Stiftung Warentest verliert gegen Ritter Sport Quadratisch, praktisch und nicht mangelhaft

Im Berufungsverfahren mit dem Schokoladenhersteller Ritter Sport hat die Stiftung Warentest erneut eins auf die Nuss bekommen. Sie darf die Nuss-Schokolade nicht mehr als "mangelhaft" anprangern.

  • Teilen per:
  • Teilen per:
ritter sport: Stiftung Warentest verliert vor Gericht Quelle: dpa

Für die einen stand der Verbraucherschutz auf dem Spiel, für die anderen der gute Ruf des Unternehmens. Die Richter des Oberlandesgericht in München haben nun entschieden: Die Stiftung Warentest darf nicht mehr behaupten, dass die Nuss-Schokolade von Ritter Sport ein künstliches Aroma enthält.

Das Gericht begründete die Zurückweisung der Berufung damit, dass die Stiftung Warentest in ihrem Testbericht eine Tatsachenbehauptung aufgestellt habe. Sie habe aber aufgrund ihrer Recherchen nicht „nachgewiesen“, sondern „geschlussfolgert“, um welche Art von Piperonal es sich handele. Dies habe die Stiftung im Testbericht nicht deutlich genug kommuniziert.

Ritter Sport: Aroma oder natürliches Aroma?

Das Gericht würdigte die Recherchen der Stiftung zum Herstellungsverfahren des Aromastoffs und übte allein Kritik an der redaktionellen Darstellung, die diese Recherche hätte deutlicher beschreiben sollen.

Die Richterin betonte ausdrücklich, dass es in diesem Verfahren nicht um die Frage ging, ob das für die Voll-Nuss-Schokolade verwendete Piperonal ein natürlicher oder ein chemisch hergestellter Aromastoff ist. Gerade wegen der immensen Bedeutung der Testberichte in der Öffentlichkeit müsse die Stiftung Warentest ihre Worte besonders sorgsam wählen, mahnte die Richterin. „Wenn Sie schreiben, Sie haben das nachgewiesen dann müssen Sie sich daran festhalten lassen.“

Worum ging es? Ritter wehrte sich dagegen, dass die Stiftung Warentest seine Nussschokolade bei einem Test von 26 Nussschokoladen, veröffentlicht in der Dezember-Ausgabe 2013 der Zeitschrift „test“ ,mit „mangelhaft“ bewertet hatte. Die Tester warfen dem Schokoladenhersteller demnach vor, er verwende den chemisch hergestellten Aromastoff Piperonal, deklariere auf der Verpackung aber nur „natürliches Aroma“. Für diese unterstellte Verbrauchertäuschung gab es die schlechte Gesamtnote.

Ritter reagierte „entsetzt“ und behauptete, es seien ausschließlich natürliche Aromen verwendet worden. Der Lieferant des Vanillearomas, der weltweit größte Aromenhersteller Symrise, gab sogar eine Garantieerklärung ab: Das gelieferte Aroma sei „ein natürliches Aroma im Sinne der europäischen Aromenverordnung“ und das zugesetzte Piperonal sei „ein natürlicher Aromastoff“ im Sinn derselben Verordnung.

Negativ-Urteil basierte auf Mutmaßungen

Laut dieser Aromenverordnung müssen natürliche Aromastoffe aus natürlichen Ausgangsstoffen hergestellt und durch physikalische, enzymatische oder mikrobiologische Verfahren gewonnen werden. Ein chemisch hergestellter Aromastoff darf dagegen nicht „natürlich“ genannt werden.

Symrise versichert jedoch schriftlich, der gelieferte Aromastoff sei „ausschließlich aus Pflanzen“ und „ausschließlich mit Hilfe physikalischer Methoden“ gewonnen worden. Auf diese Weise hergestelltes Piperonal sei 30-mal so teuer wie herkömmliches. Eine derart teure Substanz in einem vergleichsweise preiswerten Massenprodukt. Da kann doch was nicht stimmen.

Das hatte sich wohl auch die Stiftung Warentest gedacht und möglicherweise deshalb das in Ritter-Sport-Vollnuss nachgewiesene Piperonal als chemisch hergestellt eingestuft, ohne die Herstellungsmethode eigens zu analysieren. Weil es verboten ist, Lebensmittel unter irreführender Bezeichnung, Angabe oder Aufmachung in Verkehr zu bringen, wurde Ritter Sport als "mangelhaft" eingestuft.

Warentest ist ein Glücksfall für Verbraucher

Trotz der bitteren Niederlage: Die Stiftung Warentest ist und bleibt ein Glücksfall für den Verbraucher. Ob Wasserkocher, Joghurts, Flachbildfernsehr oder Druckerpatronen - es gibt kaum ein Produkt, dass von den Experten aus Berlin noch nicht unter das Mikroskop genommen und dabei verglichen wurde, ob denn die Angaben der Hersteller mit der Wirklichkeit auch tatsächlich übereinstimmen. Dabei gehen die Tester der Stiftung auch in aller Regel mit Sachverstand und Sorgfalt zu Werke und bedienen sich der Expertise externer Experten und Instituten.

Die Stiftung Warentest hat sich damit in den vergangenen 50 Jahren überaus verdient gemacht und gilt als unabhängige, verlässliche Verbraucherschutzinstanz. Sie deckt auf, prangert an, meist sachlich und fundiert. Anders etwa als die marktschreierischen, selbst ernannten Essensretter von Foodwatch.

Insgesamt kommt es auch recht selten vor, dass Unternehmen gegen die Bewertungen der Stiftung vor den Kadi ziehen. Durchschnittlich seien es laut Angaben von Stiftung Warentest nur vier bis fünf Firmen pro Jahr - bei 2000 getesteten Produkten. Das ist wenig. Umso unbegreiflicher ist es, dass die Stiftung auf Mutmaßungen basierende Negativ-Urteile veröffentlichte.

© Handelsblatt GmbH – Alle Rechte vorbehalten. Nutzungsrechte erwerben?
Zur Startseite
-0%1%2%3%4%5%6%7%8%9%10%11%12%13%14%15%16%17%18%19%20%21%22%23%24%25%26%27%28%29%30%31%32%33%34%35%36%37%38%39%40%41%42%43%44%45%46%47%48%49%50%51%52%53%54%55%56%57%58%59%60%61%62%63%64%65%66%67%68%69%70%71%72%73%74%75%76%77%78%79%80%81%82%83%84%85%86%87%88%89%90%91%92%93%94%95%96%97%98%99%100%