Stichtag für Aktionäre WMF-Mehrheitseigner KKR auf dem Weg zum Alleinherrscher

KKR strebt über 90 Prozent der WMF-Anteile an. Ein Übernahmeangebot an die Aktionäre läuft am Montag aus. Im nächsten Schritt könnte der Finanzinvestor WMF von der Börse nehmen, ungestört durchregieren und Kasse machen.

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WMF macht gutes Geschäft im Ausland Quelle: dpa

Die idyllischen Fachwerkhäuser des Donaustädtchens Riedlingen erzittern unter dem Lärm, es scheppert und klappert, rumpelt und kracht. Rund 600 Männer und Frauen sind vor das Rathaus gezogen, schlagen Topfdeckel wie Orchester-Becken gegeneinander, hämmern mit Kochlöffeln auf Pfannen. Dass die Küchengeräte bei dem Krawall Kratzer abbekommen, ist den sonst so peniblen Schwaben egal.

Die Wut der Beschäftigten von Silit, einem Tochterunternehmen der WMF, muss raus, und sie zeigen, gegen wen sie sich richtet: „Holt den Kammerjäger, Heuschrecke KKR im Ländle“ heißt es auf einem der Plakate. Ein anderes sieht aus wie eine Traueranzeige und verkündet: „Silit 1920–2014. Todesursache KKR“.

Hektisch und ruppig

Hinter dem Kürzel verbirgt sich der US-Finanzinvestor Kohlberg Kravis Roberts. Der hat 2012 die Mehrheit an WMF übernommen. Seit das Management des Herstellers von Töpfen, Besteck und Kaffeeautomaten Anfang des Jahres ein Sparprogramm verkündete, ist bei WMF der Teufel los und der neue Eigentümer in der Kritik. Arbeitnehmer und Lokalpolitiker werfen ihm vor, Kultur und Werte des Traditionskonzerns kurzfristiger Renditeoptimierung zu opfern. Das gefährde nicht nur den Betriebsfrieden, sondern mittelfristig auch Ansehen und Erfolg der Marke – und damit das gesamte Unternehmen.

Tatsächlich wirbelt die KKR-Truppe den Topf- und Bratpfannenbauer ordentlich durcheinander. Grundsätzlich ist das Aktionsprogramm zwar durchaus sinnvoll. Die Umsetzung erfolgt aber so hektisch und ruppig, dass viele der rund 6000 Arbeitnehmer überfordert sind. Der aktuelle Streit erinnert an das Jahr 2005, als Finanzinvestoren beim Armaturenhersteller Grohe ein radikales Optimierungsprogramm durchzogen. Das Vorgehen animierte den damaligen SPD-Vorsitzenden Franz Müntefering dazu, die Investoren mit Heuschrecken zu vergleichen. Das Etikett haftet den Private-Equity-Gesellschaften bis heute an.

Wie damals prallen auch bei WMF zwei Welten aufeinander. Auf der einen Seite steht ein scheinbar kerngesunder, in seiner Region verwurzelter Traditionskonzern. Die Württembergische Metall Warenfabrik, blickt auf 161 Jahre Geschichte zurück, ist seit 1887 an der Stuttgarter Börse notiert und gilt als älteste württembergische Aktiengesellschaft. 1980 hatte die Eigentümerfamilie Siegle ihre Anteile an Rheinmetall verkauft, später übernahm ein Konsortium, zu dem die Deutsche Bank und die Münchener Rück gehörten.

WMF auf einen Blick

Im Hauruckverfahren

Trotz dieser Wechsel hat sich WMF die Kultur eines großen Familienunternehmens bewahrt, ist für die Deutschen ein Synonym für hochwertige Koch- und Küchenware geblieben. Der Ruf reicht weit über die Grenzen hinaus. „International kann eine Marke wie WMF noch viel erreichen“, sagt Peter Pirck von der Brandmeyer Markenberatung in Hamburg voraus. Vor allem Chinesen machen auf ihrer Deutschlandtour gerne einen Abstecher an den WMF-Stammsitz Geislingen, wo sie sich mit reichlich Kochgeschirr eindecken. Kein Wunder, denn im Reich der Mitte, sind die Töpfe Made in Germany so begehrt, dass eine 30-prozentige Luxussteuer auf ihnen lastet.

