Strauss Innovation Der Niedergang eines Traditionshändlers

Die Chancen für eine Rettung von Strauss Innovation schwinden. Der vorläufige Insolvenzverwalter Horst Piepenburg sucht dringend nach einem Investor - und bringt eine Zerschlagung des Traditionshändlers ins Spiel.

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Der insolventen Handelskette Strauss Innovation droht die Zerschlagung. Quelle: dpa Picture-Alliance

Sein Optimismus ist legendär. Vorträge beendet der Düsseldorfer Insolvenzverwalter Horst Piepenburg gerne mit den Worten „Meine Damen und Herren, der Aufschwung wird kommen“, um nach kurzer Pause hinzuzufügen: „jedenfalls für meine Branche.“ Tatsächlich gelangen dem Juristen zahlreiche erfolgreiche Rettungseinsätze, etwa beim Immobilienkonzern IVG und dem Anlagenbauer Babcock Borsig.

Doch in seinem jüngsten Verfahren, der Pleite der Handelsgruppe Strauss Innovation aus dem rheinischen Langenfeld, schlägt selbst Daueroptimist Piepenburg inzwischen skeptische Töne an: „Ich suche dringend nach einem Investor für das komplette Unternehmen“, sagte Piepenburg der WirtschaftsWoche. „Auch Teillösungen müssen in Betracht gezogen werden.“

Im Klartext: Die Chancen für den Erhalt des Discount-Miniaturkaufhauses mit 77 Filialen und 1100 Beschäftigten schwinden. Eine Zerschlagung und der Weiterverkauf von Standortpaketen an einzelne Interessenten wird wahrscheinlicher.
Eine Vorentscheidung steht bereits unmittelbar bevor.

Dem Vernehmen nach wird das Amtsgericht Düsseldorf in dieser Woche das Insolvenzverfahren eröffnen. Dann muss feststehen, wie es mit Strauss weiter geht. Ob etwa Filialen kurzfristig geschlossen werden und Mitarbeiter ihren Job verlieren. Zugleich entfallen im eröffneten Insolvenzverfahren wichtige Sanierungserleichterungen.

Scharfe Konkurrenz in der Modebranche

Entsprechend dringend wäre daher der Einstieg eines neuen Geldgebers. Doch etliche Interessenten sollen sich aus dem Verkaufsprozess verabschiedet haben, heißt es im Unternehmensumfeld. Zu scharf trifft der Gegenwind, der die gesamte Bekleidungsbranche durcheinander wirbelt, das angeschlagene Unternehmen. „Vor allem das Marktumfeld“ im wichtigen Textilbereich, sei „momentan schwierig“, sagt Piepenburg.

Womit Strauss Geld macht

Stürmische Zeiten für den Traditionshändler, dessen Geschichte vor 114 Jahren in Düsseldorf begann. Damals eröffnen die Eheleute Maria und Heinrich Strauss ihr Geschäft für „Kurz-, Weiß- und Wollwaren". Sie offerieren ihren Kundinnen all jene Dinge, die gebraucht wurden um Strümpfe zu stopfen und Pullover und Hosen auszubessern. 1989 trennt sich die Gründerfamilie vom Unternehmen und verkauft es an den langjährigen Mitarbeiter Peter Geringhoff. Ihm gelingt das Kunststück, Strauss als bundesweite Marke zu etablieren und mit einem frischen Konzept neue Kunden anzusprechen.

Unterwäsche und Gartenmöbel

Ein bisschen Butlers, ein Teil Tchibo, ein Hauch Hussel – so lässt sich die Strauss‘sche Strategie seither umreißen. Geringhoff bringt einen bunten Warenmix aus Aktionsartikeln wie Gartenstühlen und Golfschlägern kombiniert mit Sortimentsklassikern wie Unterwäsche und Mandelgebäck in die Filialen.

Das Kalkül: Der stete Produktwechsel treibt die überwiegend weibliche Kundschaft in die Läden - allein schon, um zu schauen, was es wieder Neues gibt. Die Strategie geht auf. Strauss beschäftigt unter Geringhoff mehr als 2000 Mitarbeiter, das Unternehmen setzt rund 280 Millionen Euro um und gilt der Branche als Vorbild.

Wolfgang Urban, damals Chef des Wettbewerbers KarstadtQuelle, lobt im Jahr 2002: „Strauss ist einer der innovativsten Filialisten.“ Heute ist KarstadtQuelle Geschichte und das einstige Erfolgsmodell Strauss manövriert gefährlich nah am Abgrund.

Was Strauss den Untergang brachte

Der Niedergang beginnt schleichend. 2004 übergibt Geringhoff die Ladenkette an seinen Sohn Peter. Wenig später zeigen sich die ersten Risse in der Erfolgsgeschichte.

Denn der schnelle Sortimentswechsel wird immer exzessiver von Discountern wie Aldi und Lidl nachgeahmt. Später betreten Online-Händler wie Amazon das Turnierfeld. Durch sie werden plötzlich auch ausgefallene Deko-Artikel und Eichrichtungsaccessoires jederzeit verfügbar. Der Impuls, bei zeitlich befristeter Aktionsware schnell zugreifen zu müssen, wird dadurch empfindlich abgeschwächt.

