuen deutschen Labels. Ob sie nicht Interesse daran habe, ihre Produkte in Peking auszustellen. Unter dem Etikett „Deutscher Pavillion“ organisieren die Deutsche Außenhandelskammer und andere Wirtschaftsverbände Schaufenstermessen für deutsche Unternehmen weltweit.

Ende März 2014 stellte Therese Grabowski ihre Accessoires dann in Peking vor und führte erste Gespräche mit chinesischen Händlern. Die Resonanz war sehr positiv, doch viele neue Fragen tauchten auf. Vertrieb über verschiedene Händler oder Generalvertretung? Unabhängiges Label oder Exklusivvertrag mit einem großen Partner? „Die Chinesen erwarten, dass man alles schon ganz fertig geplant hat“, sagt Grabowski.


„Wer Kinder hat, kommt an H&M nicht vorbei“

Ihr gegenüber am Gartentisch, unter einem Sonnenschirm auf ihrer Terrasse in Düsseldorf-Gerresheim, sitzt Jingwen Kuhn. Seit der Messe in Peking ist Kuhn nicht nur Nachbarin und Freundin für Grabowski, sondern auch Beraterin. Kuhn bringt das Know-how für den chinesischen Markt mit, ihre Firma berät Unternehmen, die Handel zwischen Deutschland und China treiben. Die 43-jährige gebürtige Chinesin lebt seit 17 Jahren in der Rheinmetropole. Bei einem Feriensprachkurs lernte sie dort einst ihren Ehemann kennen und blieb. Auch sie hat drei Kinder.

Wo Grabowski begeistert und kreativ ist, ist Kuhn die Geschäftsfrau. Während des Gespräches redet sie mehr als die Designerin; in ihren Sätzen kommen häufig Wörter wie „Brand“, „Level“ und „high quality“ vor. Nach drei Monaten des Sondierens bestärkte sie Grabowski in der Idee, Luxus-Babytaschen, made in Germany, an die wohlhabende chinesische Oberschicht zu verkaufen.

„Ausreichende Qualität ist in Deutschland eigentlich Standard, deshalb läuft der Wettbewerb über den Preis. Das ist in China anders“, sagt sie. Aus Angst um die Sicherheit ihres Babys vertrauten solvente Chinesen gern auf Importartikel. „Stoffe von Billigprodukten reizen häufig die empfindliche Babyhaut“, erklärt Grabowski. Alle ihre Taschen sind deshalb aus zertifiziert reiner Baumwolle.

Dass am hiesigen Markt nur der Preis wichtig ist, darüber regt sich Grabowski gerne auf. „Wenn man Kinder hat, kommt man an H&M nicht vorbei“ – aber gerade weil sie etwas Besseres entwickeln wollte, gründete sie Therese Accessoires. Von Beginn an setzte sie auf Stoffe hoher Qualität, handwerklich verarbeitet in Deutschland. „Es war gar nicht so einfach, dafür eine Schneiderei zu finden“, erzählt sie. Auf ihre erste Zeitungsanzeige im Jahr 2011 meldeten sie ganze zwei Interessenten. Ein kleiner Betrieb am Niederrhein bekam schließlich den Zuschlag, bis heute produziert sie vollständig dort.

„Die Taschen geben einem haptisch das Gefühl, etwas Gutes in der Hand zu haben“, schwärmt eine Düsseldorfer Kundin. Die Preise haben es in sich: Im Onlineshop bekommt man keine Wickeltasche unter 235 Euro. Deshalb sei der Schritt nach China für sie so wichtig, sagt Grabowski: Dort gebe es Menschen, die bereit seien, entsprechende Summen auszugeben. Das gelte, obwohl ihre Produkte durch die hohen chinesischen Importsteuern dort noch wesentlich teurer sein werden. In China sollen die Taschen nicht einzeln, sondern als 36-teilige Baby-Sets verkauft werden. Ein solches Set wird dann rund 20.000 Yuan (rund 2500 Euro) kosten.