Der 1976 gegründete US-Investor KKR steht dagegen für Wall Street pur. Die Gesellschaft sammelt Milliarden von Pensionsfonds, Versicherungen und reichen Privatanlegern ein, übernimmt Unternehmen und versucht, im Hauruckverfahren deren Wert zu steigern. Nach fünf bis acht Jahren will KKR mit möglichst viel Gewinn wieder aussteigen. In Deutschland hat das mal mehr, mal weniger gut geklappt. Beim Gabelstaplerhersteller Kion und dem Medienkonzern ProSiebenSat.1 hat sich die Rezeptur aus knallhartem Sparprogramm, Wachstum und Zukäufen rentiert. Bei der Werkstattkette ATU dagegen ist KKR krachend gescheitert.

Methoden wie mit der Brechstange

Die US-Gesellschaft ist nicht der erste Finanzinvestor, der sich an WMF versucht. Von 2006 bis 2012 gehörte das Unternehmen mehrheitlich dem Schweizer Investor Capvis. Der griff aber nur behutsam ins Geschäft ein und ließ das Management an der langen Leine laufen. Capvis verdiente trotzdem prächtig und hat mit dem Verkauf seiner Anteile für 238 Millionen Euro den Einsatz mehr als verdoppelt.

Eine ähnliche Rendite peilt KKR an. Doch sanftere Methoden zur Ergebnisoptimierung sind ausgereizt. Deshalb muss die Brechstange her. Als eine der ersten Amtshandlungen feuerte KKR Vorstandschef Thorsten Klapproth, der WMF zehn Jahre geführt hatte. Nachfolger wurde der Ex-Beiersdorf-Vorstand Peter Feld, der sich den Wechsel aus Hamburg mit 900.000 Euro Antrittsprämie versüßen ließ.

WMF-Geschäftsbereiche (Umsatz 2013 in Millionen Euro)

Wildwuchs der Marken

Für viele WMF-Angestellte gestaltet sich das Wirken des neuen Chefs finanziell weniger erfreulich. Das Sparprogramm soll die Kosten jährlich um 30 Millionen Euro senken. Statt 33 Logistikzentren gibt es künftig zwei, von bundesweit 200 Filialen sollen 40 dichtmachen. Die eigene Galvanik wird geschlossen und ausgelagert. Am Silit-Standort Riedlingen fallen 100 von 300 Jobs weg, in Geislingen sind es bis zu 500 – ein Viertel der dort Beschäftigten.

Die harten Schnitte sind den Arbeitnehmern deshalb so schwer vermittelbar, weil es dem Unternehmen an sich prächtig geht. Der Umsatz ist seit 2009 von 800 Millionen auf mehr als eine Milliarde Euro gestiegen, getrieben vor allem von der wachsenden Nachfrage nach Kaffeeautomaten. Auch der Gewinn hat sich stabil entwickelt. Nur 2013 gab es leichte Rückschläge. Der Kauf und spätere Verkauf der Billigmarken Princess, Petra und Nova war ein teurer Flop, der insgesamt rund 20 Millionen Euro kostete. Derzeit lässt der von KKR dominierte Aufsichtsrat von einer Kanzlei prüfen, ob WMF-Manager beim Kauf der Marken ihre Pflichten verletzt haben. Zu Details will sich KKR nicht äußern.

Auch nach dem Abschied von den Billigartikeln ist das Markenportfolio mit WMF, Alfi, Auerhahn, Boehringer, Hepp, Kaiser, Schaerer und Silit noch sehr üppig. Zu üppig, findet WMF-Chef Feld. „Das Unternehmen hat sich gut entwickelt und steht auf einer soliden Basis“, meint er. Allerdings gebe es einen regelrechten Wildwuchs von Marken, die sich zum Teil Konkurrenz machten. „Das erschwert unseren Kunden die Orientierung“, sagt Feld und will damit Schluss machen. Die Besteckmarke Auerhahn wird zum Jahresende eingestellt, der Kaffeekannenproduzent Alfi könnte verkauft werden. Die Zahl der Produkte hat Feld von 40.000 auf rund 25.000 reduziert.