Die spektakulärsten Pleiten 2014
Stadtwerke GeraWas bislang in Deutschland als undenkbar galt, ist im Sommer 2014 erstmals eingetreten: In Gera, der mit 95.000 Einwohnern drittgrößten Stadt Thüringens, haben die Stadtwerke Insolvenz angemeldet. Insolvenzverwalter Michael Jaffé aus München, der schon das Insolvenzverfahren von Kirch-Media betreut hat, setzt seither auf eine Sanierung der Stadtwerke, in deren Sogwelle auch der Verkehrsbetrieb und die Flugbetriebsgesellschaft Insolvenz anmelden mussten. Busse und Bahnen fuhren zwar unverändert weiter, aber Jaffé arbeitete Sparkonzepte aus, um den Zuschussbedarf für den Betrieb zu senken. Außerdem lotet er den Einstieg privatwirtschaftlicher Investoren aus und plant den Verkauf von Anteilen an einer Wohnungsbaugesellschaft. Die Folgen der Pleite reichen indes weit über die Grenzen von Gera hinaus. Auch in andere Kommunen ist die Schuldenlast drückend, gelten Insolvenzen städtischer Tochtergesellschaften nach Gera-Exempel nicht mehr als ausgeschlossen. Damit könnten zugleich aber auch Fragen nach der Absicherung und Eigenkapitalunterlegung von Bankkrediten an öffentliche Unternehmen auf die Agenda rücken. Quelle: dpa
Burger King GmbHNach monatelangen Querelen reichte im Dezember der größte Betreiber von Burger King Restaurants in Deutschland einen Insolvenzantrag ein. 89 Schnellrestaurants mit 3000 Mitarbeitern sind betroffen. Sie hatten schon im November schließen müssen,  nachdem die Burger-King-Zentrale dem Franchisenehmer Yi-Ko nach Schlagzeilen um Hygienemängel und schlechte Arbeitsbedingungen fristlos gekündigt hatte. Der vorläufige Insolvenzverwalter Marc Odebrecht erreichte eine schnelle Einigung mit Burger King und die Wiedereröffnung der Restaurants. Die insolvente Gesellschaft soll nun verkauft werden.   Quelle: dpa
ProkonDie Insolvenz des Windkraftunternehmens Prokon war nicht nur ein Schock für die Beschäftigten. Betroffen waren auch rund 74.000 Anleger, die insgesamt 1,4 Milliarden Euro in das Unternehmen investiert hatten. Sie werden nach Angaben von Insolvenzverwalter Dietmar Penzlin wohl rund die Hälfte ihres eingesetzten Kapitals verlieren. Penzlin will Prokon über ein Insolvenzplanverfahren sanieren und sondiert derzeit die Möglichkeit, den Konzern als Genossenschaft weiter zu führen. Quelle: dpa
WeltbildEine Debatte um erotische und esoterische Literatur stürzte das Verlagshaus Weltbild ab 2011 in eine tiefe Krise. Weltbild geriet ins Abseits, dann drehte die Kirche den Geldhahn zu. Anfang 2014 musste der defizitäre Verlag Insolvenz anmelden. Für die Beschäftigten begann ein Jahr der Ungewissheit: Ein interessierter Käufer sprang kurz vor einem Vertragsabschluss wieder ab. Doch Insolvenzverwalter Arndt Geiwitz konnte einen neuen Kaufkandidaten aus dem Hut zaubern: Im Sommer übernahm die Düsseldorfer Droege Group den Verlag und kündigte weiteren Jobabbau an. Knapp ein Drittel der einst mehr als 3500 Stellen war zu diesem Zeitpunkt bereits weggefallen. Quelle: dpa
MS DeutschlandDie finanzielle Havarie der als ZDF-„Traumschiff“ bekannten MS Deutschland wurde im Oktober offenkundig. Die Geschäftsführung der MS-Deutschland-Beteiligungsgesellschaft stellte beim Amtsgericht Eutin Insolvenzantrag. Auf dem Schiff lasten Schulden von rund 56 Millionen Euro, davon sind 50 Millionen Anleiheschulden und drei Millionen Euro Zinsen. Wie viel die Anleger davon wiedersehen werden, hängt vom Verkaufserlös des Schiffes ab, den der Insolvenzverwalter Reinhold Schmid-Sperber erzielen kann. Quelle: dpa
MifaMifa, der größte deutsche Fahrradhersteller meldete Ende September Insolvenz an. Zuvor war eine Vereinbarung mit der indischen Hero Cycles gescheitert. Hero sollte eigentlich mit mindestens 15 Millionen Euro bei dem Unternehmen einsteigen. Zuletzt machte Mifa 13,2 Millionen Euro Verlust. Zudem kamen Fehler in der Bilanzierung ans Licht. So wurde Investoren 2012 und 2013 ein profitables Geschäft vorgegaukelt, das es so nie gegeben hat. Die Insolvenz trifft auch Mifa-Großaktionär Carsten Maschmeyer. Statt ihm steuert nun Insolvenzverwalter Lucas Flöther das Unternehmen. Quelle: dpa
StrenesseDer Nördlinger Modehersteller Strenesse stellte im April einen Antrag auf Insolvenz in Eigenverwaltung. Grund für den Schritt waren drückende Altlasten, die die Sanierung des Unternehmens behinderten wie der Strenesse-Vorstand erklärte. Seither mühen sich Sanierungsexperte Michael Pluta und der Sachwalter Jörg Nerlich um die Rettung des Modeunternehmens. Von der Insolvenz sind mehr als 350 Beschäftigte betroffen. Quelle: dpa