„Wir fragten uns: Was ist Luxus?“

In ihrer Luxuszielgruppe sind Markenprodukte Standard. Dort eine neue Marke zu etablieren, ist nicht einfach. Also dachten sich Grabowski und Kuhn einige Innovationen aus, welche die Taschen populär machen sollen. Ihr Vorteil dabei: Sie sind selbst beide Mütter. „Wir fragten uns: Was ist Luxus?“, sagt Grabowski. Kuhn etwa nervte es, dass sie wegen ihrer drei Kinder sieben Jahre lang keine Handtasche tragen konnte, sondern stets klobige Wickeltaschen mit sich herumtrug. „Ich hatte einen Stil wie ein Bauer“, sagt sie lachend.

Die Taschen von Therese Accessoires sollen Müttern ermöglichen, alles dabei zu haben und trotzdem gut aussehen zu können. Außen an jeder Tasche gibt es einen Halter, der abhängig von der Situation sowohl die Flasche des Babys halten kann als auch das Handy der Mutter.

Eine weitere Besonderheit, die sie speziell für den chinesischen Markt entwickelt haben, ist die Verpackung der Taschen. Denn: Chinesische Konsumenten heben Verpackungen fast immer auf. „Meine Eltern behalten alle schönen Kartons“, erzählt Kuhn aus ihrer eigenen Familie. Außerdem: „So etwas Teures nur in einer weißen Tüte nach Hause zu tragen, ist doch eigentlich schade, oder?“, fügt Grabowski hinzu.

Deshalb planen die beiden, ihre Artikel in Kartons aus stabiler Pappe zu verkaufen, die mit Magneten zusammengefügt werden können. Die Kartons eines ganzen Sets der Babyartikel ergeben dann eine Utensilienkommode. Im Zeichen der Nachhaltigkeit können Kunden ihre Verpackungen so als Möbelstück wiederverwenden. Freilich ist das Schränkchen in Türkis gehalten, der Farbe von Therese Accessoires.

Seit der Messe im Frühjahr sind Grabowski und Kuhn in Verhandlungen mit verschiedenen chinesischen Partnern. Einen endgültigen Vertrag gibt es noch nicht, doch die Gespräche nähern sich einem Ende. „Das dauert kein halbes Jahr mehr“, sagt Grabowski.

Ob ihre Idee in China aufgeht? „Das wollen wir hoffen“, meint sie und rührt nachdenklich in ihrem Kaffee. Sollte es nicht klappen, würde sie wohl eine Boutique eröffnen und anders versuchen, ihren Umsatz zu steigern. In jedem Fall sei sie dankbar für die neuen Erfahrungen aus den Verhandlungen mit China: „Mir macht es supermäßig Spaß. Ich bin dankbar, dass ich so eine Chance habe.“

Trotz des hohen Preises ihrer Wickeltaschen in China, ist die Zielgruppe der beiden Düsseldorferinnen groß. Sie rechnen damit, dass rund ein Prozent der chinesischen Bevölkerung sich ihre Taschen leisten kann. Das klingt zunächst nach nicht viel. Doch rein rechnerisch kommen damit gut 13 Millionen Menschen infrage. Und das ist - betrachtet von der Terrasse eines Reihenhauses in Düsseldorf-Gerresheim aus mit den Garten-Springbrunnen im Blick - verdammt viel.

© Handelsblatt GmbH – Alle Rechte vorbehalten. Nutzungsrechte erwerben?
Zur Startseite
-0%1%2%3%4%5%6%7%8%9%10%11%12%13%14%15%16%17%18%19%20%21%22%23%24%25%26%27%28%29%30%31%32%33%34%35%36%37%38%39%40%41%42%43%44%45%46%47%48%49%50%51%52%53%54%55%56%57%58%59%60%61%62%63%64%65%66%67%68%69%70%71%72%73%74%75%76%77%78%79%80%81%82%83%84%85%86%87%88%89%90%91%92%93%94%95%96%97%98%99%100%