WMF-Symbol soll verkauft werden

Auch vom historischen Herzstück der WMF der Fischhalle will man sich trennen. Der Zickzackbau aus dem Jahre 1912, in dem das Unternehmen seinen Mitarbeitern in Zeiten steigenden Fleischpreise Fisch zum Selbstkostenpreis anbot, ist heute der Fabrikverkauf der WMF-Gruppe untergebracht. Rund herum ist ein Outlet-Center mit gut zwei Dutzend Marken wie Gardena, Nina von C. und Kärcher entstanden, das jährlich eine sechsstellige Besucherzahl anlockt. Das soll auch so bleiben. Doch die WMF wird dann nicht mehr Eigentümer der Immobilien sein. Das Management sucht einen Investor und wird die Fischhalle dann zurückmieten.

Der WMF-Chef will aber nicht nur sparen, sondern auch wachsen. Dafür sieht er noch viel Spielraum. So verweist er auf ein 25-Punkte-Programm, das er gemeinsam mit dem Management des Unternehmens entwickelt hat. Das soll WMF zur „weltweiten Nummer eins im Tisch-und-Küche-Geschäft und bei professionellen Kaffeemaschinen“ machen. Die verbliebenen Filialen werden modernisiert, der Online-Auftritt ausgebaut. Gespart würde nur bei Logistik und Verwaltung. „Dafür investieren wir in Produktion und Vermarktung“, sagt Feld. Davon profitiere auch der Unternehmenssitz in Geislingen.

Ein Städtchen in Angst

Die Botschaft hört die Belegschaft wohl, allein ihr fehlt der Glaube. Der Ort am Rande der Schwäbischen Alb ist in Aufruhr. „Die Folgen des Stellenabbaus sind dramatisch“, klagt der noch amtierende, aber abgewählte Oberbürgermeister Wolfgang Amann. WMF ist der größte Arbeitgeber, Amann befürchtet eine Abwanderung von Familien und sinkende Kaufkraft. Der Gemeinderat hat den Stellenabbau in einer Resolution kritisiert, bisher ohne Reaktion von KKR.

Dafür läuft die Suche nach einem Schuldigen. Als ein Verantwortlicher gilt die Kreissparkasse im benachbarten Göppingen. Die hatte KKR den Einstieg mit einem 150-Millionen-Euro-Kredit finanziert. Vorstandschef Hariol Teufel gilt seitdem als Heuschrecken-Freund und muss den Lokalpolitikern in seinem Verwaltungsrat unangenehme Fragen nach der Nachhaltigkeit des KKR-Engagements und Standortgarantien beantworten.

Geschäftsentwicklung von WMF (in Millionen Euro)

Holding im Steuerparadies

Für zusätzliche Unruhe sorgen die Börsenpläne von KKR. Derzeit hält der Investor rund 72 Prozent der WMF-Stammaktien. Mit dem zweiten Großaktionär, der Fiba-Beteiligungsgesellschaft des österreichischen Unternehmers Andreas Weißenbacher, lag KKR wegen der komplexen Eigentumsverhältnisse zunächst über Kreuz. Nun haben sich beide geeinigt: Die Fiba gibt ihren 25-Prozent-Anteil der Stammaktien an KKR ab und wird dafür an der Holding beteiligt, unter der KKR die WMF-Beteiligung künftig führt. Die hat ihren Sitz in Luxemburg und ist die Tochter einer Gesellschaft auf den Cayman-Inseln. Echte Transparenz sieht anders aus.