Entsprechend trüben sich die Strauss-Geschäfte immer stärker ein. 2008 bewahrt der schwedische Finanzinvestor EQT die Firma vor dem Ruin und kann mit dem Handelsmanager Thorsten Hermelink an der Strauss-Spitze das Ruder noch einmal herum reißen. Doch als EQT die Ladenkette 2011 an den amerikanischen Finanzinvestor Sun Capital Partners weiterreicht, zeigt sich, dass die Erholungsphase eher ein letztes Aufbäumen als die Wende war.

Strauss wird austauschbar

Denn zum strukturellen Ungemach kommt fortan reichlich Missmanagement. Nachdem Strauss-Frontmann Hermelink kurz nach dem Eigentümerwechsel den Dienst quittiert, zieht sich die Nachfolgesuche über Monate hin.

Noch entscheidender: Das Unternehmen verliert sein Trendgespür. Das Angebot von Strauss wird austauschbar und die Shoppingbereitschaft der Kunden zunehmend über Rabatte stimuliert. Doch ähnlich wie bei der Baumarktkette Praktiker gehen die Rotstiftaktionen langfristig nach hinten los.

Zahlen, Daten und Fakten zu Insolvenzen in Deutschland

Anfang 2014 stellt die Geschäftsführung Antrag auf ein so genanntes Schutzschirmverfahren, eine Insolvenzvariante, bei der meist ein erfahrener Sanierungsexperte gemeinsam mit dem Management versucht, das Unternehmen neu zu justieren. Bei Strauss übernimmt Hans Peter Döhmen den Job. Der Kölner Insolvenzexperten Andreas Ringstmeier beaufsichtigt als Sachwalter die Rettungsmission. Das Duo verordnet dem Unternehmen harte Einschnitte. 19 der bis dahin 96 Filialen werden geschlossen, fast 300 der 1400 Mitarbeiter müssen gehen. Immerhin: Das so zurechtgestutzte Unternehmen zieht wieder Investoren an.

Im August 2014 verkündet Strauss den Einstieg der Beteiligungsgesellschaft Mühleck Family Office. Die Unternehmerfamilie aus Baden-Württemberg betrieb bis dahin hauptsächlich Spielhallen – "Magic Casino" - und Fitness-Studios unter dem Namen „Body Fit“. Man sei als „langfristig orientierter strategischer Investor“ an Bord, heißt es damals.

Unausweichliche Insolvenz

Allein, das Engagement währt nicht lang. Dem Vernehmen nach soll sich der Investor getäuscht gefühlt haben, als die Umsatzentwicklung unter den Prognosen bleibt. Zwischenzeitlich wird dem Vernehmen nach bereits über den Einstieg eines weiteren Investors verhandelt. Doch dazu kommt es nicht mehr.

Im Juni muss Strass erneut Insolvenz anmelden. „Die notwendige Finanzierung der Winterkollektion ist zuletzt gescheitert. Dadurch konnten notwendige Bestellungen nicht durchgeführt werden, und die Insolvenzanträge wurden unausweichlich", teilt das Unternehmen damals mit. Für den Insolvenzverwalter eine heikle Situation – Piepenburg muss bereits kurz nach seiner Einsetzung durch das Gericht entscheiden, ob noch Ware geordert werden kann.

Auch sonst gibt es offenbar reichlich Gegenwind. So ist zunächst offen, ob die Mitarbeiter überhaupt Insolvenzgeld beziehen dürfen, da das erste Insolvenzverfahren nur wenige Monate zurück lag. Kaum ist das operative Geschäft gesichert, beginnt die Investorensuche. Doch das Interesse hält sich offenbar in Grenzen. Der Mühleck-Clan will kein weiteres Geld riskieren, heißt es unternehmensintern. Auch ein Modeunternehmen, das sich vor allem für die zentral gelegenen Filialen interessiert hatte, soll sich wieder aus dem Verkaufsprozess verabschiedet haben.

Sollte sich in den kommenden Wochen kein Käufer finden, droht dem Unternehmen der finale Schlussverkauf. Piepenburg: „Ohne Investor können wir das Geschäft bis Weihnachten weiterführen, aber nicht auf Dauer.“

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