Die größten Finanzinvestoren
FinanzinvestorenDer Topf- und Besteckhersteller WMF gehört seit Mitte 2012 dem Finanzinvestor KKR. Der amerikanische Eigner war einst Pionier der Idee des Private-Equity-Investors. Die Idee: Firmen mit Wachstum- oder schlummernden Einsparpotenzialen aufkaufen, auf Rendite trimmen und mit Gewinn weiterverkaufen. In der Finanzkrise gerieten die als „Heuschrecken“ verschrieenen Investoren unter die Räder, da sie viele Zukäufe mit Kredit finanziert haben. Unsere Übersicht zeigt, wer bei Investoren am meisten Geld eingesammelt hat, um als Firmenjäger durch die Welt zu ziehen. Quelle: dpa
Platz 10 mit 10,8 Milliarden Euro Volumen:CVC Capital Partners ist eines der führenden internationalen Private-Equity-Unternehmen. Es wurde 1981 gegründet und ist heute mit 19 Niederlassungen und über 130 Investment Professionals in Europa, Asien und den USA präsent. Im Juli 2008 wurde der CVC European Equity Partners V Fonds geschlossen, der auf Platz 9 im Ranking landet. Zu den größten Beteiligungen des Unternehmens gehörte 2005 der Kauf von 86 Prozent der Anteile am Unternehmen SLEC Holdings, der Unternehmensgruppe, die die Formel 1 betreibt. Ein Jahr später erwarb CVC die übrigen 14 Prozent. In Deutschland ist CVC an Unternehmen wie Elster Group, Ista, Flint, Evonik Industries AG (25,01 Prozent seit 2008) und der Metzeler Automotive Profile Systems beteiligt. Quelle: PR
Platz 9 mit 14,7 Milliarden US-Dollar:Nicht ganz so erfolgreich wie der Vorgänger-Fonds, aber immerhin Platz 9 im Ranking. Im Dezember 2008 wurde der Apollo Investment Fund VII mit einem Volumen von 14,6 Milliarden US-Dollar geschlossen. Obwohl die Kapital-Sammelaktion mehr als 16 Monate dauerte, wurde das 15-Milliarden-Dollar-Ziel knapp verfehlt. Quelle: dpa
Platz 8 mit 15,4 Milliarden US-DollarSeit der Gründung der Texas Pacific Group 1992 hat das Unternehmen mehr als 57,5 Milliarden Dollar mit 18 verschiedenen Fonds eingesammelt. Im Ranking sind gleich zwei TPG-Fonds vertreten: Platz 7 belegt der im Jahr 2006 mit einem Volumen von 15,4 Milliarden US-Dollar geschlossene Texas Pacific Group Partners V. Trotz der beeindruckenden Größe der Fonds haben sie nicht immer eine positive Performance hingelegt. So verstieg sich der Fonds in einem Engagement in den Finanzdienstleister Washington Mutual, der 2008 teilweise kollabierte. Gemeinsam mit dem Folgefonds TPG Partners VI verlor TPG Partners V insgesamt 1,35 Milliarden Dollar. Ein bekanntes Investment von TPG in Deutschland: der Armaturenhersteller Grohe. Quelle: REUTERS
Platz 7 mit 16, 2 Milliarden US-Dollar:Mit rund 16 Milliarden Dollar ist Blackstone's Capital Partners VI der siebtgrößte Fonds, der jemals von Finanzinvestoren initiiert wurde. Ursprünglich wollte Blackstone (im Bild Verwaltungsratschef Stephen Schwarzman) das Geld für den neuen Fonds bereits bis Mitte 2010 eingesammelt haben. Das Interesse der Investoren an Private-Equity-Fonds hat nach der US-Hypothekenkrise jedoch nachgelassen, sodass sich der Abschluss der Kapital-Sammelaktion auf Anfang 2012 verschob. Einen Teil des Geldes hat Blackstone in Emdeon, einen drei Milliarden US-Dollar teuren IT-Dienstleister der Gesundheitsbranche investiert. Zu den Großanlegern des BCP VI gehören unter anderem einige große Pensionsfonds. Beispielsweise sind Gelder für die Altersversorgung der kalifornischen Staatsdiener in den Fonds geflossen. Quelle: REUTERS
Platz 6 mit 17,6 Milliarden US-DollarMit diesem Fonds tätigten Henry Kravis (Mitte) und seine Partner einen der größten fremdkapitalgestützten Käufe der Geschichte. Der Kohlberg Kravis Roberts – KKR Fund 2006 war einer der ersten großen Buyout-Fonds der New Yorker Gesellschaft und gemeinsam mit der Texas Pacific Group (heute TPG) akquirierte KKR darüber TXU, Texas größtes Energieunternehmen. Der Deal erwies sich rückblickend als fatal, das Unternehmen stand 2012 vor dem Bankrott. Der KKR Fonds 2006 investiert typischerweise in Konsumprodukte, auch Supermarkt-Portfolios, außerdem im Versicherungswesen, im Kommunikations- und Unterhaltungsbereich wie auch elektronischen Medien und in der Gesundheitsversorgung. 2012 hinkte der einst so furios gestartete Fonds bezüglich der internen Ertragsrate dem Branchenschnitt hinterher, ein neu aufgelegter KKR Fonds in diesem Jahr bekam außerdem nur knapp die Hälfte des Investitionskapitals des 2006er Fonds zusammen. Beobachter schätzten, dass die Lust der Anleger auf Megadeals jenseits der zehn Milliarden Dollar-Grenze in den vergangenen Jahren deutlich abgenommen hat. Insgesamt konnte KKR in den vergangenen zehn Jahren 51,9 Milliarden Dollar für das Private Equity Geschäft einsammeln. Quelle: REUTERS
Platz 5: 11,2 Milliarden Euro Auch hier lässt sich Geld verdienen: Gesundheitsversorgung gehört zu den fünf Kerninvestmentbereichen der Londoner Kapitalbeteiligungsgesellschaft Apax. Die Firma führt mit dem 2007 in die Investitionsphase gestarteten Apax Europe VII Fund den größten Investmentfonds Europas – und den viertgrößten der Welt. Das Private Equity Portfolio von Apax beinhaltet den Schuh- und Accessoire-Hersteller Cole Haan, die nordamerikanische Versicherungsgruppe HUB International und die General Healthcare Group Großbritanniens größten Krankenhausbetreiber. Bis 2005 gehörte der in den 80ern als kleines Venture Capital gestarteten Kapitalbeteiligungsgesellschaft übrigens auch die Fastfood-Kette Nordsee. Das Unternehmen hatte sie 1997 von Unilever erworben und verkaufte sie dann an den Besitzer der Bäckereikette Kamps. Während Apax mit dem stärksten Fonds-Schluss im Krisenjahr 2008 aufwarten konnte, hatte die Gesellschaft in den vergangenen Jahren auch viele Probleme. Apax Europe VII wies laut dem Washington State Investment Board Ende 2012 nur knapp 2,8 Prozent Ertragsrate auf, zudem herrschte eine hohe Personalfluktuation: Knapp die Hälfte der Händler in verantwortlichen Positionen hatten laut Reuters das Unternehmen zwischen 2007 und 2012 verlassen. 2013 hingegen lag die Ertragsrate bei 4,3 Prozent. Quelle: dpa

Neben den rund neun Millionen Stammaktien gibt es aktuell noch 4,7 Millionen stimmrechtslose WMF-Vorzugsaktien. Für diese hat KKR ein freiwilliges Übernahmeangebot abgegeben, das am 25. August ausläuft. Am vergangenen Mittwoch stockte der Investor die mit einem 615-Millionen-Kredit von Commerzbank und Deutscher Bank finanzierte Offerte von 53 auf 58 Euro auf. Mit dem Angebot will sich KKR mehr als 90 Prozent aller WMF-Anteile sichern. Damit könnte die Private-Equity-Gesellschaft die übrigen Aktionäre gegen eine Abfindung von ihrer Beteiligung ausschließen und WMF von der Börse nehmen.

Begründet wird der Plan mit Kostenvorteilen. Skeptiker vermuten hinter dem Manöver aber niedere Motive. Nach dem Abschied von der Börse könne KKR ungestört durchregieren und Kasse machen. Von besonderem Reiz für den Finanzinvestor ist nämlich die im Branchenvergleich üppige WMF-Eigenkapitalquote von aktuell 53 Prozent. KKR könnte sich hieraus eine Sonderdividende genehmigen und damit beginnen, das Unternehmen finanziell auszubluten. Dass im Übernahmeangebot an die Aktionäre steht, KKR habe keine Absicht, „Vermögen oder Finanzierungsstruktur zu ändern“, beruhigt die verunsicherten WMFler kaum.

Das Ende der Ramschaktion

Vor diesem Hintergrund versucht der WMF-Chef, gute Stimmung zu machen, indem er von den Chancen durch Expansion jenseits der Grenzen schwärmt. 45 Prozent der Umsätze entfallen derzeit auf das Ausland, der größte Teil auf das wirtschaftlich stagnierende Europa. „Das Verhältnis von In- und Auslandsumsatz soll sich umkehren“, kündigt Feld an. Wachstum soll vor allem aus China kommen, und zwar schnell. „Dort verschärft sich der Wettbewerb auch durch heimische Hersteller, wir dürfen keine Zeit verlieren“, sagt Feld. Dafür hat er einen Top-Manager von Levi’s und Starbucks angeworben und plant eine große Werbekampagne. Zum Halbjahr kann Feld erste Erfolge präsentieren. Der Auslandsanteil stieg von 36 auf 42 Prozent.

Tatsächlich wird das Geschäft in Deutschland immer schwieriger, weil hier Verdrängungswettbewerb tobt. „Der gesamte Markt für Tisch- und Haushaltswaren steht enorm unter Druck“, beobachtet Sebastian Deppe von der BBE-Handelsberatung. Der Markt von rund 5,8 Milliarden Euro schrumpft jährlich um zwei bis drei Prozent. Feld will WMF darum konsequent zur Premiummarke ausbauen, um sich von Einrichtungsketten wie Ikea und Butlers abzugrenzen. Auch als Prämien für Treuepunkte bei Einzelhändlern sollen WMF-Sets nicht länger verramscht werden.

Das käme auch dem Einzelhandel entgegen. Thomas Grothkopp vom Bundesverbands für den Gedeckten Tisch, Hausrat und Wohnkultur: „Wir brauchen verlässliche Marken mit Strahlkraft.“ Damit diese Wertigkeit beim Kunden erhalte bleibe, müsse auch das Label „Made in Germany" glaubwürdig bleiben. Dass die bei den Treuepunkten-Aktionen hergestellten Töpfe, aber eben oft nicht aus Deutschland, sondern Asien stammen und bei einem Test des ARD-Verbrauchermagazins Plusminus schlechter abschnitten als die Ware, die in Geislingen vom Band läuft, trägt nicht gerade positiv zur Imagepflege bei.

Die Rotstiftpreise, für die Topfsets in WMF-Filialen zu haben sind und Rabattaktionen von Internethändlern mit Nachlässen von 30 bis 70 Prozent auf die Qualitäts-Messer, Pfannen und Töpfe lassen Marken-Berater wie Peter Pirck aufhorchen. Für den Verbraucher ist damit nicht mehr zu erkennen, welcher Preis reel ist. Das Niveau erodiert. „Das weist auf erste Kratzer im Qualitätsimage hin“, warnt Prick.

Handelsexperte Deppe hält die Umstrukturierungspläne deshalb ebenfalls in Summe für „absolut notwendig“. Ein langer Streit mit den Arbeitnehmern stört dabei allerdings, denn angeblich will KKR die WMF-Umsatzrendite auf 12,5 Prozent hochpeitschen – ein extrem hoher Wert. „KKR fehlt schlicht die Zeit, die Strukturen langsam und sozialverträglich zu ändern, so wie es ein mittelständischer Familienunternehmer tun würde“, klagt ein Gewerkschaftsvertreter. Nur für die Kaffeeautomatensparte soll es eine Standortgarantie geben. Für den Arbeitnehmervertreter ist das ein schlechter Scherz: „Das ist so, als sagten Sie einem Eskimo, dass er seinen Eisberg behalten darf.“

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